Auch wenn inzwischen schon 18 Monate vergangen sind, Peter (Claus Riis Østergaard) hat nach wie vor mit dem Tod seines Sohnes Aksel zu kämpfen, der von Mike (Morten Hee Andersen) überfahren wurde – umso mehr, da er der festen Überzeugung ist, dass dies damals kein Unfall war. Aber er ist nicht der einzige, der auf Mike nicht gut zu sprechen ist. Auch andere in der kleinen Gemeinde Balling auf der dänischen Insel Fünen haben ihre Gründe, den Mann zu verabscheuen, der so viele von ihnen terrorisiert. Also beschließen Peter, John (Mads Rømer), Bibi (Lene Maria Christensen) und Milad (Dar Salim), nicht länger tatenlos zuzusehen und das Problem selbst zu lösen. Und die Lösung lautet: Mike muss sterben!
Skandinavische Produktionen sind dafür bekannt, gerne mal ein wenig düsterer zu sein. Das betrifft einerseits die dortigen Dramen, die tief in die menschlichen Abgründe blicken, von Missbrauch, auseinanderbrechenden Gesellschaften und persönlichen Dämonen berichten. Die Filme rund um Dogma 95 und deren Nachkommen beispielsweise muteten bewusst dem Publikum sehr viel zu, formal wie inhaltlich. Vor allem aber der Krimi- und Thrillerbereich erfreut sich weltweit großer Berühmtheit, wenn dort Menschen für Gerechtigkeit kämpfen, die selbst völlig kaputt sind, die Grenzen zwischen Gut und Böse in einem undurchsichtigen Grau verschwinden. Strahlende Helden? Die gibt es im Norden nicht. Bei Killing Mike ist das ganz ähnlich und doch auf den Kopf gestellt, eine Serie, bei der vieles bekannt und gleichzeitig anders ist.
Lasst uns morden!
Der größte Unterschied wird dabei gleich im Titel verraten: Wo es im Genrebereich normalerweise darum geht, einen Mord aufzuklären oder zu verhindern, da steht hier acht Folgen lang im Mittelpunkt, wie ein solcher ausgeführt werden kann. Das lässt eigentlich auf viel schwarzen Humor schließen, vergleichbar zu der belgischen Krimiserie Clan damals, bei der ebenfalls einem Tyrann nach dem Leben getrachtet wurde. Tatsächlich komisch ist bei Killing Mike aber nichts. Christian Torpe und Marie Østerbye, die gemeinsam die dänische Serie erdacht haben, verzichten auf die naheliegende Konsequenz, eine Reihe komisch gescheiterter Mordversuche zu zeigen. Da wird viel geredet und beratschlagt, weniger gehandelt.
Das wird dann für ein Publikum eventuell nicht genug sein, dass sich gerade auf diesen Aspekt des Mordens gefreut hat. Killing Mike nimmt sich sehr viel Zeit, um die Figuren und ihre jeweiligen Motivationen aufzuzeigen, weshalb der Titel-Antagonist sterben muss. Die Serie ist mehr das Porträt einer kleinen Gemeinde, die einem Bully ausgeliefert ist, der alle nach Belieben herumschubsen kann. Das bringt quasi automatisch Sympathiepunkte für die Opfer, die endlich lernen sich zu wehren – vergleichbar zu den ganzen Coming-of-Age-Geschichten um Schüler und Schülerinnen, die über ihre Peiniger triumphieren. Nur dass dort eben normalerweise im Mittelpunkt eine innere Stärke und ein erwachendes Selbstvertrauen stehen, also etwas, das man dem Publikum für den eigenen weiteren Lebensweg mitgeben kann. Die Gegner einfach zu ermorden ist da nicht ganz so konstruktiv.
Am Rande des Abgrunds
Aber auch darin liegt Spannung. Wenn unbescholtene Bürger und Bürgerinnen zu Verbrechern werden, sich zu Richtern über Leben und Tod aufschwingen, dann wird das schnell hässlich. Wie weit werden sie gehen? Werden sie ihr Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen? Und was macht das mit den Menschen, wenn sie einen anderen kaltblütig ermorden? Killing Mike ist deshalb nicht allein die Geschichte eines Verbrechens, sondern zugleich eine Auseinandersetzung mit der Natur des Bösen. Gerade weil das hier ganz normale Leute sind, fest integriert in ihrer Gemeinde, ist es erschreckend, wie nach und nach die Hemmungen fallen und zum Zwecke des Friedens die Moral in Stücke gerissen wird.
Das hätte manchmal etwas schneller gehen können. Bis das Team mal zusammengefunden hat und wirklich loslegt, ist die Serie zu einem Großteil schon vorbei. Dafür gibt es auf den letzten Metern doch einige ziemliche Überraschungen. Die Serie schafft es dann sogar, noch böser zu sein, als das Szenario ohnehin schon war. Der wendungsreiche Abstieg in die menschlichen Abgründe ist zusammen mit dem guten Ensemble Grund genug, sich in das mörderische Dorf zu begeben. Aber auch die tragischen Geschichten, die im Laufe der Zeit freigelegt werden, tragen dazu bei, dass Killing Mike den düsteren Ruf Skandinaviens festigt und eine der besten Serien ihrer Art ist, die zuletzt hier gezeigt wurden.
OT: „Fred til lands“
Land: Dänemark
Jahr: 2019
Regie: Søren Balle, Louise Friedberg, Martin de Thurah
Drehbuch: Christian Torpe, Marie Østerbye, Jakob Weis
Musik: Colin Stetson
Kamera: Martin Munch, Lars Reinholdt, Marcel Zyskind
Besetzung: Claus Riis Østergaard, Anders Juul, Lene Maria Christensen, Morten Hee Andersen, Dar Salim, Marijana Jankovic, Mads Rømer, Jesper Riefensthal, Sylvester Byder
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