In der Zukunft haben Hungersnöte die Weltbevölkerung und die meisten Regierungen in die Verzweiflung getrieben. Während in den Straßen der Aufstand geprobt wird, ist die Macht im Staat schon längst an Konzerne oder wissenschaftliche Institutionen übergeben worden, welche eine Lösung für den Hunger in der Welt finden sollen. Professor Erol Erin (Jean-Marc Barr) war einst federführend in der Forschung nach genmanipuliertem Weizen, der ein wichtiger Schritt zur Lösung des Problems sein sollte, doch bislang erwiesen sich seine Forschungen und Experimente als unbrauchbar. Da die Lage in den einzelnen Ländern immer schlimmer wird, drängen Erins Vorgesetzte auf Ergebnisse und schließlich meint der Wissenschaftler in der Theorie eines Kollegen einen Lösungsansatz gefunden zu haben. Doch die These Cemil Akmans (Ermin Bravo), der seit langem als verschollen gilt, ist nicht unumstritten, basiert sie doch weniger auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und mehr auf Metaphysik und Ethik. Zwar sind seine Vorgesetzten nach wie vor skeptisch, doch Erin begibt sich auf die gefährliche Reise in die „Tote Zone“, ein Gebiet, welches von den wenigen Städten abgetrennt wurde, in dem Seuchen und Tod regieren. Nach langem Suchen trifft er auf Akman, der in der Einöde behauptet, eine Lösung des Problems gefunden zu haben, die mit einer neuen Samenart und dem Boden zu tun hat.
Ein ständiger Traum
Auch wenn das Szenario sehr an einen Science-Fiction-Film erinnert, war die Inspiration für den Film des türkischen Regisseurs Semih Kaplanoğlu eine Sure im Koran, in welcher es um die Begegnung Moses mit einer nur „die Person“ genannten Figur geht. Wie Kaplanoğlu in Interviews zu Grain – Weizen erläutert, geht es um den Unterschied zwischen erfahrbaren, empirischem sowie spirituellem Wissen. Interessant ist dabei, die Vereinbarkeit der beiden Konzepte, gerade vor dem Hintergrund unserer heutigen Welt, in welcher alles erklärbar zu sein scheint. Mit Grain – Weizen drehte Kaplanoğlu ein für seine Filmografie ungewöhnliches Werk, welcher sich aktuellen Fragen zur Nahrungsmittelversorgung, aber auch zur Rolle des Menschen auf der Erde thematisiert.
Im selben Interview, in dem Kaplanoğlu die Inspiration für seinen Film erklärt, beschreibt er auch, wie sowohl Zuschauer als auch Kritiker auf der Suche nach einer Kennzeichnung für eine Geschichte wie die, welche Grain – Weizen erzählt, nach Kategorien wie Science-Fiction greifen. Der Filmemacher scheint sich bewusst zu sein, dass die tatsächliche Wissenschaft in seinem Film eher gering ist und es in der Geschichte eher um eine spirituelle Reise oder Erfahrung des Protagonisten handelt. Dies lässt sich, auch auf ästhetischer Ebene, eher mit den Filmen eines Andrei Tarkowski vergleichen, insbesondere Stalker oder Opfer, in denen es auch um den Abschied von der empirisch-fassbaren Welt hin zu einer anderen, nicht erklärbaren Welt geht, die in Grain – Weizen eben jene „tote Zone“ ist, die, ähnlich wie Zone in Stalker, ganz eigenen Gesetzen gehorcht, doch gleichzeitig einen Blick erlaubt, auf eine karges, unwirtliches Universum, in dem der Mensch bestenfalls noch eine Erinnerung darstellt und in welchem sich Traum und Wirklichkeit an jeder Stelle begegnen.
Neues Leben
Kaplanoğlu beschreibt eine Reise in ein neues Leben, gepaart mit einem neuen Bewusstsein. Versteht sich sein Film als ein Trip zur Wissensbereicherung und Offenlegung der Leerstellen im Wissen Erins gelingen durchaus interessante Dialoge, vor allem vor dem Hintergrund der eindrucksvoll-beängstigenden Bilder Giles Nuttgens’, doch überfrachtet Kaplanoğlu seine Geschichte mit Bezügen zu aktuellen Themen wie der Flüchtlingskrise, dem Klimawandel und der Überbevölkerung, was in Kombination mit der teils überbordenden Spiritualität des Filmes nicht ganz aufgeht. Auch intellektuell will diese Rechnung nicht immer aufgehen, wenn beispielsweise die Diskussion um die Lösung des Hungers mit Sätzen abgeschlossen wird wie, wenn wir an der Natur herumpfuschen, wir letztlich uns selbst korrumpieren.
OT: „Bugday“
Land: Türkei, Deutschland, Katar, Frankreich, Schweden
Jahr: 2017
Regie: Semih Kaplanoğlu
Drehbuch: Semih Kaplanoğlu, Leyla Ipekçi
Musik: Mustafa Biber
Kamera: Giles Nuttgens
Besetzung: Jean-Marc Barr, Ermin Bravo, Grigoriy Dobrygin, Cristina Flutur
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)