Bei Familie Archer geht es gerade hoch her. Tochter Lauren (Lily Collins), die als Anwältin arbeitet, sitzt an einem besonders schwierigen Fall. Ihr jüngerer Bruder William (Chace Crawford) kämpft als Politiker um seine Wiederwahl. Da trifft die beiden ein Schicksalsschlag, als sie von dem Tod ihres Vaters erfahren. Während bei der Testamentsvollstreckung das Erbe zwischen ihnen und ihrer Mutter Catherine (Connie Nielsen) aufgeteilt wird, erhält Lauren einen Umschlag, den der Verstorbene nur für sie hinterlassen hat. Darin befindet sich neben einer Videobotschaft noch ein mysteriöser Schlüssel, der einen versteckten Bunker auf dem Anwesen öffnet und in dem zu ihrem Entsetzen ein Fremder (Simon Pegg) angekettet ist, den ihr Vater wohl jahrelang eingesperrt hat …
Gefangen zwischen gut und böse
Mit Familie Archer legt man sich besser nicht an, das wird gleich in den ersten Minuten von Inheritance – Ein dunkles Vermächtnis klar gemacht. Da sieht man die zwei Geschwister bei öffentlichen Auftritten, beide schick zurechtgemacht in ihrer strengen Makellosigkeit, wie sie Stärke demonstrieren, während zeitgleich in einer Parallelmontage der Vater zusammenbricht. Es ist ein geschickter Einstieg, der mit seinem Kontrast neugierig macht und die Frage offen lässt: Sehen wir hier gerade die Guten oder die Schlechten? Der Film lässt das offen, wird auch später immer mal wieder in einer Grauzone agieren, die vor allem für Lauren zu einer Herausforderung wird, wenn sie sich unangenehme Fragen stellen muss.
Zunächst gibt es aber natürlich erst einmal ein paar andere, dringendere Fragen, die beantwortet werden müssen. Warum hockt da ein angeketteter Mann in Daddys Bunker, von dem niemand etwas weiß? Und wer ist dieser Fremde überhaupt? Bei der Antwort heißt es jedoch erst einmal Geduld beweisen müssen, sowohl für Lauren wie auch das Publikum. Das ist einerseits logisch: Wenn der Film sofort mit Antworten rausrücken würde, hätte er ja keine Geschichte mehr zu erzählen. Aber es ist das erste einer Reihe von Problemen, die Inheritance plagen. Das Frage-Antwort-Spiel wird so umständlich und unnatürlich in die Länge gezogen, bis man irgendwann schon gar kein Interesse mehr hat, was da am Ende rauskommt.
Der begrabene Sinn
Ein zweites immenses Problem des Mystery-Thrillers: Er ergibt keinen Sinn. Sicher, man darf im Genreumfeld manchmal ein Auge zudrücken, muss es vielleicht auch, kleinere Logiklöcher finden sich überall, wenn man nur genauer sucht. Bei Inheritance sind diese Logiklöcher aber so zahlreich und omnipräsent, dass man eher nach der Substanz sucht, nach einem festen Boden, auf dem sich Geschichte noch bewegt. Von Anfang an verhalten sich die Figuren eigenartig, ohne dass sie es sollten. Je mehr Antworten der Fremde gibt, umso haarsträubender wird das Ganze. Und wenn gegen Ende Drehbuchautor Matthew Kennedy noch ein paar Wendungen einzubauen versucht, kracht das Konstrukt dann vollends in sich zusammen, es dominieren nicht mehr Fragen zu Inhalt oder Identität, sondern die, ob das hier in Wahrheit vielleicht eine Parodie sein sollte.
Dabei sollte es eigentlich nicht so schwierig sein, aus dem Szenario etwas Spannendes zu machen, es gab ja genügend Filme und Serien um eingesperrte Personen, aus denen Antworten herausgequetscht werden sollten, zuletzt etwa die soliden Produktionen Trauma – Der Fall Adam Belmont und The Secrets We Keep – Schatten der Vergangenheit. Während dort aber ein echtes Katz-und-Maus-Spiel entstand, bei dem man sich fragen durfte, ob die Figur in Ketten wirklich die Wahrheit sagt, da wusste man bei Inheritance mit der Situation nichts anzufangen. Anstatt die Geschichte voranzutreiben oder auch das Verhältnis zwischen den zwei Figuren, springt der Film thematisch wie zeitlich wild durch die Gegend und verliert unterwegs komplett den Faden. Die Wiederwahl und der Prozess, beides zu Beginn als wichtiges inhaltliches Element etabliert, spielen beispielsweise überhaupt keine Rolle.
Wenn der Film zumindest vereinzelt mal unterhält, dann ist das in erster Linie ein Verdienst von Simon Pegg, der ganz offensichtlich Freude daran hatte, als verwahrloster Gefangener seinen überzogen-irren Neigungen freien Lauf lassen zu können. Lily Collins (Emily in Paris) hingegen ist völlig damit überfordert, ihre Figur schlüssig darzustellen – was zugegeben auch an dem Drehbuch liegt, das sie gleichzeitig als großäugiges Reh und taffe Powerfrau zeigen will, was eben nicht so ganz passt. Das gilt dann insgesamt auch für einen Thriller, der clever und spannend sein will, beides aber nicht ist und mit der fahrlässigen Vergeudung von Potenzial frustriert.
OT: „Inheritance“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Vaughn Stein
Drehbuch: Matthew Kennedy
Musik: Marlon Espino
Kamera: Michael Merriman
Besetzung: Lily Collins, Simon Pegg, Connie Nielsen, Chace Crawford, Michael Beach
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