Mitten im Zweiten Weltkrieg kommt es zu einem Gefecht zwischen einem US-Schiff und einem deutschen U-Boot, in dessen Folge beide getroffen werden und sinken. Auf einem Rettungsboot finden sich einige der Überlebenden des US-Schiffes zusammen, unter ihnen die Autorin und Reporterin Constance Porter (Tallulah Bankhead), der Millionär Charles D. Rittenhouse (Henry Hull) sowie Teile der Besatzung wie der verwundete Gus Smith (William Bendix) oder John Kovac (John Hodiak), die im Maschinenraum des Schiffes arbeiteten, als das Unglück geschah. Als letzter Überlebender schafft es ein Besetzungsmitglied des U-Bootes an Bord, nämlich Willi (Walter Slezak), der von Beginn entweder von den anderen gemieden oder offen angefeindet wird. Jedoch haben die Schiffbrüchigen wenig Zeit für solche Dispute, geht es doch um ihr Überleben, das Sichten ihrer wenigen Vorräte, die Orientierung auf dem offenen Meer ohne Kompass und zuletzt um das Weiterkommen zu einer Insel oder ein alliiertes Schiff. Allerdings häufen sich mit der Zeit die Anspannungen in der Gruppe, nicht nur wegen des deutschen Soldaten unter ihnen, sondern auch wegen der Frage danach, wer ihr Kapitän werden solle und wie ihre Vorräte aufgeteilt werden.
Der Mikrokosmos des Krieges
Nach seiner eigenen Aussage wollte Alfred Hitchcock mit seiner Verfilmung einer Geschichte des US-Autors John Steinbeck beweisen, dass ein jeder psychologischer Film im Grunde vor allem aus einer Montage von Großaufnahmen bestehe. Zudem setzte er sich nach Saboteure und Der Auslandskorrespondent abermals filmisch mit dem Zweiten Weltkrieg auseinander, reduziert dabei den Handlungsraum auf eben jenes Rettungsboot, um eine Geschichte über Schuld, Verantwortung und Macht zu erzählen, die wahrscheinlich zu den besten Arbeiten des Regisseurs zählt.
Viele Kunstschaffende haben sich an Geschichten über den Zweiten Weltkrieg versucht, doch nur selten sind ihnen Werke gelungen, die sich über das rein Deskriptive hinauswagen. In diesem Sinne ist eine Geschichte, wie sie Hitchcock in Das Rettungsboot erzählt, eine Ausnahme, findet sich doch in diesem minimalistischen Setting der „Mikrokosmos des Krieges“ wieder, wie ihn der Regisseur in den Gesprächen mit François Truffaut nannte. Ähnlich zu seinen späteren Werken, welche sich ebenfalls durch eine Reduktion des Handlungsortes auszeichnen, wie Cocktail für eine Leiche oder Das Fenster zum Hof, gelingt auch in diesem Falle eine Anspannung von der ersten Minute an, bei der das Überleben der Gruppe immer wieder in den Hintergrund gerät in einem Konflikt der Ideologien, einem Machtspiel, bei dem es darum geht, wer der Stärkere ist.
Spannung und Eskalation
Wie immer geht es um die Manipulation von Informationen, um solche, die in die Irre leiten oder eben diese, welche vorenthalten werden. Ein Grund dafür, dass die Geschichte eine unglaublich gut funktionierende Spannungsdramaturgie hat, ist die Zeichnung einer Figur wie Willi oder eines Charakters wie dem von Canada Lee gespielten George Spencer. Viele der Wendungen überraschen, auch jene, in denen der Deutsche sich als eine Stimme der Vernunft zeigt und seine Expertise als Seemann allen das Leben retten kann, was dann wechselt mit jenen Momenten, in denen er offensichtlich eine ganz eigene Agenda verfolgt. Besonders die Szene, in welchen er überlegen scheint, haben in den USA viele Kritiker erzürnt zu der Zeit, als der Film dort in den Kinos anlief.
Neben der respektablen Leistung seines Ensembles ist Das Rettungsboot auch wegen seiner Montagetechnik ein sehr gelungener Film. Über Detail- und Großaufnahmen inszeniert Hitchcock eine Atmosphäre der Spannung, die sich, vor allem, als man Hunger und Durst leidet, immer mehr steigert und sich wegen einer Winzigkeit oder eines Verdachts zu entladen droht. Dabei ist nicht nur schockierend, was man in diesen Momenten anderen antut, sondern vor allem, welches Licht dies auf einen selbst wirft.
OT: „Lifeboat“
Land: USA
Jahr: 1944
Regie: Alfred Hitchcock
Drehbuch: Jo Swerling, John Steinbeck
Musik: Hugo Friedhofer
Kamera: Glen MacWilliams
Besetzung: Tallulah Bankhead, William Bendix, Walter Slezak, Mary Anderson, John Hodiak, Henry Hull, Hume Croyn, Canada Lee, Heather Angel, William Yetter Jr.
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 1945 | Beste Regie | Alfred Hitchcock | Nominierung |
Bestes Drehbuch | John Steinbeck | Nominierung | ||
Beste Kamera Schwarzweiß | Glen MacWilliams | Nominierung |
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)