Single Cycle

Vor Jahren ist Hong (Lu Liu) mit ihrer Tochter Ye (Qianwen Wang) im Folge der Scheidung von ihrem damaligen Mann in die Stadt Changqing gezogen. Dort hat sie sich mit der Zeit ein neues Leben ausgebaut, betreibt einen Mahjong-Spielsalon, der immer gut besucht ist, und hat sogar einen neuen Freund namens Liu (Ning Feng Song). Als Liu dann auch noch zu ihnen zieht, verwirrt dies Ye, die wenig mit dem neuen Mitglied des Haushalts anzufangen weiß und ihm deswegen versucht so gut es geht, aus dem Weg zu gehen. Liu spürt die Abneigung Yes, kann sich aber nicht erklären, woher diese kommt und vergräbt sich, da er momentan arbeitslos ist, selbst im Schlafzimmer der Wohnung, nur um ab und zu im Salon auszuhelfen oder selbst mitzuspielen. Während sich Ye immer mehr von dem neuen Freund ihrer Mutter und von Hong selbst distanziert, kommt es auch in der Beziehung ihrer Mutter zu Spannungen. Hong macht Liu Vorhaltungen, er würde sich nicht genug in die Beziehung einbringen und sich durch seinen Mangel an Engagement von ihrer Tochter distanzieren. Auch seine gelegentlichen Ausbrüche, wenn er wieder einmal für einige Tage weg ist, machen ihr zu schaffen, während Ye sich in eine andere Beziehung flüchtet, hat sich doch beschlossen, zurück in ihre Heimatstadt und damit zu ihrem Vater zu kehren.

Die Lust an der Gefahr
Mit Single Cycle, der unter anderem im Programm des diesjährigen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg vertreten ist, legt der chinesische Regisseur Zhang Qi sein Spielfilmdebüt vor. In seinem Statement zum Film erklärt er, dass, obwohl vieles in der Handlung dem Zuschauer fremd erscheinen mag, Qi sich vor allem mit der sehr menschlichen Neigung Grenzen auszutesten und diese zu überschreiten auseinandergesetzt hat. Der Abgrund begleitet die Figuren in einem Film wie Single Cycle auf Schritt und Tritt, die Lust am Ausbrechen, welche sie immer weiter treibt, hin zu einem Leben in einer Scheinwelt als „Geister“, wie es an einer Stelle im Film heißt.

Über die Handlung begleitet der Film seine drei Protagonisten, die, obwohl sie in einem kleinen Apartment zusammen wohnen, isoliert voneinander scheinen. Während sich ihre Mutter und deren Freund scheinbar mit ihren Alltagsfluchten begnügen, ist dies für die jugendliche Ye eine unbefriedigende Option, testet sie doch aus, welche Möglichkeiten es für einen Ausbruch gibt. Von ihrem Freund lernt sie das Motorradfahren und sie nimmt an Ballettauftritten teil oder schaut ihren Freundinnen beim Proben zu. Interessant ist, dass Qi an diesen Stellen eine erzählerische Ambivalenz walten lässt, ob man diese Episoden als typisch für einen Teenager betrachtet oder als etwas völlig Anderes. Letztlich ist sich Ye der Gefahr einer solchen Flucht bewusst, fürchtet sich vor der Entzauberung, wenn sie denn wieder auf ihren Vater und ihre alte Heimat trifft, doch es scheint etwas in ihr zu sein, was sie weiter antreibt. Das Bewusstsein um diese Wahrheit treibt sie in die Verzweiflung und in die Schlaflosigkeit.

Über Geisterstädte
Mehrfach in der Handlung wird auf Geister verwiesen, auf ihre alte Heimat als Geisterstadt oder den Mahjong-Salon als von Geistern heimgesucht. Diese Bezeichnung kann in gewisser Weise auf die Figuren in Single Cycle angewendet werden, welche aneinander vorbeileben, räumlich und emotional getrennt, und selbst bei eine vorsichtigen Annäherung nur die Distanz betont. Flüchtet sich Ye in die Fantasie vom Ausbruch aus der Wohnung, flüchtet sich ihre Mutter in die Arbeit und ihre neuer Freund in Spaziergängen und seine diversen Freundschaftsdienste, die teilweise ganze Wochen in Anspruch nehmen. Es liegt immer etwas Unausgesprochenes zwischen den Figuren, eine stetige Nacht und eine Anspannung, welche von Peyman Yazdanians orgellastiger Filmmusik noch hervorgehoben wird.

Eine weiterer Aspekt von Single Cycle, der zu dieser geheimnisvollen Atmosphäre beiträgt sind Ping Bin Lees Bilder, welche gerade den Eindruck einer Geisterstadt verstärken. Mit einem Hauch von Surrealismus erscheinen viele Einstellungen wie ein Traum, die Figuren wie Fremde in ihrer an sich doch vertrauten Umgebung.