Bei einem seiner Kontrollgänge im Schlachthaus des reichen Geschäftsmannes Motevalli (Mani Haghighi) macht der Wachmann Abed (Hassan Pourshirazi) in einem der Kühlhäuser einen grausigen Fund, denn zusammengekauert an einer Wand sind die Körper dreier Männer, alle kläglich erfroren. Schnell hat er nicht nur Motevalli, sondern auch seinen ältesten Sohn Amir (Amirhossein Fathi) benachrichtigt, doch während Amir auf eine Erklärung für den Vorfall pocht, will Motevalli die Leichen so schnell es geht loswerden und mahnt daher zur Eile. Da Abeds Familie finanziell abhängig ist von Motevalli, gelingt es ihm, seinen Sohn zu beruhigen und mit ihm die Leichen zu verstecken. Da sein Boss darauf besteht, dies könne keinesfalls auf Firmengelände passieren, vergraben sie diese in der Nähe des Hauses, in dem Abed mit seiner restlichen Familie wohnt. Während sein Vater die Tat hinter sich lassen möchte und nicht mehr davon reden will, plagt Amir bereits nach wenigen Stunden das schlechte Gewissen. Als er Motevalli auf die Ereignisse ansprechen will, führt dieser den jungen Mann ein in sein Nebengeschäft, außerhalb des Fleischereibetriebs. Er handelt nämlich illegal mit Dollar und anderen Währungen auf dem Schwarzmarkt Teherans und macht Amir zu seiner rechten Hand, der nicht bald eine Menge Geld durch diese Arbeit verdient. Allerdings werden Amir und sein Vater von der Tat wieder eingeholt.
Die Verführungskünste des „bösen Fleischers“
Das durch Wirtschaftssanktionen definierte Iran schreibt seine eigenen Geschichten von Menschen, die an ihr Äußerstes getrieben werden, um ihr Überleben kämpfen müssen und dabei sogar gewisse moralische Bedenken über Bord werfen. In dieser Zeit, so Filmemacher Abbas Amini, sind viele Menschen leicht zu verführen, etwas zu tun, was sie sonst nicht tun würden oder die einfach durch die Umstände zu Opfern werden, auch wenn sie sich nichts zuschulden kommen ließen. Von diesen Schicksalen handelt Aminis Film The Slaughterhouse, eine Mischung aus Thriller und Sozialdrama, die auf dem Programm des diesjährigen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg zu sehen ist.
In langen Einstellungen streift die Kamera gleich zu Beginn durch das Schlachthaus, jenem Tatort, zu dem der Film immer wieder zurückkehren wird und der gleichsam als Metapher für das Iran in Aminis Thriller stehen kann. Man ahnt früh, dass Motevalli, trotz seiner Bekundungen, dass dem nicht so sei, nicht ganz unschuldig an der Tat ist, doch an diesem prallen die indirekten Anschuldigungen und das Bestehen auf einer Erklärung einfach ab. In den Worten Aminis ist dies der „böse Fleischer“, von dem man eigentlich schon weiß, dass er schon längst nicht mehr die sprichwörtliche weiße Weste, sondern seine Hände in Blut wäscht, doch der dank des Geldes sowie der Abhängigkeit, in der Amir und Abed sich zu ihm befinden, sich ihres Schweigens sicher sein kann. Vielmehr noch, erstaunt es kaum, dass er die beiden Männer noch überzeugen kann, die Leichen zu vergraben, dazu noch auf ihrem Grundstück.
Wie Tiere behandelt
In der Welt, die The Slaughterhouse, hat sich eine besonders bizarre Version der Klassengesellschaft formiert. Plagen sich Amir und später auch Abed noch mit einem schlechten Gewissen und verlangen die Angehörigen, allen voran die von Baran Kosari gespielte Tochter eines der Opfer, nach Antworten, gehören Fragen der Moral und des Anstands nicht in die Welt eines Motevalli. Von Mani Haghighi mit einer subtilen Bösartigkeit und Hinterlist gespielt wird er zu einem Repräsentanten für eine Struktur, in der Menschen und deren Schicksale kaufbar sind und in der man sich diese zwecks wirtschaftlicher Abhängigkeit gefügig macht. Moral gehört denen, die sich nichts anderes leisten können, während andere schon über ihr nächstes Geschäft nachdenken.
Eigentlich mangelt es The Slaughterhouse der Struktur des klassischen Thrillers, da bereits wenig Zweifel daran bestehen, wer hinter der Tat steht. Das Drehbuch Aminis, welches er zusammen mit Koautor Hossein Farokzadeh schrieb, konzentriert sich vielmehr auf das System, welches den Tätern erlaubt, einfach weiterzumachen und wie Menschen durch Geld verführt und abhängig gemacht werden können. „Wir leben wie die Tiere“, beklagt sich Abed an einer Stelle, im Kontext einer erhitzen Streits mit Amir während eines Familienessens; eine Aussage, die den Nagel auf den Kopf trifft und auf die Ersetzbarkeit von Menschen wie ihm verweist, die für die Reichen nicht viel mehr zu sein scheinen als jene Rinder- und Schweinehälften, die im Schlachthaus hängen.
OT: „Koshtargah“
Land: Iran
Jahr: 2020
Regie: Abbas Amini
Drehbuch: Abbas Amini, Hossein Farokhzadeh
Musik: Mehran Ghaedipour
Kamera: Ehsan Rafiee Jam
Besetzung: Amirhossein Fathi, Mani Haghighi, Baran Kosari, Hassan Pourshirazi
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