Shithouse
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Shithouse

Kritik

Shithouse
„Shithouse“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Endlich ein neues, eigenes Leben! So war zumindest der Plan, als Alex (Cooper Raiff) sein Zuhause in Texas verließ, um in Los Angeles aufs College zu gehen. Doch der Alltag dort hat nicht viel von dem, was er sich zuvor ausgemalt hatte. Sein Mitbewohner Sam (Logan Miller) ist furchtbar, feindselig, nur daran interessiert, sich volllaufen zu lassen oder Drogen zu nehmen. Und auch sonst findet Alex nirgends Anschluss, weshalb seine einzige Kontaktperson ein Plüschtier ist, das er von daheim mitgenommen hat und mit dem er sich unterhält. Das ändert sich, als er eines Abends auf einer Party Maggie (Dylan Gelula) über den Weg läuft und die Nacht mit ihr verbringt …

Die Zeit auf dem College bzw. der Universität wird immer von großen Erwartungen begleitet. Nicht nur, dass man dort endlich zu einem eigenständigen Wesen wird und seine Unabhängigkeit erlangt, dabei im Idealfall noch jede Menge lernt. Nein, es ist auch die Zeit, in der man jede Menge Spaß hat, unzählige Freundschaften geschlossen werden. Die beste Zeit deines Lebens, an die du dich dein Leben lang mit leuchtenden Augen zurückerinnerst. Aber was, wenn diese Zeit gar nicht so toll ist, wie dir immer versprochen wurde? Wenn sie eigentlich sogar ziemlicher Mist ist? Von einem solchen Fall erzählt die Tragikomödie Shithouse, in der ein junger Student so gar nicht mit dem Leben dort klar kommt, keine Freunde findet und nicht so recht weiß, was er mit sich anfangen soll.

Das versteckte Unglück junger Menschen
Der Titel des Films ist dabei zunächst natürlich eher weniger einladend, lässt eine dieser College-Komödien erwarten, bei der mit richtigem derbem Humor der Grölfaktor in die Höhe getrieben werden soll. Ganz ohne Körperflüssigkeiten und peinliche Situationen kommt Shithouse auch nicht aus, wenn beispielsweise doch mal etwas über den Durst getrunken wurde. Doch Cooper Raiff, der hier nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch Regie führte, das Drehbuch schrieb und einige weitere Funktionen übernahm, geht es weniger darum, an die niederen Instinkte zu appellieren. Stattdessen ist sein Spielfilmdebüt ein überraschend zärtlicher und zugleich ungeschminkter Einblick in das Leben junger Menschen, die alle sehr viel weniger souverän und glücklich sind, als sie es wahrhaben und zugeben wollen.

Im Mittelpunkt steht dabei Alex, der sehr behütet aufgewachsen ist und sich nun erstmals einer Welt stellen muss, die nicht auf ihn gewartet hat, die ihm nichts schuldig ist, der es im Grunde egal ist, ob er nun da ist oder nicht. Das ist eine neue, sehr bittere Erfahrung, auf die man sich nur schwer vorbereiten kann. Man kann höchstens auf sie reagieren. In seinem Fall schwankt das zwischen Selbstmitleid und Selbsterkenntnis. Gleich zu Beginn legt ihm sein Stofftier nahe, dass das Leben am College Mist ist, er es aber nicht einmal versucht hat, irgendwie Anschluss zu finden und etwas aus dem Ganzen zu machen. Shithouse ist deshalb auch durchaus als Mutmacher intendiert: Es kann besser werden, wenn man sich öffnet, auf andere zugeht oder sich zumindest auf diese einlässt. Und dieses „kann“ ist Grund genug, es einmal zu versuchen.

Zwischen Traum und Alltag
Das hört sich nach Kitsch und vergilbten Kalendersprüchen an. Tatsächlich ist die Tragikomödie, die auf dem South by Southwest Festival 2020 Premiere hätte haben sollen und trotz der Festival-Absage dort ausgezeichnet wurde, aber weit davon entfernt. Stattdessen hat Raiff einen zurückhaltenden, beiläufigen Coming-of-Age-Film gedreht, eine Mischung aus Mumblecore-Indie-Skurrilität und den Alltagsbetrachtungen eines Richard Linklater. Einiges davon ist verträumt und schrullig, wenn sich Alex und Maggie auf eine nächtliche Odyssee begeben, um einer verstorbenen Schildkröte die letzte Ehre zu erweisen. An anderen Stellen wird es hingegen fast schon schmerzhaft real, gerade auch in der zweiten Hälfte, wenn die Begegnung der beiden einen etwas anderen Verlauf nimmt als gedacht.

Themen wie Einsamkeit und Entfremdung kommen vor, Prägungen durch unsere Familie, aber auch unterschiedliche Auffassungen davon, was es heißt, erwachsen zu sein. Sollte man sich allem anpassen oder versuchen, sich selbst treu zu sein? Und wie viel Abstand und Nähe braucht es? Shithouse gibt dabei keine vorgefertigten Antworten: Indem sowohl Alex wie auch Maggie nicht wirklich mit allem klarkommen und ein bisschen durch das Leben schlingern, zeigt Raiff auf, dass es diesen Königsweg nicht gibt, sondern nur die Suche nach einem individuellen. Das Ergebnis ist ein Film, der unglaublich charmant ist, streckenweise witzig, aber eben auch zu Herzen geht. Ein Film, der auch wie gemacht ist für das Jahr des Corona-Virus, in dem wir unsere Familie nicht sehen können, einsam sind, keine Orientierung mehr haben: Shithouse ist wie eine dieser Umarmungen, nach denen sich Alex sehnt, und die einem das Gefühl geben, dass alles am Ende gut ausgehen wird, Trost und Hoffnung spenden, egal wo man sich gerade aufhält.

Credits

OT: „Shithouse“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Cooper Raiff
Drehbuch: Cooper Raiff
Musik: Jack Kraus
Kamera: Rachel Klein
Besetzung: Cooper Raiff, Dylan Gelula, Logan Miller, Amy Landecker, Olivia Welch

Trailer

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„Shithouse“ erzählt von einem College-Studenten, der sich schwer mit dem Leben in einer fremden Umgebung tut, bis er eines Abends einer anderen Studentin näherkommt. Die Tragikomödie behandelt einerseits skurril-verträumt, dann wieder unbarmherzig realistisch Themen wie Einsamkeit, aber auch wie schwierig der von Erwartungen geprägte Weg ins Erwachsenenalter sein kann.
8
von 10