Als die Beraterin Sofie (Ida Engvoll) einen neuen Auftrag annimmt, dauert es nicht lange, bis es zu den ersten Konflikten kommt. Kein Wunder, soll sie doch einen alteingesessenen Verlag fit machen für die digitale Welt und ihn ertragreicher machen, egal wie. Aber es sind nicht allein diese Änderungen, die bei den Angestellten Sorgenfalten auslösen. Auch zwischenmenschlich gibt es schnell erste Reibungen, vor allem mit dem jungen IT-Experten Max (Björn Mosten), mit dem sie gleich zu Beginn aneinandergerät. Doch aus diesem Streit wird bald Spaß, als sie sich gegenseitig kleine Aufgaben und Mutproben geben, die sie zu erfüllen haben. Was anfangs noch harmlos ist, wird mit der Zeit immer intensiver, zumal es auch im Verlag selbst zu umstrittenen Richtungsentscheidungen kommt …
Zum zweiten Mal geht bei Netflix eine selbst produzierte Serie aus Schweden an den Start. Doch unterschiedlicher könnten die beiden kaum sein. War Quicksand – Im Traum kannst du nicht lügen im letzten Jahr noch ein eisiges Krimidrama, welches einen Amoklauf an der Schule rekonstruierte, wird Liebe und Anarchie als Liebeskomödie verkauft. Eine, die am Arbeitsplatz spielt. Dabei wird aber relativ bald schon klar, dass sich das hier nur bedingt mit dem vergleichen lässt, was bei dem Streamingdienst sonst so in diese Richtung erscheint. Die erste Überraschung findet gleich zu Beginn statt, wenn das Publikum das designierte Liebespaar sieht. Denn eine Frau, die mit einem mehr als zehn Jahre jüngeren Mann etwas anfängt, das ist selbst 2020 noch eine Seltenheit.
Zwischen Quatsch und Culture Clash
Der Altersunterschied wird dabei so gut wie gar nicht thematisiert, erst gegen Ende hin kommt der mal zur Sprache. Das liegt aber auch daran, dass die Serie zunächst gar nicht so viel in diese Romanze investiert. Stattdessen hat Regisseurin und Co-Autorin Lisa Langseth (Euphoria) zwei größere Bausteine, auf denen die Serie fußt. Da sind zum einen die amüsanten kleinen Aufgaben, die sich die beiden gegenseitig zustecken. Die haben etwas von Mutproben, so wie man sie bei dem in den USA so beliebten Spiel „Wahrheit oder Pflicht“ vermuten könnte, und die des Öfteren bedeuten, sich irgendwie etwas lächerlich zu machen. An der Stelle spielt auch die im Titel benannte Anarchie ein wenig mit ein.
Der andere ist die Arbeit im Verlag. Dass in Zeiten der Digitalisierung und der allgegenwärtigen Medienbeschallung das klassische Buch eine kleine Sinnkrise hat, ist bekannt. Wenn Liebe und Anarchie darüber nachdenkt, wie Literatur auch 2020 noch relevant sein kann, dann erinnert das ein wenig an Zwischen den Zeilen von Olivier Assayas. Da gibt es die zu erwartenden Konflikte zwischen einer Generation, die virtuell aufgewachsen ist, und einer, die noch dicke Bücher wälzte. Hier dann nach Gemeinsamkeiten zu suchen, das führt fast zwangsläufig zu komischen Reibungen. Eine Culture-Clash-Komödie, wenn man so will, nur eben nicht zwischen zwei Nationen oder Regionen, sondern innerhalb eines Büros.
Viel Ernst auf engem Raum
Das ist durchaus unterhaltsam, wird später sogar überraschend selbstironisch, wenn auf einmal ein Streamingdienst mitmischt, der sein Image als Kulturbanause aufpolieren möchte. Aber auch ernste, gesellschaftliche Themen kommen zur Sprache. Da geht es um Geschlechterrollen, Sexismus und #MeToo, die Kommerzialisierung von Kunst, bei den Nebenfiguren kommen noch LGBT sowie psychische Erkrankungen hinzu. Das ist bei gerade mal acht Folgen à etwa 30 Minuten schon richtig viel. Leider geht Liebe und Anarchie an der Stelle nicht sonderlich in die Tiefe, da wird einem zu viel nur irgendwie vor die Füße geworfen, ohne dass da etwas draus gemacht wird.
Besonders ärgerlich wird das zum Ende hin, wenn Sofies Ehemann zur Karikatur eines Patriarchen reduziert wird, um auf diese Weise ihren Ehebruch leichter verkaufen zu können. Da hätte die Serie mehr Nuancen und mehr Mut gut vertragen können. Außerdem ist Liebe und Anarchie zu dem Zeitpunkt die Leichtigkeit abhanden gekommen, welche die ersten Folgen noch auszeichnete. Dennoch, interessant ist dieser Mix, auch nicht ganz so klinisch rein, wie man es bei Liebeskomödien oft vorfindet – gerade bei Netflix. Langseth zeigt eine Welt, die komplexer ist, zwischen tragisch und schrullig schwankend, gleichzeitig nicht ganz real und doch nah dran an dem, was uns im täglichen Leben so begegnet.
OT: „Kärlek & Anarki“
IT: „Love & Anarchy“
Land: Schweden
Jahr: 2020
Regie: Lisa Langseth
Drehbuch: Lisa Langseth, Alex Haridi, Amanda Högberg, Antonia Pyk
Besetzung: Ida Engvoll, Björn Mosten, Björn Kjellman, Gizem Erdogan, Reine Brynolfsson, Johannes Kuhnke, Lars Väringer
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