Es war eine wirkliche schöne Geste, als Johanne (Ida Elise Broch) zu Weihnachten einen riesigen Strauß roter Rosen erhält. An dem hängt zwar keine persönliche Nachricht, welche den Absender verrät. Trotzdem ist sie sich sicher, dass es sich um Henrik (Oddgeir Thune) handeln muss, der als Arzt im selben Krankenhaus wie sie arbeiten. Es dauert auch nicht lange, bis die beiden im Anschluss zusammenkommen. Das ist einerseits schön und praktisch, die Beziehung funktioniert. Und doch sind da bald schon erste Zweifel, nachdem der Alltag eingezogen ist. Kann das wirklich schon alles gewesen sein?
Die vergebliche Suche nach Liebe
In der Flut an Weihnachtstiteln, die Netflix jedes Jahr auf das Publikum loslässt, war Weihnachten zu Hause 2019 eine der positiven Überraschungen. Der Titel selbst versprach jetzt nicht so wahnsinnig viel, auch das Szenario um eine Frau, die unbedingt noch einen Mann zu Weihnachten sucht, ließ nicht unbedingt inspiriertes Erzählen erwarten. Solche Geschichten laufen dann doch meistens nach demselben Prinzip ab, wenn sich am Ende Prinzessin und Prinz, die gleichzeitig einem Model-Katalog entnommen sein könnten, tränenreich und mit viel Kitsch um den Hals fallen. Nicht so bei der norwegischen Produktion, bei der die Leute noch richtig verkorkst sein durften. Die erste Staffel erzählte von der Suche nach Liebe, nicht vom Finden.
In der zweiten Staffel ist das prinzipiell genauso. Das in der letzten Folge der Vorgängerstaffel implizierte Happy End, welches gleichzeitig ein Cliffhanger war, stellte sich im Nachhinein als Täuschung heraus. Stattdessen gibt es sechs weitere Episoden, in denen Johanne durchs Leben stolpert, sich an Beziehungen versucht, mit Männern flirtet und irgendwie doch nicht vom Fleck kommt. Ein bisschen stellen sich daher in Weihnachten zu Hause erste Abnutzungserscheinungen ein. Während es beim Auftakt zumindest noch ein zeitliches Ziel gab, auf das alles hinauslief, fehlt hier der Zug, fehlt es an einem konkreten Zweck, weswegen das alles passiert.
Es fehlt aber auch an den tatsächlich spannenden Themen. Gab es beim letzten Mal noch Überlegungen zu Altersunterschieden in einer Beziehung oder wurden sich auflösende Paare seziert, da ist das beim zweiten Anlauf nicht sehr scharf umrandet. Liebe wurde hier als sehr viel größerer Rahmen genommen, wenn zum Beispiel Nachbar Nick (Edward Schultheiss) nach vielen Jahren des Single-Daseins wieder einen Anlauf wagt. Weihnachten spielt hingegen praktisch keine Rolle mehr. Zwar endet die Staffel erneut mit dem Weihnachtsfest, das hat jedoch weniger Symbolkraft als zuvor, ist nur noch ein Fest wie jedes andere.
Schwammiger, aber immer noch alltäglich
Was hingegen nach wie vor gut funktioniert: die Darstellung des Alltags. Auch wenn vieles hier schon etwas humorvoll übertrieben ist, so bleibt Weihnachten zu Hause doch nahe genug an der Erfahrungswelt ganz gewöhnlicher Menschen, was der Möglichkeit zur Identifikation doch sehr entgegenkommt. Ob es nun die Zweifel an der Beziehung ist, der Wunsch, sich selbst innerhalb einer solchen zu finden oder auch die Unsicherheit, wie man sich anderen gegenüber verhalten soll, das meiste ist hier schön und plausibel dargestellt. Man spürt auch die Trauer und die Enttäuschung, wenn eine Liebe scheitert und man gar nicht so genau sagen kann warum.
Das geht dann nicht mit Lebensweisheiten einher. Weihnachten zu Hause verweigert dem darbendem Publikum zudem erneut ein Happy End – da soll ja noch die Möglichkeit einer dritten Staffel bestehen. Das könnten manche zum Anlass nehmen, doch etwas frustriert auszusteigen, nachdem Staffel zwei irgendwie nur auf der Stelle trat. Aber selbst wenn die norwegische Serie etwas abgebaut hat im Vergleich zu vorher und ein bisschen das Argument für die Fortsetzung fehlt, so ist sie doch nach wie vor sympathisch und nach den vielen enttäuschenden Weihnachtstiteln dieses Jahr eine kleine Wohltat.
OT: „Hjem til jul“
IT: „Home for Christmas“
Land: Norwegen
Jahr: 2020
Regie: Per-Olav Sørensen
Drehbuch: Miriam Larsen, Mattis Herman Nyquist, Per-Olav Sørensen, Julie Skaufel
Musik: Backflip Lydkollektiv
Kamera: Hallgrim Haug
Besetzung: Ida Elise Broch, Dennis Storhøi, Felix Sandman, Hege Schøyen, Mads Sjøgård Pettersen, Oddgeir Thune, Hermann Sabado, Edward Schultheiss
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