Nach der Trennung von ihrem Mann verschlägt es die ehrgeizige Architektin Franziska Linkerhand (Simone Frost) in die Provinz, wo sie in einem Stadtarchitekturbüro ihre Ideen zum Städtebau in die Tat umsetzen will. Jedoch ist der Empfang alles andere als freundlich gesonnen, denn der Leiter des Büros Schafheutlin (Hermann Beyer) hat zwar nichts gegen etwas Hilfe, doch bremst den Elan der jungen Frau aus, belehrt sie, dass er und seine Mitarbeiter sich um Wohnungsbau kümmern, so wie es die Stadtleitung wünscht. Dennoch bleibt Linkerhand stur in ihrem Vorhaben und kann sogar einige der Mitarbeiter, die sich eigentlich mit der Routine der ewig gleichen Baupläne und Grundrisse abgefunden haben, für ihre Unternehmung zu begeistern. Schließlich unterstützt auch Schafheutlin den Plan einer Ausschreibung zu einem Wettbewerb zur Umgestaltung der Fußgängerzone und verspricht bei der Stadtleitung vorzusprechen. Abseits von ihrer Arbeit schafft es Franziska mit der Zeit Bekanntschaften im Ort aufzubauen, vor allem mit der Wirtin der Stadtschenke und einem Mann namens Trojanovicz (Gottfried Richter), der sich aufgrund seiner Bildung von den anderen Männern des Ortes zu unterscheiden scheint. Mit der Zeit öffnet sich Franziska ihm gegenüber, spricht von ihren Zukunftsplänen und verliebt sich in den Kipperfahrer, der, genau wie sie, einmal für Schafheutlin arbeitete und Wohnungen plante.
Leben und Wohnen
Lothar Warnekes Film basiert auf einem posthum erschienen Roman der Schriftstellerin Brigitte Reimann mit dem Titel Franziska Linkerhand, einer Geschichte über eine junge Architektin, deren Idealismus und wie dieser durch die Begegnung mit der Lebens- und Arbeitswirklichkeit der DDR kollidiert. Bei Veröffentlichung strich deshalb die Zensur einige allzu kritische Stelle, welche in der Gesamtausgabe, die 1998 erschien, erstmals vorhanden sind. Trotz dieser Vorgeschichte scheute sich Warneke nicht davor, jene im Werk innewohnende Kritik in seiner Verfilmung mit dem Titel Unser kurzes Leben aufzunehmen, was von der Filmkritik der DDR wie auch dem Kulturapparat ebenfalls als problematisch aufgefasst wurde. Unabhängig des zeitgeschichtlichen sowie ideologischen Hintergrundes erzählt der Film von den Ambitionen einer jungen Frau und vom Verwelken des Idealismus, welcher in der Wirklichkeit keinen Platz hat.
Bereits nach wenigen Minuten fällt der für die Handlung zentrale Satz des Professors, unter dem Franziska ihr Handwerk gelernt hat. Nur in der deutschen Sprache, so heißt es, gibt es die Trennung von „leben“ und „wohnen“, was in vielerlei Hinsicht auf den Kontrast zwischen Utopie und Realität hindeutet. Über die Prinzipien der Architektur hinaus sind die Ideen Franziskas als Verbindung dieser beiden Prinzipien zu sehen, als eine Suche nach dem idealen Ort zum Leben und Wohnen, zum gemeinsamen Leben, wie es in der blumigen Rhetorik mancher Politiker immer wieder, auch heute noch, eine Rolle spielt. Der Wohnungsbau berücksichtigt lediglich die Notwendigkeit Menschen unterzubringen, doch schafft keinen Lebensraum – eine schlaue und weitsichtige These, wie man sie beim Gang durch die kalten Wohnblöcke des sozialen Wohnungsbaus teils bis heute sehen kann.
In diesen wie auch vielen anderen Szenen und Bilder zeigt sich das explosive Potenzial der Geschichte, stellt sich doch die Frage, warum das Leben eigentlich eine solch geringe Rolle spielt. Das Ideal, die Utopie wird stets gebremst oder gleich ganz gestoppt und zermürbt langsam aber sicher den Menschen, was man beispielsweise an den Kollegen Franziskas sieht, die ihre eigenen Wege gefunden haben mit dem Ruf der Notwendigkeit umzugehen. Von Resignation, Zynismus und Eskapismus findet sich eine ganze Bandbreite von Reaktionen von Menschen, die Tag für Tag nur ihre Arbeit verrichten, stumpf und ohne zu überlegen, ähnlich den Arbeitern an einem Fließband.
Unsere kurze Zeit auf Erden
Die von Simone Frost sensibel und dynamisch gespielte Franziska hebt sich in vielerlei Hinsicht von ihrem Umfeld ab, angefangen bei ihrem dem Klischee von Weiblichkeit nicht entsprechenden Äußeren, bis hin zu ihres unbedingten Anspruch aufs Leben. Als Angehörige der Intelligenz des Systems erfährt sie, wie ihr Wissen, ihre Absichten und Pläne der politischen Realität untergeordnet werden und der in Beton gegossenen Tristesse der Wohnblöcke weichen müssen. Jedoch bleibt ihr keine Zeit für Resignation, vielmehr brennt ihr Licht weiterhin noch lichterloh. „Lieber dreißig wilde als siebzig brave, geruhsame Jahre“, sagt sie zu Trojanovicz bei einem ihrer Treffen und definiert damit ihr Lebensmotto.
Von diesem Anspruch auf Idealismus sowie der Utopie eines anderen Lebens ist auch die Ästhetik des Films bestimmt. Claus Neumanns Bilder beschreiben genau diesen Kontrast zwischen den intensiven Momenten, der Romantik und des prallen Lebens, gegenüber der teils niederschmetternden Monotonie der Wirklichkeit. Wie passend scheint es da, dass eben jenes Architekturbüro, in dem Franziska arbeitet, am Ende eines Friedhofs steht, doch sie selbst inmitten der Gräber noch so etwas wie Schönheit findet.
OT: „Unser kurzes Leben“
Land: DDR
Jahr: 1981
Regie: Lothar Warneke
Drehbuch: Lothar Warneke
Vorlage: Brigitte Reimann
Musik: Gerhard Rosenfeld
Kamera: Claus Neumann
Besetzung: Simone Frost, Hermann Beyer, Gottfried Richter, Dietrich Körner, Christian Steyer, Christine Schorn
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