A Night to Remember Die letzte Nacht der Titanic
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Die letzte Nacht der Titanic

Kritik

A Night to Remember Die letzte Nacht der Titanic
„Die letzte Nacht der Titanic“ // Deutschland-Start: 26. März 1959 (Kino)

Als am 10. April 1912 die Titanic in See sticht, soll damit Geschichte geschrieben werden. Schließlich hatte es zuvor kein Passagierschiff vergleichbarer Größe gegeben, als schwimmende Stadt wird der Dampfer in den Zeitungen beschrieben. Doch die Euphorie hält nur wenige Tage. Zwar hatten andere Schiffe schon vor dem Eis gewarnt, doch Kapitän Edward J. Smith (Laurence Naismith) hält unbesorgt an seinem Kurs fest, heißt es doch, dass die Titanic unsinkbar sein soll. Selbst als es am 14. April zu einer Kollision kommt, lässt er sich nicht außer Ruhe bringen. Erst nach und nach macht sich die Gewissheit breit, dass das Schiff nicht zu retten ist und alle von Bord müssen. Aber wie? Es gibt nicht genügend Rettungsboote für alle und die nächsten rettenden Schiffe sind viele Stunden entfernt …

Die vergessene Vorgeschichte

Auch wenn es natürlich nicht gerade wenige Filme über den Untergang der Titanic gegeben hat, für die meisten ist dann doch James Camerons Version die alles dominierende. Aus gutem Grund: Titanic brach seinerzeit alle möglichen Rekorde, es gab ewig kein Entkommen vor dem Film, dem Ensemble, den überlebensgroßen Liebesschwüren, selbst die Musik war überall zu hören. Doch so eindrucksvoll das Spektakel auch gewesen sein mag, so überwältigend die aufwendig gefilmten Aufnahmen – es ist schon bedauerlich, wie in Folge viele andere Adaptionen der Ereignisse in Vergessenheit geraten sind. Denn darunter befanden sich einige sehr interessante Alternativen, wie etwa Die letzte Nacht der Titanic aus dem Jahr 1958.

Obwohl beide Filme auf derselben Katastrophe basieren, jeweils die Geschichte vom Auslaufen bis zum unweigerlichen Untergang erzählen, so könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Wo Titanic den Vorfall anhand eines Liebespaares aufzog, welches stellvertretend für das gesamte Schiff stand, da gibt es in Die letzte Nacht der Titanic keine solchen direkten Identifikationsfiguren. Die Hauptfigur, wenn man sie als solche bezeichnen wollte, ist der von Kenneth More gespielte Zweite Offizier Charles Herbert Lightoller, der in der Katastrophe versucht die Menschen zu retten. Auch bei den Passagieren treten einige Leute stärker hervor, darunter die von Honor Blackman verkörperte Liz Lucas, die mit Mann und drei kleinen Kindern die Reise antrat. Aber sie sind nur Beispiele, die vereinzelt mal in den Vordergrund treten.

Für ein Publikum, das die großen Gefühle braucht, ist das zu wenig. Zwar gibt es durchaus zum Ende hin einige emotionale Momente, wenn Kinder sterben, Partner sich Lebewohl sagen müssen, viele in den sicheren Tod blicken. Im Gegensatz zum US-Kassenschlager gab sich die britische Produktion aber deutlich distanzierter und nüchterner. Nicht das Einzelschicksal interessierte, sondern der Untergang als Ereignis an sich. Es dauert hier auch nicht annähernd so lang, bis die Eisberge auftauchen und das Unglück seinen Lauf nimmt. Da liegt der Vergleich zu anderen Katastrophenfilmen wie Die Höllenfahrt der Poseidon näher. Aber selbst der würde hinken, da es in Die letzte Nacht der Titanic kaum etwas gibt, was als Actionszene durchgeht.

Detailgetreue Rekonstruktion

Vielmehr verfolgt der Film, trotz der obligatorischen Eskalationen zum Ende hin, einen eher dokumentarischen Ansatz. Grundlage hierfür lieferte das Sachbuch Die Titanic-Katastrophe. Der dramatische Untergang des Luxusdampfers von Walter Lord, welches in umfangreichen Recherchen und unter Zuhilfenahme von Augenzeugen die Ereignisse rekonstruierte. Die letzte Nacht der Titanic wandelte bei der Umsetzung zwar das eine oder andere ab, machte beispielsweise aus vielen US-amerikanischen Passagieren britische, für das eigene Publikum. Dennoch zeichnet sich der Film vor allem durch seine akkurate Detailtreue aus. Hier soll nachgezeichnet werden, wie es zu der Katastrophe überkommen kommen konnte, die niemand für möglich hielt.

Die letzte Nacht der Titanic ist deshalb trotz der spannenden Szenen weniger ein Thriller als vielmehr ein Drama und die Aufarbeitung eines Traumas. So folgenreich der Untergang der Titanic für die Seesicherheit wurde – aus einigen Versäumnissen wurden dann doch Lehren gezogen, etwa zur Anzahl der Rettungsboote –, so sehr dient der Film als universelle Warnung vor der eigenen Überheblichkeit. Auch wenn die Kollision mit dem Eisberg ein einzelnes Ereignis ist, so führten doch viele Versäumnisse zu dem Unglück, sowohl in der Vorbereitung wie auch am Tag selbst. Die Technikgläubigkeit, welche in der Begegnung mit den zerstörerischen Kräften der Natur zurechtgestutzt wurde, ist Ausdruck einer Arroganz, die sich bis heute finden lässt und den Film daher trotz des historischen Kontexte noch immer relevant macht. Sehenswert ist der Film dabei aber auch als Rekonstruktion der damaligen Zeit, der gesellschaftlichen Verhältnisse und Geschlechterbilder, die selbst im Moment der größten Not noch sichtbar sind.

Credits

OT: „A Night to Remember“
Land: UK
Jahr: 1958
Regie: Roy Ward Baker
Drehbuch: Eric Ambler
Vorlage: Walter Lord
Musik: Leigh Harline
Kamera: Harold Rosson
Besetzung: Kenneth More, Ronald Allen, Robert Ayres, Honor Blackman, Michael Goodliffe, Anthony Bushell, Laurence Naismith, Jack Watling

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
BAFTA Awards 1959 Bestes britisches Drehbuch Nominierung
Golden Globes 1959 Bester englischsprachiger ausländischer Film Nominierung

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„Die letzte Nacht der Titanic“ rekonstruiert die Umstände, die 1912 zu der berühmten Katastrophe führten. Der Fokus liegt dabei auf den Abläufen, weniger den einzelnen Menschen, was den Film weniger emotional werden lässt als andere Adaptionen. Sehenswert ist der eher dokumentarisch angelegte Film aber auf alle Fälle, und sei es nur als Mahnmal vor der Arroganz und Technikgläubigkeit, welche maßgeblich zu der Tragödie beitrugen.
7
von 10