Der Sommer ist da und damit die touristische Hochphase für Amity Island, ein kleiner Badeort, der jedes Jahr Tausende von Menschen anlockt. Doch dieses Jahr lockt er noch etwas ganz anderes an: Eine junge Frau ist gestorben, vermutlich die Folge eines Haiangriffs. Aus Sorge um das wirtschaftliche Schicksal von Amity Island beschließt Bürgermeister (Murray Hamilton), erst einmal die Geschichte zu vertuschen. Doch als es zu weiteren Opfern kommt, ist klar, dass dringend etwas geschehen muss. Tatsächlich finden sich genug Leute, die Jagd auf den Hai machen wollen, in der Hoffnung auf eine fette Belohnung. Am Ende sind es aber der Polizeichef Martin Brody (Roy Scheider), Haiexperte Matt Hooper (Richard Dreyfuss) und der erfahrene Jäger Quint (Robert Shaw), welche der Gefahr ein Ende bereiten müssen …
Die ungewollte Filmgeschichte
Keine Frage: Ohne Steven Spielberg hätte die Filmgeschichte ganz anders ausgesehen, keiner schaffte es vergleichbar, über einen derart langen Zeitraum so viele und so unterschiedliche Hits zu drehen wie er. Dabei hätte das alles ganz anders kommen können, wenn der Regisseur seinen Willen bekommen hätte. Mitte der 1970er hatte er zwar schon Filme gedreht. Doch auch wenn die TV-Produktion Duell und der Krimi-Roadmovie Sugarland Express bei Kritikern wie Publikum gut ankamen, Blockbuster waren das nicht gerade. Erst Der weiße Hai sollte ein solcher werden. Er wurde sogar zu einer Sensation, der weltweit neue Kassenrekorde brach und mehrere Fortsetzungen nach sich zog. Und das obwohl Spielberg nach anfänglicher Begeisterung den Film eigentlich gar nicht mehr machen wollte und sogar versucht hatte, aus dem Vertrag auszusteigen, um lieber die Komödie Abenteurer auf der Lucky Lady zu drehen.
Das ist einerseits verständlich, da die auf einem Roman von Peter Benchley basierende Geschichte nicht wirklich mehr als typische B-Movie-Ware aufbietet. Im Horrorsegment wimmelte es zumindest früher von irgendwelchen Streifen, in denen gefährliche Tiere ihr Unwesen treiben und ein wackerer Held diese aufhalten muss. Immerhin: Der weiße Hai ist um einiges näher an der Realität als so manch kurioser Konkurrent um Killerbienen oder tödliche Frösche – auch wenn der Film dafür berüchtigt ist, das Image von Haien dauerhaft beschädigt und somit den Schutz der Tiere erschwert zu haben. Das wiederum ist ein Zeichen dafür, wie effektiv es war, was Spielberg da auf die Leinwand holte. Wie stark und nachhaltig er mit den Ängsten des Publikums spielte.
Ein Teil davon ergibt sich allein schon durch den Gegner an sich. Allgemein steht der Mensch nicht unbedingt an der Spitze der Rangordnung, wenn es um rein körperliche Attribute geht. Ohne seine Intelligenz, die Möglichkeit von Werkzeugen und dem Arbeiten in der Gruppe hätte er gegen viele Tiere keine Chance. Im Wasser ist das noch einmal deutlich verstärkt. Nicht allein, dass er nur relativ kurz unter Wasser sein kann, er ist auch zu unbeholfen und zu langsam, um auch nur annähernd gegen entsprechend angepasste Tiere bestehen zu können. Wer sich im Meer aufhält und nicht darauf vorbereitet ist, einem solchen Jäger wie dem Hai zu begegnen, der ist im Ernstfall komplett hilflos. Und Hilflosigkeit ist eine gute Voraussetzung, um beim Publikum Angst und Schrecken zu verbreiten.
Der Horror aus der Tiefe
Hinzu kommt: Der Hai ist für den Menschen eine unsichtbare Gefahr, die erst im letzten Moment auftaucht. Das macht gerade die erste Hälfte so spannend, unterstützt von dem treibenden Soundtrack von John Williams, wenn das Tier praktisch gar nicht zu sehen ist. Das wiederum ist eher das Ergebnis einer glücklichen Fügung. Im Gegensatz zu anderen Horrorfilmen, die mit einer versteckten Bedrohung arbeiten – etwa Bis das Blut gefriert oder Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt – sollte der Hai eigentlich schon zu sehen sein. Die Arbeit mit dem künstlichen Haimodell führte aber unentwegt zu Problemen. Anders als bei heutigen Filmen, die einfach den Computer anwerfen, musste seinerzeit noch mit tatsächlichen Objekten gearbeitet werden – die sich als fehlerfällig herausstellten. Eine andere glückliche Fügung war, dass während der Dreharbeiten tatsächlich ein Weißer Hai vorbeikam und mit dem Käfig zu kämpfen hatte. Das passte dann zwar so nicht ins Drehbuch, Spielberg war aber so begeistert, dass er dieses einfach noch mal änderte. Darin war er ja geübt, bei der Adaption des Romans gab es unzählige Fassungen. Unter anderem wurde die komplette erste Hälfte ausgetauscht.
Doch aus diesem Flickenteppich, das zudem mehrere Genres streift, und der Ansammlung von Schwierigkeiten wurde ein tatsächlich in sich rundes Werk, das aus dem einfachen Stoff jede Menge herausholt. Dazu gehört auch, neben dem Hai die Zweibeiner als Monster zu etablieren, die zum eigenen Wohl über Leichen gehen. Das zeigt sich nicht nur an am Bürgermeister, der lieber das Leben der Touristen riskiert, als auf sie zu verzichten. Es zeigt sich auch am Verhalten, wenn dann mal die Panik ausbricht und sich jeder selbst der nächste ist. Der weiße Hai ist deshalb der Horror vor dem Unsichtbaren und Unerreichbaren, dem wir ausgeliefert sind. Es ist aber auch der Horror vor dem, das wir nur zu gut kennen, selbst wenn wir uns große Mühe geben, diesen unter der Oberfläche zu verstecken, zusammen mit den anderen Monstern.
OT: „Jaws“
Land: USA
Jahr: 1975
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Peter Benchley, Carl Gottlieb
Vorlage: Peter Benchley
Musik: John Williams
Kamera: Bill Butler
Besetzung: Roy Scheider, Robert Shaw, Richard Dreyfuss, Lorraine Gary, Murray Hamilton
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
Academy Awards | 1976 | Bester Film | Nominierung | |
Beste Musik | John Williams | Sieg | ||
Bester Ton | Robert L. Hoyt, Roger Heman Jr., Earl Madery, John R. Carter | Sieg | ||
Bester Schnitt | Verna Fields | Sieg | ||
BAFTA Awards | 1976 | Bester Film | Nominierung | |
Beste Regie | Steven Spielberg | Nominierung | ||
Bester Hauptdarsteller | Richard Dreyfuss | Nominierung | ||
Bestes Drehbuch | Peter Benchley, Carl Gottlieb | Nominierung | ||
Beste Musik | John Williams | Sieg | ||
Bester Ton | John R. Carter, Robert L. Hoyt | Nominierung | ||
Bester Schnitt | Verna Fields | Nominierung | ||
Golden Globes | 1976 | Bester Film – Drama | Nominierung | |
Beste Regie | Steven Spielberg | Nominierung | ||
Bestes Drehbuch | Peter Benchley, Carl Gottlieb | Nominierung | ||
Beste Musik | John Williams | Sieg |
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