Schon früh ist bei Erika Schinegger (Markus Freistätter) klar, dass sie kein Mädchen wie andere ist. Puppen oder Kleider sind weniger ihr Ding, sie tobt lieber herum, ist ein ziemlicher Wildfang, der von den Eltern kaum zu bändigen ist. Und auch beim Skifahren merkt sie rasch, dass sie anders ist. Sie ist schneller als ihre Altersgenossen, wilder – und erfolgreicher: Erika wird im Nationalteam aufgenommen und 1966 zur Weltmeisterin gekürt. Doch der Höhenflug wird jäh unterbrochen, als bei einem Test festgestellt wird, dass sie in Wahrheit ein Junge ist. Während die Sportfunktionäre versuchen, die Geschichte möglichst leise aus der Welt zu schaffen, steht Erika nun vor der schwierigen Entscheidung, wer sie in Zukunft sein möchte …
Auf der einen Seite gibt es die Männer, auf der anderen die Frauen – so war lange die vorherrschende Meinung. In den letzten Jahren ist jedoch das Bewusstsein gewachsen, dass das mit der binären Einteilung nicht allen wirklich gerecht wird. So kann es nicht nur Unterschiede geben zwischen einem körperlichen Geschlecht und der selbst wahrgenommenen Geschlechteridentität. Auch Zwischenformen sind möglich bzw. Menschen, die sich weder in der einen, noch der anderen Identität selbst wiederfinden. Diskussionen um Intersexualität oder ein drittes Geschlecht haben zu ersten Erfolgen geführt.
Mann oder Frau?
Vor dem Hintergrund ist es prinzipiell begrüßenswert, wenn mit Einer wie Erika ein Film diese Thematik aufgreift und für das breite Publikum begreifbar macht. Die österreichische Produktion, die daheim vor zwei Jahren bereits im Kino lief, erzählt die wahre Geschichte von Erik Schinegger, der bei der Geburt Merkmale beider Geschlechter hatte und viele Jahre als Mädchen lebte, nachdem er als solches eingestuft worden war. Erst ein Test enthüllte, dass er über männliche Chromosomen verfügt, was ihn vor die Wahl stellte: Soll er ein Leben als Frau oder als Mann weiterführen? Möglich wäre beides, jeweilige Operationen standen ihm zur Auswahl.
Das ist natürlich spannend, zeigt zudem wie viel sich in den letzten Jahrzehnten getan hat. In den 1960ern wusste man zwar schon von der Möglichkeit solcher Geschlechterüberschneidungen, tat sich aber schwer damit, wie darauf zu reagieren ist. Einer wie Erika ist deshalb in erster Linie als Zeitdokument interessant. Als Vorfühlmodell, von dem man etwas für heute lernen soll, ist das Drama hingegen problematisch. Zwar setzt es sich für mehr Toleranz und Offenheit ein. Gleichzeitig hält der Film aber an der Binarität fest: Wenn Erika irgendwann zu Erik wird, dann wird das als Berichtigung eines Fehlers verkauft, am Ende heißt es, sich für eine Seite entscheiden zu müssen.
Geschlechterrollen von anno dazumal
Zumal das auch noch mit zahlreichen Klischees einhergeht. Mädchen spielen mit Puppen und tragen Kleider, Jungen werkeln an Maschinen rum. Wenn ein Mädchen nun aber Puppen ablehnt, dann kann das nur – so wird impliziert – damit erklärt werden, dass es in Wirklichkeit kein Mädchen ist. Auch wenn Einer wie Erika einerseits einen Fortschritt darstellt im Hinblick auf Geschlechteridentitäten, tatsächlich zeitgemäß ist das hier nicht. Dafür sind die beiläufigen Attacken auf die Sportmaschinerie zeitlos. Die Art und Weise, wie Erika zu einem Wegwerfobjekt wird, nachdem das „Problem“ mit dem Geschlecht aufgetreten ist, das kann man sich heute genauso gut vorstellen.
Insgesamt reicht das dann zu einem gut gemeinten, letztendlich aber nur durchschnittlichen TV-Film, der ein interessantes Thema zu wenig und zu undifferenziert ausarbeitet. Dafür gibt es die typisch aufdringliche Musik und eine etwas zu gewollt auf alt getrimmte Optik, was auf Dauer eher aus dem Geschehen reißt, als dass es einen mitreißen würde. Auch schauspielerisch ragt das nicht aus dem TV-Einerlei heraus. Zwar treten Markus Freistätter und der Rest des Ensembles engagiert auf, ohne dass dabei aber eine tatsächliche Emotionalität entstehen würde. Dafür hätte das dann doch noch eine ganze Spur nuancierter ausfallen müssen.
OT: „Erik & Erika“
Land: Österreich
Jahr: 2018
Regie: Reinhold Bilgeri
Drehbuch: Dirk Kämper
Musik: Raimund Hepp
Kamera: Carsten Thiele
Besetzung: Markus Freistätter, Marianne Sägebrecht, Ulrike Beimpold, Gerhard Liebmann, Cornelius Obonya, Birgit Melcher
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