Martin (Javier Gutiérrez) hat einen Job, um den ihn wohl nur die wenigsten beneiden dürften: Er ist Fahrer bei einem Gefangenentransport. Dieses Mal ist es besonders schlimm. Nicht nur, dass der Bus voller äußerst gewaltbereiter Leute ist, die nur darauf warten, ihre kleinen Zellen zu verlassen. Das Wetter spielt zudem nicht mit. Die Temperaturen sind eisig, die Sicht ist schlecht während der nächtlichen Fahrt. Das sind keine besonders tollen Voraussetzungen. Die eigentliche Katastrophe beginnt aber erst, als der Transport überfallen wird und mit aller Gewalt einer der Gefangenen befreit werden soll …
Gefangen zwischen Gefangenen
Dass so ein Gefangenentransport sehr gefährlich sein kann, das bewies vor mehr als 20 Jahren bereits Con Air. Damals spielte Nicolas Cage einen zu Unrecht verurteilten Army Ranger, der an Bord eines Flugzeugs mitten in eine Entführung platzt. Die Kritiken waren seinerzeit eher gemischt. Das Publikum fand aber Gefallen an dem Spektakel und machte den Actionfilm zu einem größeren Erfolg. Im Fall des spanischen Netflix-Films Bajocero (Unter Null) ist das eher nicht zu erwarten. Zwar weist das Szenario einige Ähnlichkeiten auf, wenn erneut ein Mann in einem außer Kontrolle geratenen Fahrzeug zwischen zahlreiche gefährliche Gefangene gerät. Bei der direkten Umsetzung gibt es aber schon deutliche Unterschiede.
Der offensichtlichste ist der Protagonist. Bei Bajocero (Unter Null) ist es eben keine Kampfmaschine, die es alleine mit allen aufnehmen kann und will. Stattdessen geht es hier „nur“ um einen Fahrer, der das Pech hat, zum falschen Zeitpunkt seinen Job auszuüben. Er versucht dann zwar im Anschluss, die Situation zu retten, stößt dabei aber schnell an seine Grenzen. Und auch bei der Gegenseite gibt man sich etwas geerdeter. Wer von dem spanischen Thriller eine ähnliche Over-the-Top-Action erwartet wie beim Hollywoodkollegen, wird daher enttäuscht sein. Ganz auf Actionszenen muss man zwar nicht verzichten. Sie sind aber nicht so zahlreich, wie man hätte vermuten können.
Fragen über Fragen
Stattdessen legt Regisseur Lluís Quílez (Out of the Dark), der zusammen mit Fernando Navarro (Geheime Anfänge) auch das Drehbuch geschrieben hat, größeren Wert auf den Belagerungszustand. Das Setting ist dabei geschickt gewählt. Martin und die anderen können nicht aus dem Bus, die Leute draußen können nicht herein. Eine solche Pattsituation wird schnell zu einem kleinen Nervenkrieg, umso mehr, wenn innerhalb des Busses die Gefahr nicht minder groß ist. Hinzu kommt die Frage: Was genau geschieht hier eigentlich? Gibt es einen Überfall oder ist es ein Unfall? Und wenn es ein Überfall ist, wer steckt dahinter? Der spanische Film lässt einen da ganz gut im Dunkeln tappen.
Allerdings nahm Quílez das ein bisschen zu wörtlich. Warum der Transport nun unbedingt nachts stattfinden muss, zumal bei diesen Wetterbedingungen erschließt sich nicht so ganz. Auf jeden Fall hat es zur Folge, dass man über längere Zeit nicht wirklich erkennt, was sich da draußen abspielt. So etwas kann in Maßen natürlich atmosphärisch sein und die Spannung erhöhen. Bei Bajocero (Unter Null) ist es manchmal aber schon frustrierend, wenn man sich quasi vom Geschehen ausgeschlossen fühlt. Da fehlt dann doch die Balance. Gleiches gilt für den Inhalt, bei dem man schon hin und wieder ein Auge zudrücken muss, nicht jede Entscheidung ist unbedingt plausibel.
Unterhaltsam und überraschend
Im Großen und Ganzen ist Bajocero (Unter Null) aber schon unterhaltsam. Die erste Hälfte gefällt durch einen größeren Mysteryanteil. Bei der zweiten werden, nachdem es lange eher gemächlich zuging, noch mal die Daumenschrauben angezogen. Interessant ist zudem, wie sich die Geschichte später entwickelt, entgegen der Erwartungen. Wie sich der Film auch von den Schwarzweißzeichnungen löst, sondern viel mit schäbigem Grau arbeitet. Javier Gutiérrez (El Autor) gibt dabei eine überzeugende Performance ab, sowohl in den ruhigeren wie auch den eskalierenden Momenten, bleibt die Konstante in einem Thriller, bei dem einiges durcheinandergewirbelt wird.
OT: „Bajocero“
Land: Spanien
Jahr: 2021
Regie: Lluís Quílez
Drehbuch: Lluís Quílez, Fernando Navarro
Musik: Zacarías M. de la Riva
Kamera: Isaac Vila
Besetzung: Javier Gutiérrez, Karra Elejalde, Luis Callejo, Andrés Gertrúdix, Isak Férriz, Édgar Vittorino
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