Als das Paar beim Ausmisten des geerbten Hauses auf einen Haufen alter Comics stößt, wähnt es sich noch im Glück. Schließlich lässt sich damit bestimmt jede Menge Kohle machen. Tatsächlich ist der Andrang gigantisch, von überall her kommen Leute, um in Besitz des legendären „Utopia“ zu kommen. Darunter befinden sich auch Becky Todd (Ashleigh LaThrop), Ian Ackerman (Dan Byrd), Wilson Wilson (Desmin Borges), Samantha (Jessica Rothe) und Grant Bishop (Javon Walton), die schon seit vielen Jahren hinter ihm her sind, weil sie überzeugt sind, dass er der Schlüssel ist, um die Apokalypse zu verhindern. Und sie sind nicht die einzigen, denn auch der Killer Arby (Christopher Denham) soll im Auftrag von Kevin Christie (John Cusack) an diesen Schatz kommen. Ganz zu schweigen von Jessica Hyde (Sasha Lane), die eine eigene Verbindung zu dem Comic hat …
Kunst soll ja oft die Realität abbilden oder diese beeinflussen. Manchmal wird sie von dieser aber auch einfach überholt. So geschehen bei Utopia. Nicht allein, dass hier ähnlich wie in Sløborn von einer grassierenden Pandemie die Rede ist und von dem verzweifelten Kampf, diese irgendwie aufzuhalten. Es geht auch um von langer Hand geplante Verschwörungen und geheime Zeichen, die sich in irgendwelchen Details finden lassen. Und um das schön abzurunden, bekommen wir es mit einem reichen Unternehmer zu tun, dem Menschen völlig egal sind, der für seine Zwecke Leben ohne Ende opfert. So viele derzeit aktuelle Themen zusammenzuwerfen, das ist irgendwie so passend, dass man fast selbst eine Verschwörungstheorie aufstellen möchte.
Wiederbegegnung mit einem Kult
Wobei die Idee dahinter natürlich nicht ganz neu ist. Vielmehr nahm man sich die gleichnamige britische Serie aus dem Jahr 2013 als Vorlage. Die wurde seinerzeit zu einer echten Kultsendung, weshalb die Entscheidung nicht sonderlich überraschte, auch eine US-Fassung aus dem Stoff machen zu wollen. Ob es das nun unbedingt gebraucht hätte, darüber kann man sich streiten. Aber es ist doch schön, wenn auf diese Weise die Geschichte noch ein größeres Publikum erreicht, zumal auf der Reise über den großen Teich natürlich das eine oder andere geändert wurde. Argumente, sich die Serie anschauen zu wollen, gibt es ohnehin eine ganze Reihe.
Da wäre zum einen das spielfreudige Ensemble. Die beiden Glanzpunkte sind dabei neben einem lustvoll-widerwärtigen Auftritt von John Cusack (Puls), der nach zahlreichen B-Movie-Pflichtarbeiten endlich mal wieder glänzen darf, die furios durch die Gegend wirbelnde Sasha Lane (American Honey). Ihre Jessica Hyde ist eine Naturgewalt, die über alles hinwegfegt, Freund oder Feind, und dabei so manchen mit in den Tod reißt. Überhaupt, der Body Count bei Utopia ist beachtlich, auch wenn ein frühes Massaker rein zahlenmäßig die Ausnahme bleibt. Bemerkenswert ist dabei, dass nur wenige Figuren vor dem allgegenwärtigen Tod sicher sind, im Laufe der acht Folgen müssen ziemlich viele ins Gras beißen. Und wer doch davonkommt, muss sich auf lebenslange Traumata gefasst machen, von diversen körperlichen Beeinträchtigungen ganz zu schweigen.
Der komische Gewaltexzess
Die zum Teil exzessive Brutalität steht dabei in einem starken Kontrast zu dem an und für sich humorvollen Ton der Serie. Gerade zu Beginn meint man eigentlich, es hier mit einer Komödie zu tun zu haben, wenn eine Gruppe weltfremder Nerds die Apokalypse aufhalten wollen – mit einem Comic. Das bedeutet auch eine schön verspielte Optik, wenn das Geschehen und die teils grotesk gezeichnete Vorlage sich überlappen. Die zahlreichen Querverbindungen sind verblüffend, durch die diversen Wendungen kann einem unterwegs sogar richtig schwindlig werden, wenn dann irgendwann nichts mehr wirklich Sinn ergibt. Auf den letzten Metern bekommt das Ganze dann zwar doch noch Kontur, Fragen bleiben dennoch.
Wie viel man Utopia abgewinnt hängt dann nicht zuletzt davon ab, wie sehr man sich auf diese etwas eigenartige Mischung einlassen kann, die zwischen ernstem Thriller und Parodie hin und her hupft, teilweise Klischees unhinterfragt wiederholt, nur um dann mit allem brechen zu wollen. Ein bisschen kommen der Serie inmitten des Wahnsinns die Figuren abhanden. Zumindest auf der Heldenseite wären ein paar Infos mehr nicht schlecht gewesen, um ein Gespür für diese Leute zu entwickeln. Wobei das mit den Helden so eine Sache ist: Gut und böse sind nicht immer so leicht zu unterscheiden, wenn beim Kampf für das noble Ziel über Leichen gegangen wird, die Gegenseite schwere Traumata mit sich herumschleppt und man eigentlich gar nicht so genau sagen kann, was noch Utopie, was Dystopie ist.
OT: „Utopia“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Toby Haynes, Susanna Fogel, Courtney Hunt, J. D. Dillard
Drehbuch: Gillian Flynn
Idee: Gillian Flynn
Musik: Jeff Russo
Kamera: Shawn Kim, Stephen Pehrsson
Besetzung: John Cusack, Ashleigh LaThrop, Dan Byrd, Desmin Borges, Jessica Rothe, Christopher Denham, Javon Walton, Farrah Mackenzie, Cory Michael Smith, Jeanine Serralles, Rainn Wilson, Sasha Lane
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