Wir benutzen sie alle, die einen mehr, die anderen weniger, einige ganz offen, die anderen eher versteckt, wenn vielleicht niemand zuhört. Und doch fehlt oft ein bisschen das Bewusstsein dafür, was wir da genau tun, wenn wir Schimpfwörter verwenden. Vor allem aber wissen wir oft nicht wirklich, warum etwas überhaupt ein Schimpfwort ist. Die Idee, eine reine Dokumentation nur zu diesem Thema zu drehen, die ist deshalb nicht ohne Reiz. Und damit man auch ein möglichst großes Publikum dafür erreicht, wurden eine Reihe von Prominenten engagiert, allen voran Nicolas Cage als Moderator. Das hörte sich eigentlich ganz gut und unterhaltsam an. So richtig überzeugend ist die Netflix-Serie Die Geschichte der Schimpfwörter aber nicht.
Eine eingeschränkte Zielgruppe
Ein großes Problem dabei ist, dass die Serie fast ausschließlich für ein US-Publikum geeignet ist. Zum einen braucht es schon einigermaßen Englischkenntnisse, um dem Ganzen etwas entnehmen zu können. So sind erwartungsgemäß die untersuchten sechs Wörter der ersten Staffel alle englisch: fuck, shit, bitch, dick, pussy und damn. Und die lassen sich nicht wirklich ins Deutsche übersetzen. Zwar gibt es Annäherungen an die Wörter, aber keine direkten Entsprechungen, die im selben Kontext und derselben Grammatik verwendet werden können. Wie aussichtslos dieses Unterfangen ist, sieht man bei den Untertiteln, bei denen man sich ganz offenkundig schwer tat, weshalb da aus dick schon mal Arsch wird. Eine Synchronisation gibt es erst gar nicht.
Aber auch die geladenen Gäste zeigen auf, dass man hier nicht wirklich international dachte oder vielleicht nicht das passende Budget hatte, um mehr draus zu machen. Dass die diversen linguistischen Experten und Expertinnen, die über die Historie der einzelnen Wörter etwas sagen, hierzulande unbekannt sind, das geht natürlich klar. Nur trifft das eben auch auf die diversen Künstler und Künstlerinnen aus dem Comedybereich zu, viele davon Stand-up Comedians. Wer nicht zufällig tief in dieser Materie drinsteckt, wird sich fragen, wer diese ganzen Leute sind und weshalb man ihnen zuhören sollte. Das ähnelt etwas diesen Jahresrückblicken und Themenabenden auf RTL & Co., bei der zur Auflockerung lauter C-Promis auftreten, die in kurzen Ausschnitten eingeblendet werden.
Hi hi, ein Schwanz!
Nun müssen Leute einem nicht bekannt sein, damit sie etwas zu sagen haben. Leider ist Die Geschichte der Schimpfwörter aber auch in der Hinsicht eine Enttäuschung. Wer jetzt wem Schwanzbilder schickt, sich gegenseitig Pussy nennt oder daran erfreut, wenn jemand „fuck“ sagt, ist nicht nur völlig irrelevant. Es ist auch nicht komisch. An vielen Stellen merkt man dann doch, dass die mutmaßliche Komik der Wörter nur daran festgemacht ist, dass sie niemand verwenden darf. Vor allem solche, die aus dem sexuellen Bereich kommen. Wer hingegen ein einigermaßen lockeres Verhältnis sowohl zu den Wörtern wie den dahinter liegenden Bezeichnungen hat, darf sich an vielen Stellen Fragen: Worüber genau lachen die denn da?
Etwas besser ist da schon der Auftritt von Nicolas Cage. Der für sein nicht unbedingt zurückhaltenden Mienenspiel bekannte B-Movie-Dauergast (Primal – Die Jagd ist eröffnet, Grand Isle – Mörderische Falle) bringt zumindest Anflüge von Ironie in die Folgen, anstatt sich nur auf Holzhammergegröle zu verlassen. Vor allem der Versuch, sich als vornehmer, seriöser Experte zu inszenieren, ist gerade in diesem Umfeld recht amüsant. Aber auch er kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Die Geschichte der Schimpfwörter sehr oberflächlich ist. Zwar darf man hin und wieder von Bedeutungswandeln erfahren, etwa bei Pussy oder Dick. Warum es diese Wandel gab und woher die Wörter überhaupt kommen, kann hier aber niemand beantworten, womit das Konzept, Wissen und Unterhaltung zu kombinieren, gleich doppelt versagt. Immerhin gibt es passende Szenen aus Filmen, die dazwischen geschnitten wurden, als Beispiele medialen Gebrauchs der Wörter. Doch selbst die können nicht verhindern, dass die 20 Minuten, die jede Folge dauert, sich teils recht lange anfühlen.
OT: „History of Swear Words“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Christopher D’Elia
Drehbuch: Bellamie Blackstone
Kamera: Colin Arndt, David Ortkiese, Todd Rawiszer
Moderator: Nicolas Cage
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