Mendelmann ist ein talentierter Teppichweber, der seine Arbeit weniger als ein Handwerk, sondern mehr als Kunst betrachtet. Besondere Freude bereitet ihm der Markttag, an dem er jede Woche mit seinen Arbeiten in die Stadt geht und diese einem Händler verkauft, der schon seit Jahren seine Teppiche annimmt und ihn in seiner Haltung zur Kunst bestärkt hat. Doch dieser Morgen ist anders, da seine Frau Rachel ihn nicht wie üblich begleiten kann, erwartet sie doch ihr erstes Kind. So geht Mendelmann mit einem flauen Gefühl im Magen in Richtung Stadt, kann sich aber bald schon ablenken, als er die gewohnten Bilder, Gesichter und Abläufe des Marktes sieht. Dabei trifft er andere Händler, die sich mit ihm auf den Weg zum Laden des Käufers machen. Allerdings ist dieser Morgen noch aus einem anderen Grund besonders, denn der Händler, der ihnen bislang ihre Arbeiten abkaufte, steht nicht mehr hinterm Tresen. Der neue Händler hat wenig Interesse an den angebotenen Waren, versucht die aufgebrachten Männer zu beruhigen, indem er sich auf mangelnde Nachfrage beruft. Von Mendelmann nimmt er gar keine Teppiche an, was diesen in die Verzweiflung treibt. Traurig zieht er seinen Karren durch die Stadt und fragt sich, wie er dies Rachel erklären soll, doch in seiner Verzweiflung wird er an einen neuen Laden verwiesen, ein Kaufhaus, welches eine Vielzahl an Waren abnimmt.
Weltmarkt
Die Kunst, komplexe Zusammenhänge in einfachen Geschichten zu verknüpfen, ist eine Intention, die den Comics des US-Amerikaners James Sturm gemein ist. Inspiriert von den Comicstrips eines Charles M. Schultz behandelt Sturm in Geschichten wie The Cereal Killings oder The Golem’s Might Swing Themen wie Antisemitismus oder die Veränderungen in der politischen Landschaft der USA. In Markttag befasst sich Sturm mit dem Zeitenwechsel in der Weltwirtschaft, der Konsumgesellschaft und inwiefern der Markt das Leben des Einzelnen diktiert.
Prinzipiell ist eine Geschichte wie der des Teppichwebers Mendelmann eine einzige Allegorie. Zentral für ihn ist das Bild des Marktes, welches sich im Laufe der Geschichte mehrfach verändert, mit dem er sowohl persönliches Glück und Wohlstand verknüpft wie auch Fehlschläge und tiefe Selbstzweifel. Auf dem Weg in die Stadt und bei seiner Ankunft gibt sich der ohnehin etwas verträumte Mendelmann diesem Ideal des Marktes hin, einem Platz, an welchem die ganze Gesellschaft Platz hat, wo jeder prinzipiell mitmachen kann und ein Recht hat, das Glück zu suchen, sofern man ein Handwerk oder eine Kunst anzubieten hat.
Doch dieses Bild täuscht, denn die versteckten Mechanismen des Marktes entscheiden über dieses Glück, weniger das eigene Engagement oder die Kunstfertigkeit, so zumindest scheint es. Dieser Marktplatz ist eine sich ständig verändernde Größe, in der jemand wie Mendelmann um seinen Platz ständig bangen muss und wo der Kunde letztlich nicht nur König ist, sondern durch seine Entscheidung über das Leben vieler Menschen wie Mendelmann bestimmt.
Die Fortsetzung der Gegenwart
In kunstvollen Bildern zeigt Sturm, wie sich die Umwelt, vor allem der Marktplatz, der Figur verändert. War der Marktplatz noch persönlich und hatte einen gewissen individuellen Charakter, ist das Kaufhaus ein anonymer Ort, an dem sich die Waren türmen und der Kunde von der Fülle des Angebots quasi erschlagen wird. Kunst, wie Mendelmann feststellen muss, hat hier nichts mehr verloren, nur noch Angebot und Nachfrage bestimmen den Markt, eine gänzlich andere Herangehensweise wie die, der er bislang gefolgt ist. Die Zukunft kann, wie er selbst sagt, nur noch eine Fortsetzung des Elends der Gegenwart sein, dieser Existenz im ständigen Kampf um das eigene Überleben und das der Familie.
OT: „Market Day“
Land: Kanada
Jahr: 2010
Texte: James Sturm
Zeichnung: James Sturm
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