Eigentlich stand der Besuch eines Camps auf Hawaii an, als eine Gruppe Jugendlicher an Bord eines Flugzeugs geht. Doch dazu kommt es nie: Unterwegs gerät das kleine Flugzeug in starke Turbulenzen. Als die Teenagerinnen wieder zu sich kommen, befinden sie sich auf einer Insel. Der Freude, den Absturz überlebt zu haben, folgt bald jedoch Ernüchterung. Von ihrem Gepäck ist kaum etwas übrig, sie haben keine Möglichkeit, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten und nicht die geringste Ahnung, wie sie sich allein durch die Wildnis schlagen sollen. Also bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich zusammenzutun und gemeinsam nach einem Ausweg zu suchen, was nicht ganz einfach ist, da sie doch sehr unterschiedlich sind. Zumal mal Zweifel an dem Ablauf der Geschichte kommen – aus gutem Grund …
Reif für die Insel
300 Jahre ist es inzwischen schon her, dass Daniel Defoe mit seinem Roman Robinson Crusoe Literaturgeschichte geschrieben hat. Und auch wenn in einer globalisierten Welt das Szenario nicht mehr ganz so glaubwürdig verkauft werden kann: Das Motiv der einsamen Insel, auf der eine oder mehrere Personen gestrandet sind, erfreut sich noch immer bei Geschichtenerzählern einer größeren Beliebtheit. Ob nun der Film Cast Away – Verschollen oder die Serie Lost, der Überlebenskampf auf einer unberührten, idyllischen, zugleich menschenfeindlichen Insel, der funktioniert nach wie vor. Auf gewisse Weise funktioniert er vielleicht sogar besser in einer Gesellschaft, die keinen Bezug mehr zu der Natur hat und völlig verlernt hat, in dieser zu leben.
Die Amazon Prime Video Serie The Wilds ist nun das neueste Beispiel, wie mit diesem bewährten Szenario noch einmal Kasse gemacht werden soll. Als Alleinstellungsmerkmal sind es hier jedoch ausschließlich Teenagerinnen, die meisten einander unbekannt, welche das zweifelhafte Vergnügen haben, sich eine Insel teilen zu müssen. Dass das schwierig wird, das ist klar, wird vom Publikum nicht anders erwartet oder gewollt. Nicht allein, dass kaum eine der Gruppe auch nur irgendwie für diese Aufgabe gemacht ist. Es kommt zudem schnell zu persönlichen Problemen, wenn sich der wild zusammengewürfelte Haufen auf irgendetwas einigen muss. Manches geht auf die üblichen Mechanismen eines Überlebenskampfes zurück – im Zweifel ist sich dann doch jede selbst die nächste. Aber auch persönliche Abneigungen spielen eine Rolle, da nicht unbedingt alle dieselbe Weltsicht teilen.
Zwischen Anspruch und Klischee
Wer an der Stelle schon meint, alles zu wissen, was es über The Wilds zu wissen gilt, sieht sich bald jedoch eines Besseren belehrt. Zwar geizt die von Sarah Streicher entwickelte Serie nicht unbedingt mit Klischees, sowohl auf die Figuren wie auch die Konflikte bezogen. Vieles von dem, was man hier zu sehen bekommt, kann man sich schon nach wenigen Minuten zusammenreimen. Und doch gibt es zwei Punkte, welche den herkömmlichen Überlebenskampf in eine etwas andere Richtung verlagern. Zum einen wird schnell verraten, dass an der Geschichte mehr dran ist, dass weder die Zusammensetzung der Gruppe, noch der Unfall ein Zufall war. Während manche Fragen dadurch frühzeitig beantwortet werden, muss man sich bei anderen länger gedulden.
Der zweite Punkt ist, dass The Wilds sich eben nicht als klassisches Survival-Abenteuer versteht, sondern das Porträt von Jugendlichen sein soll, die alle auf die eine oder andere Weise unter der normativen Gesellschaft zu leiden haben. Da gibt es die Homosexuelle, die mit ihren Gefühlen nicht klar kommt, eine andere muss ihren Körper unterdrücken, um sportliche Erfolge zu feiern, eine dritte rebelliert gegen ihre muslimische Familie, in der Frauen nichts zu sagen haben. Allgemein geht es in der Serie im weiteren Verlauf oft um das Patriarchat und welche Opfer dieses von Frauen, gerade jungen Frauen einfordert. Das ist gut gemeint, als Konzept auch nicht so uninteressant. Bei der konkreten Umsetzung hapert es aber. Da wäre es dann doch irgendwie leichter zu verkaufen gewesen, wenn die Serie sich stärker auf lebensnahe Figuren konzentriert hätte. Diese hier sind es aber nicht, da wurde schon stark überzeichnet, bis zum Teil nur noch Karikaturen übrig bleiben.
Allgemein sollte man bei The Wilds sämtliche Ansprüche an Glaubwürdigkeit von vornherein in den Urlaub schicken. Während man sich bei den Konflikten und dem Verhalten auf der Insel zumindest noch vorstellen kann, dass so etwas passieren könnte, wurde beim Drumherum derart willkürlich irgendwas zusammengeschustert, dass man sich da schon mal veralbert vorkommen darf – umso mehr bei einer Serie, die ja durchaus den Anspruch hat, etwas über die Welt auszusagen. Und auch das mit der Spannung ist so eine Sache. Da die Erzählung ständig zwischen mehreren Zeitebenen hin und her springt – die Zeit vor der Insel, die Zeit auf der Insel, die Zeit nach der Insel –, wird einfach zu vieles vorweg genommen. Das Gefühl eines Überlebenskampfes entsteht ohnehin nicht. Lediglich ein paar der offenen Fragen, darunter die Identität eines Maulwurfs, halten die Neugierde aufrecht. Für die Idee als solche kann man sich das anschauen, zumindest ein paar der Figuren sind auch interessanter. Man hatte aber mit dem Ganzen mehr vorgehabt, als am Ende rausgesprungen ist.
OT: „The Wilds“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Susanna Fogel, John Polson, Cherie Nowlan, Haifaa Al Mansour, Alison Maclean, Ed Wild, Tara Nicole Weyr, Sydney Freeland
Drehbuch: Sarah Streicher, Daniel Paige, Tonya Kong, Shalisha Francis, Melissa Blake, Amy B. Harris, J. L. Tiggett
Idee: Sarah Streicher
Musik: Cliff Martinez
Kamera: Ed Wild, Rob Marsh, Peter Field
Besetzung: Rachel Griffiths, Sophia Ali, Shannon Berry, Sarah Pidgeon, Erana James, Jenna Clause, Helena Howard, Reign Edwards, Mia Healey
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)