Oktober in Rimini La prima notte di quiete
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Oktober in Rimini

Kritik

Oktober in Rimini La prima notte di quiete
„Oktober in Rimini“ // Deutschland-Start: 24. August 1973 (Kino)

Nein, eine große Berufung ist es nicht für Daniele Dominici (Alain Delon), als er seine Stelle als Aushilfslehrer für Italienisch in einem Gymnasium in Rimini antritt. Zwar liebt er die Literatur, Unterrichten ist jedoch weniger seins, von Regeln hält er sowieso nichts, weshalb er zum Ärger der konservativen Leitung die Schüler und Schülerinnen in der Klasse rauchen lässt. Dabei hat es ihm vor allem eine Schülerin angetan, Vanina Abati (Sonia Petrovna), eine junge schöne Frau mit einem melancholischen Blick. Tatsächlich kommen sich die beiden mit der Zeit näher, obwohl sie beide eigentlich anderweitig vergeben sind. Daniele ist mit der zu Depressionen neigenden Monica (Lea Massari) verheiratet, Vanina mit dem reichen Geschäftsmann Gerardo Favani (Adalberto Maria Merli) zusammen. Doch glücklich ist keiner der vier …

Ein Traumort mal anders
Bei Rimini denkt man eigentlich an strahlend blaue Himmel und ein klares Meer, man denkt an schöne Strände, die bis zum letzten Zentimeter mit Touristen überfüllt sind, an Spaß und Erholung. In Oktober in Rimini findet sich jedoch nichts davon. Das ist zum Teil natürlich durch die Jahreszeit bedingt, wenn wir hier im Herbst vorbeischauen, Wolken und Regen auch die letzten Urlauber bereits vertrieben haben. Vor allem aber ist das französisch-italienische Drama eines, welches Melancholie nicht einfach nur beim Vorbeifahren entdeckt. Der Film stürzt sich kopfüber hinein, suhlt sich in dem Gefühl, dass die ganze Welt schwer und trist und irgendwie sinnlos ist. Wenn hier doch mal versehentlich jemand gezeigt wird, der Spaß zu haben scheint, sich über etwas freut oder lacht, dann spielt die Figur keine Rolle.

Im Mittelpunkt dieser Tristesse steht der Aushilfslehrer Daniele, verkörpert von der französischen Leinwandlegende Alain Delon. Der war in den 1970ern mit Vorliebe in Filmen aus dem Genreumfeld dabei, düstere Werke irgendwo zwischen Krimi, Drama und Thriller wie etwa Der Chef oder Der Zigeuner. Ganz frei von Verbrechen ist die Geschichte von Oktober in Rimini zwar nicht, illegale Kartenspiele gehören zum Freizeitvertreib des Protagonisten, auch im Gefängnis hat er schon einmal gesessen. Diese dienen jedoch mehr als Hintergrund eines Films, der sich vor allem um die Psychologie der Figuren kümmert, um deren Träume und Sehnsüchte – oder auch deren Mangel.

Gefangen zwischen Unglück und Leere
Tatsächlich entspricht Daniele so gar nicht dem romantischen Bild des Poeten, auch wenn Gedichte lehrt. Vielmehr ist sein Leben von Leere geprägt, von einer Sinnlosigkeit, die sich wie ein Schatten über alles gelegt hat. Bei den anderen sieht es nicht besser aus. Vanina ist eben nicht der Funke, der die Freude am Leben entfacht. Ihr ist Freude selbst fremd, ist ihr in den vielen Jahren der Beziehung zu Gerardo abhandengekommen. Sie hat sie verkauft, sich selbst verkauft, viele Male und in den unterschiedlichsten Fassungen. Monica wiederum droht damit, sich das Leben gleich ganz zu nehmen, sollte Daniele sie verlassen. Nicht weil sie mit ihm so glücklich ist. Aber es ist dieses Unglück, welches zwischen ihr und dem Nichts steht, das sie zu verschlingen droht.

Regisseur und Co-Autor Valerio Zurlini legt dann auch viel Wert auf diese Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit, aus der es in Rimini kein Entkommen zu geben scheint. Die Figuren treffen sich an oft schäbigen Orten, düster und voller Schatten, schauen sich gegenseitig mit großen Augen an und träumen davon, woanders oder auch nur anders zu sein, ohne das so genau zu wissen. Wenn dann doch einmal irgendwie Farbe ins Spiel kommt, etwa beim Besuch von Gerardos Wohnung, ist es nur folgerichtig, wenn dieser damit gar nicht so viel anzufangen weiß, er sowohl über diese Fremdheit wie auch die Hintergrundgeschichte der Einrichtung scherzt. Es ist eine der wenigen Szenen, in der überhaupt gescherzt wird, nicht einmal Galgenhumor findet sich in den Gesprächen, die sich um Liebe und Tod drehen.

Vieles an Oktober in Rimini ist kunstvoll gestaltet, eine wehmütige Auseinandersetzung mit den Abgründen und der Bedeutungslosigkeit, gegen die sich die Figuren auflehnen. Allerdings muss man dabei auch mit den Elementen leben können, die weniger gut gealtert sind, darunter die aufdringliche, teils unpassende Musik und kuriose Actionmomente, die man eher in einem Film mit Terrence Hill und Bud Spencer vermuten würde. Der Film ist dann eben doch ein Melodram der alten Schule, bei dem einiges schon mal etwas übertrieben sein durfte. Aber es ist eben auch ein faszinierender Film, der einen langsam hineinzieht und sehenden Auges ertrinken lässt.

Credits

OT: „La prima notte di quiete“
Land: Frankreich, Italien
Jahr: 1972
Regie: Valerio Zurlini
Drehbuch: Valerio Zurlini, Enrico Medioli
Musik: Mario Nascimbene
Kamera: Dario Di Palma
Besetzung: Alain Delon, Lea Massari, Sonia Petrovna, Giancarlo Gianini, Renato Salvatori, Alida Valli, Adalberto Maria Merli

Bilder

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In „Oktober in Rimini“ verliebt sich ein Lehrer in seine Schülerin. Das klingt nach einem Skandalfilm, ist aber vielmehr ein Melodram voller unglücklicher Leute, die in ihrer sinnlosen Existenz gefangen sind. Das ist kunstvoll umgesetzt und faszinierend, sofern man sich darauf einlassen kann, dass hier einiges doch recht übertrieben ist.
7
von 10