1953 regiert Josef Wissarionowitsch Stalin mit eiserner Hand über das riesige sowjetische Reich, keiner kann dem Diktator, der ohne jegliche Skrupel Abertausende in den Tod schickte, irgendwie gefährlich werden. Keiner außer ihm selbst. Als er eines Tages einen Schlaganfall erleidet und kaum ansprechbar an sein Bett gefesselt ist, beginnt hinter den Kulissen ein erbitterter Machtkampf. Schließlich muss irgendeiner den Vater der Nation ja beerben. Während die Führung des kommunistischen Sozialkomitees hinter den Kulissen die Fäden zieht und untereinander diverse Intrigen gesponnen werden, müssen sich andere um die medienwirksame Inszenierung des Begräbnisses kümmern – und die beiden Kinder, die Stalin hinterlassen hat …
Der Spaß am Leid
Eigentlich sind Diktatoren nicht unbedingt ein Anlass für Spaß. Den verbitten sie sich selbst, wollen sie doch meist als starke Alphatiere wahrgenommen werden. Alles, was sie auch nur irgendwie in Frage stellt oder in ungünstigem Licht erscheinen lässt, wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft. Da spielt es dann auch keine Rolle, ob es sich um echte Diktatoren handelt oder eingebildete, um Einzelpersonen oder Staatsparteien, um Figuren aus dem Westen oder Osten. Aber auch die Frage muss gestattet sein: Ist es überhaupt angemessen, sich mit Humor Menschen zu nähern, die so viel Leid für die Welt gebracht haben?
Für Autor Fabien Nury und Illustrator Thierry Robin lautete die Antwort eindeutig ja, als sie sich an die Arbeit an The Death of Stalin machten. Wobei die Graphic Novel, die in zwei Teilen 2010 und 2012 veröffentlicht wurde, sich nur indirekt an Stalin abarbeitet. Denn der ist, wie der Titel bereits verrät, tot. Oder fast tot, wenn in einer Mischung aus kaltem Kalkül und herrlicher Inkompetenz der innere Kreis um den Führer steht und tatsächliche Hilfsmaßnahmen verhindert. Um diesen inneren Kreis geht es dann eigentlich auch in dem Comic, genauer wie dieser auf den Schlaganfall reagiert und wie in den folgenden Tagen darum geschachert wird, wer welchen Posten erhält.
Das ist kein besonders schmeichelhaftes Porträt. Vielmehr findet Nury über kaum jemandem etwas Nettes, das er sagen könnte. Vor allem Lavrentiy Beria steht dabei im Mittelpunkt, ein beeindruckend verschlagener Manipulator, der in der Situation seine große Chance wittert. Andere zeigen sich weniger machtbesessen – oder zumindest weniger gewitzt. Sympathieträger gibt es in The Death of Stalin dennoch wenige, und wenn sind sie auf Nebenfiguren beschränkt. Stattdessen ist der Comic eine satirische und böse Abrechnung mit einem totalitären Staat und den Menschen, die sich darin hochgearbeitet haben. Loyalität oder echte Überzeugungen sind darin ein seltenes Gut, es herrschen die Opportunisten.
Mal komisch, mal bitter
Das ist durchaus komisch, wenn auch weniger als die einige Jahre später veröffentlichte Verfilmung, welche die Geschichte noch um viel Situationskomik erweitert hat. Es macht schon Spaß mitanzusehen, wie sich da eine Gruppe mehr oder weniger abscheulicher Menschen gegenseitig in den Rücken fällt, Allianzen schließt und nach dem eigenen Vorteil sucht. Gleichzeitig ist es natürlich bitter: Nury und Robin machen sich zwar über die Protagonisten lustig, das kann schon mal lächerlich werden. Sie verschweigen dabei jedoch die Grausamkeiten nicht, welche in der Sowjetunion der 1950er an der Tagesordnung stehen: willkürliche Exekutionen, Denunziation, Vergewaltigung bis zu Zwangsarbeit und Massenmorden.
Die Bilder des Comics werden dabei jedoch selten explizit. Allgemein ist Robin eher zurückhaltend bei der Darstellung, verwendet viele gedeckte Farben, spielt dafür umso mehr mit Schatten, welche den Figuren etwas Bedrohliches verleihen. Auch wenn die Zeichnungen weitestgehend realistisch gehalten werden, kommt so doch immer etwas leicht Unwirkliches hinzu – gerade auch bei Beria, dessen Gesicht oft hinter seiner reflektierenden Brille verschwindet, die gleichzeitig Durchblick und Wand ist. So wie vieles in der Geschichte hinter dem Offensichtlichen verschwindet und dort munter vor sich hin meuchelt.
OT: „La Mort de Staline“
Land: Frankreich
Jahr: 2010/2012
Text: Fabien Nury
Zeichnungen: Thierry Robin
Verlag: Splitter
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