Früher, da träumte Etienne (Kad Merad) von einer großen Karriere als Schauspieler. Doch davon ist ihm nicht mehr viel geblieben. Tatsächliche Engagements sind rar geworden, stattdessen hält er sich mit anderen Aufträgen über Wasser. Einer dieser Aufträge führt ihn in ein Gefängnis, wo er die Theatertruppe anleiten soll. Das bedeutet zunächst nur, irgendwelche Fabeln zu rezitieren. Bald entdeckt er in den Männern aber ein komödiantisches, unverbrauchtes Talent und fasst deshalb einen Beschluss: Er will mit Moussa (Wabinlé Nabié), Kamel (Sofian Khammes), Patrick (David Ayala), Jordan (Pierre Lottin) und Alex (Lamine Cissokho) das berühmte Stück Warten auf Godot von Samuel Beckett aufführen …
Gefängnisinsassen sind auch Menschen! Normalerweise sind Strafanstalten in Filmen und Serie nur ein Ort, in den Verbrecher gesteckt werden oder aus dem Verbrecher herauskommen. Über das Leben darin erfährt man hingegen eher weniger. Ausnahmen gibt es natürlich, darunter der Kultfilm Die Verurteilten oder auch der Serienhit Orange Is the New Black. Dort sind es gerade die Männer und Frauen hinter Gittern, um die sich alles dreht. Das Gefängnis wird zu einem eigenen Mikrokosmos, vollgestopft mit Geschichten und Träumen, verpassten Möglichkeiten und traurigen Schicksalen, welche dazu geführt haben, dass die Leute überhaupt erst dort landeten.
Ein bewährtes Konzept
Zumindest teilweise geht Ein Triumph in eine ähnliche Richtung, wenn wir eine Gruppe von Männern kennenlernen, die sich durch die künstlerische Betätigung etwas Abwechslung und Ablenkung versprechen. Dass die Wahl des Stücks dabei ausgerechnet auf Warten auf Godot fällt, in dem zwei Männer tagein tagaus warten, immer in der Hoffnung, dass etwas passiert, mag anfangs etwas zynisch erscheinen, ist aber Teil des Konzepts. Schauspieler und Theaterregisseur Jan Jönson, auf dessen wahren Geschichte der Film basiert, wollte den Männern die Möglichkeit geben, ihr eigenes von Warten bestimmtes Leben kreativ zu nutzen und sich auf der Bühne ausdrücken. Ich warte, also bin ich.
Daraus hätte man natürlich etwas sehr Existentialistisches machen können, alternativ auch etwas in Richtung Gesellschaftskommentar, wenn die Frage gestellt wird, wie wir mit Sträflingen umgehen und was Sinn und Zweck eines Gefängnisses sein sollte. Emmanuel Courcol (Ceasefire) hatte daran jedoch wohl eher weniger Interesse. Stattdessen zimmerte er aus dem Stoff eine Komödie, die nach einem beliebten Prinzip verfolgt: Man nehme einen Haufen Chaoten, lasse sie gemeinsam an etwas arbeiten, mit dem sie anfangs gar nichts anfangen können, und lasse sie dabei Talent und Gemeinschaft entdecken. Das Prinzip kommt vor allem im Sportumfeld zum Einsatz. Aber auch künstlerische Beispiele für solche Entdeckungsreisen gibt es, etwa Ein Geschenk der Götter oder Mrs. Taylor’s Singing Club.
Oberflächlich, aber unterhaltsam
Auch wenn Ein Triumph eine doch eher ungewohnte Kombination aufzeigt, zwei ungleiche Welten zusammenführt – Theater und Gefängnis –, der Film selbst verläuft dabei nach recht vorhersehbaren Bahnen. Dass sich die Leute zusammenraufen werfen, dass sie Erfolge feiern werden, sowohl Etienne wie auch die Insassen einen neuen Sinn im Leben entdecken, all das ist vorher schon klar. Courcol weicht da nicht von den Erwartungen ab. Lediglich das Ende ist überraschend, zumindest wenn man die zugrundeliegende Geschichte nicht kennt. Tatsächlich bedauerlich ist aber, dass die Figuren alle etwas kurz kommen. Es gibt kaum Hintergründe, die sich zur Vertiefung eignen würden. Jeder muss sich mit einem Punkt zufriedengeben, der ihn irgendwie von anderen unterscheidet. Bei Kamel ist es zum Beispiel der Sohn, der ohne ihn aufwachsen muss. Manche bekommen nicht einmal das.
Trotz dieser Oberflächlichkeit, die ganz gerne auch mal mit Beschönigung einhergeht – in dem Film läuft vieles irgendwie zu glatt – ist der Beitrag der Französischen Filmtage Tübingen-Stuttgart 2020 aber durchaus unterhaltsam geworden. Es macht schon Spaß zuzusehen, wie der bunt zusammengewürfelte Haufen Selbstvertrauen findet und neue Perspektiven gewinnt. Ein Triumph ist letztendlich auch Aufmunterung, selbst neue Wege zu gehen, etwas auszuprobieren und dabei vielleicht unbekannte Talente in sich zu finden. Vor allem aber ist die französische Produktion ein rührender Film über die Stärke der Gemeinschaft und wie wir in einer solchen Halt finden können – egal auf welcher Seite der Gitterstäbe wir uns gerade befinden.
OT: „Un triomphe“
Land: Frankreich
Jahr: 2020
Regie: Emmanuel Courcol
Drehbuch: Thierry de Carbonnières, Emmanuel Courcol
Musik: Fred Avril
Kamera: Yann Maritaud
Besetzung: Kad Merad, David Ayala, Lamine Cissokho, Sofian Khammes, Pierre Lottin, Wabinlé Nabié, Alexandre Medvedev, Saïd Benchnafa, Marina Hands, Laurent Stocker
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Europäischer Filmpreis | 2020 | Beste europäische Komödie | Sieg |
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)