1946 in Andalusien: Seitdem der neue Patron (Luis Callejo) und seine Männer das Sagen haben, herrscht Angst und Schrecken in der Gegend, die Menschen leiden große Not. Als ein 12-jähriger Junge (Jaime López) ihn bestiehlt und flüchtet, steht daher fest, dass alles dafür getan werden muss, um ihn wieder einzufangen und zu bestrafen. Wer ihm Unterschlupf gewährt oder anderweitig hilft, der muss sich auf den Zorn des Patrons einstellen, dem alle Mittel recht sind. Doch als der Junge einen Hirten (Luis Tosar) trifft, findet er in ihm einen unerschrockenen Verbündeten. Gemeinsam bieten sie den Männern die Stirn, die zur Erfüllung ihrer Aufgabe über Leichen gehen …
Die sprachlose Einöde
Out in the Open ist kein Film großer Worte. Vieles bleibt bei dem Beitrag des Filmfests Braunschweig 2020 unausgesprochen, auf Andeutungen beschränkt. Probleme, die auftauchen, macht man entweder mit sich selbst aus – oder mit dem Gewehr, das im Zweifelsfall gezückt wird. Nicht einmal Namen sind in dem Westernthriller selbstverständlich. Die Hauptfigur wird immer nur als Junge gerufen, auch andere sind nach ihrer Funktion benannt. In der staubtrockenen, menschenfeindlichen Gegend Andalusiens sind Persönlichkeit und Individualität ein Luxus, den sich niemand leisten kann. Die völlig verarmte Bevölkerung hat andere Sorgen, um die sie sich kümmern muss.
Dass nicht nur der Junge und der sich um ihn kümmernde Hirte Archetypen sind, sondern auch alle anderen Figuren, die auftauchen, mag man nun als klassisch empfinden, als den traditionellen Kampf zwischen Gut und Böse. Oder eben als langweilig und nichtssagend. So oder so: Man sollte sich inhaltlich von Out in the Open nicht allzu viel erhoffen. Zwar ist die Adaption des Romans Die Flucht von Jesús Carrasco in einen historischen und geografischen Kontext eingebettet. Sie hat darüber aber nicht viel zu sagen. Andere Punkte wie der Hintergrund des Diebstahls lösen sich ein wenig aus der Universalität der Ereignisse, dazu gibt es die eine oder andere moralische Frage. Aber das sind nicht mehr als Details, die gleich wieder vergessen sind.
Betörende Aufnahmen aus dem Hinterland
Ein deutlich nachhaltigerer Grund, sich Out in the Open anzuschauen, ist schon etwas in dem Titel vorweggenommen: Nahezu der komplette Film spielt draußen in der Natur, in Bergen und kargen Steppen. Und obwohl es dort eigentlich nicht viel zu sehen gibt, hat Kameramann Pau Esteve Birba (El Autor) fantastische Bilder von der Reise mitgebracht. Die Aufnahmen sind kunstvoll angelegt, jeder Stein scheint Teil eines großen Plans zu sein. Auch die kurzen Zwischenstopps in den spärlichen Zeugnissen der Zivilisation, etwa ein Brunnen oder ein Bahnhof, beschäftigen derart stark das Auge, dass man schon gar nicht mehr darüber nachdenkt, wie dünn die Geschichte ist.
Die betörende Ästhetik steht dabei in einem starken Kontrast zu dem brutalen Treiben in der Gegend. Der Patron und seine Männer kümmern sich nicht um das Gesetz, es herrscht das Recht des Stärkeren. Das lernen die Menschen von früh an, selbst der Junge hat sich dem angepasst. Lediglich der Hirte, verkörpert von dem immer mindestens soliden Luis Tosar (Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden, Sleep Tight), dient als moralischer Stützpfeiler, dessen Selbstlosigkeit jedoch ein Rätsel bleibt. Das Zusammenspiel des Veteranen und seines jungen Kollegen Jaime López funktioniert dafür gut, einzelne Stellen sind emotional, ohne dabei kitschig zu werden. Und auch die Gegenseite überzeugt, ist auf eindrückliche Weise abscheulich. Das lange vorbereitete Finale hätte sicher noch etwas größer ausfallen können, ist irgendwie schon vorbei, bevor es angefangen hat. Doch davor gibt es so viele sehenswerte Szenen, dass das den positiven Gesamteindruck nur minimal schmälert.
OT: „Intemperie“
Land: Spanien, Portugal
Jahr: 2019
Regie: Benito Zambrano
Drehbuch: Daniel Remón, Pablo Remón, Benito Zambrano
Vorlage: Jesús Carrasco
Musik: Mikel Salas
Kamera: Pau Esteve Birba
Besetzung: Jaime López, Luis Tosar, Luis Callejo, Vincente Romero
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