Wer es bei „Music Race“ zu etwas bringen will, der muss nicht nur viel Talent haben, sondern auch ein dickes Fell: Die Jury, bestehend aus dem Sänger Olo (Maciej Zakoscielny), der Social-Media-Königin Ewa (Julia Kaminska) und der Jazz-Granden Urszula Dudziak (Urszula Dudziak), nimmt kein Blatt vor den Mund. Wer bei ihnen durchfällt, kann sich schon einmal diverse Gemeinheiten anhören und bekommt zudem eine kalte Dusche. Wortwörtlich. Ostra (Katarzyna Sawczuk) scheut das aber nicht, denn sie kann selbst richtig gut austeilen. Damit wird sie schnell zur Sensation, das Publikum liebt sie. Olo hingegen würde sie am liebsten sofort wieder loswerden, aus gutem Grund: Er ist ihr Vater und hat sie sowie ihre Mutter Malgosia (Anita Sokolowska) damals im Stich gelassen, was die zwei ihm nie verziehen haben …
Der Traum vom schnellen Star-Glück
So ein Leben im Rampenlicht, das klingt immer so toll und aufregend, ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist. Dass das in Wahrheit alles sehr viel weniger wünschenswert ist, das ist zwar nicht wirklich ein Geheimnis. Schließlich kommen oft genug absolute Horrorgeschichten ans Tageslicht, Filme wie A Star Is Born oder Judy zeigten auf, welche Opfer ein derart öffentliches Leben von einem erfordern. Der Reiz und die Versprechungen haben aber dadurch nicht wirklich abgenommen, gerade in den jüngeren Generationen ist der Wunsch ungebrochen, es auf diese Weise zu schaffen.
Glitzernde Oberfläche
Warum das so ist, ob vielleicht auch die falsche Glitzerwelt der sozialen Medien in der Hinsicht entsprechende Wegbereiter sind, das wäre ein interessantes Themengebiet für tiefere Untersuchungen. Der Netflix-Titel Fierce, so viel wird schnell klar, ist dafür aber der falsche Film. Zwar ist das polnische Drama darum bemüht, das von Blitzgewittern überstrahlte Geschehen ein bisschen genauer anzuschauen, Abgründe und Gefahren aufzuzeigen. Tatsächlich in die Tiefe geht das aber nicht. Vielmehr ist das Werk um eine aufstrebende Sängerin, die in einer brutalen Castingshow mitmacht ebenso oberflächlich wie die Welt, die damit an den Pranger gestellt werden soll.
Das hängt auch damit zusammen, dass der Film sich nicht so recht entscheiden kann, ob er das Showgeschäft überhaupt zum Thema machen will oder sich stattdessen lieber auf das Familiendrama stürzt. Ein Mann, der seine Frau und das Kind verlassen hat, das ist natürlich auch ein dicker Brocken, den es aufzuarbeiten gibt. Nur macht Fierce das irgendwie ebenfalls nicht. Die Konstellation, dass ein entfremdeter Vater, der selbst desillusioniert von der Musikbranche ist, vor der Wahl steht, seine Tochter einzulassen oder wegzustoßen, die ist zweifelsfrei interessant. Allerdings bleibt es eben auch bei dieser Frontalbegegnung im TV-Studio, ohne dass es irgendwann einmal zu einer Annäherung kommen würde. Die Entwicklung der beiden findet nur in der Vorstellung von Regisseurin Anna Wieczur-Bluszcz statt.
Musik und Figuren von der Stange
Stattdessen gibt es Klischee um Klischee um Klischee. Dass Ostras Gegenspielerin Ewa nur eine Karikatur des selbstverliebten, zutiefst unsicheren Mannequin-Stars ist, von denen man gar nicht weiß, was sie überhaupt darstellen, ließe sich noch verschmerzen. Aber auch bei den Hauptfiguren hat das immerhin drei Leute umfassende Drehbuchteam jegliche Arbeit verweigert. Es ist noch nicht einmal so, dass man diese Oberflächlichkeit auf der Ensembleseite ausgeglichen hätte. Wenn jemand charismatisch ist, sieht man über mangelnde Konturen schon mal hinweg. Nicht bei Fierce, das bei dem der größte Wettbewerb nicht der zwischen Sangestalenten ist, sondern darin besteht, wer die langweiligsten und nervigsten Figuren im Glitzerland sind.
Wenn denn wenigstens die Musiknummern in irgendeiner Form spannend wären, um so die sonstige inhaltliche Tristesse überdecken zu können. Aber auch da ist Fierce sehr ernüchternd. Geboten wird Pop-Konfektionsware, die weder gesangstechnisch, noch kompositorisch in irgendeiner Form tatsächlich mitreißend wäre. Das ist alles so nichtssagend, als hätte ein Zufallsgenerator die Stücke geschrieben und mit einer künstlichen Stimme gleich vorgetragen. Da auch die Geschichte sämtliche obligatorischen Stationen abklappert und sich zu keiner Zeit traut, auch mal etwas Eigenes zu machen, bleiben nicht mehr allzu viele Gründe, warum man sich das überhaupt ansehen sollte. Ein paar von Ostras Antworten der Jury gegenüber sind gemein, was auch den Titel inspiriert und einen minimalen Unterhaltungswert hat. Ansonsten aber ist das Drama in erster Linie ein Grund, sich komplett vom Showgeschäft fernhalten zu wollen – sowohl als Teilnehmender wie auch als Publikum.
OT: „Jak zostac gwiazda“
Land: Polen
Jahr: 2020
Regie: Anna Wieczur-Bluszcz
Drehbuch: Piotr Jasek, Julia Kaminska, Wojciech Nerkowski
Musik: Sarsa Markiewicz
Kamera: Witold Plóciennik
Besetzung: Katarzyna Sawczuk, Maciej Zakoscielny, Anita Sokolowska, Julia Kaminska, Urszula Dudziak, Tomasz Karolak
https://www.youtube.com/watch?v=_I0qN9UGrRQ
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