Kein Zweifel, 2020 war für die gesamte Filmbranche ein einschneidendes Erlebnis. Ein Großteil der Blockbuster wurde verschoben (und verschoben), die Kinos waren monatelang geschlossen, einige wohl für immer, der Trend zum Stream zu Hause hat sich noch einmal verstärkt. Und auch auf die Dreharbeiten hatte die weltweit wütende Corona-Pandemie verheerende Auswirkungen und damit auch auf die vielen Menschen in der zweiten Reihe, an die nie jemand denkt. Erst konnte gar nicht mehr gedreht werden, später nur unter erschwerten Bedingungen. Einige Serien wurden aufgrund der Rahmenbedingungen vorzeitig abgesetzt, fielen dem Chaos der durcheinandergewirbelten Drehpläne und den Vorgaben zum Opfer.
Und doch, 2020 war kein völlig vertanes Jahr. Nicht nur, dass die Krise auch neue Möglichkeiten der Kooperationen aufzeigten und viele notwendig doch einmal den Status Quo überdenken mussten. Das Jahr war zudem eine gute Gelegenheit, sich gerade kleinere Filme anzuschauen, welche dem Kommerzdruck trotzten und eigene Geschichten erzählen konnten, ohne dabei vom Bombastkino begraben zu werden. Grund genug also für uns, uns wie in den vergangenen Jahren noch einmal zurückzulehnen, innezuhalten und die letzten zwölf Monate Revue passieren zu lassen, die filmischen Höhepunkte sowie die diversen Enttäuschungen. Denn zu sehen gab es einiges.
Top Filme 2020
Die bezaubernde Mystery-Komödie im Stile des Klassikers Und täglich grüßt das Murmeltier überzeugt besonders hinsichtlich der Charaktere und einem interessanten Twist, den man alles andere als konventionell nennen kann. Dass Max Barbakows Werk daneben aber auch durch seine romantischen und komödiantischen Elemente besticht, macht ihn zu einem fantastischen Feelgoodmovie und einen der besten Filme 2020.
Selten hat man so grandiose Actioneffekte gesehen wie in 1917. Erstaunlicherweise sieht man erst einmal mit dieser Produktion, was im Kriegsfilmgenre aus heutiger Sicht alles möglich ist. Produktionstechnisch und völlig zu Recht mit drei Oscars ausgezeichnet, reiht sich 1917 so in die Liste hochkarätiger Kriegsfilme ein.
Nichts für schwache Nerven aber dennoch grandios inszeniert, überzeugt Der Schacht durch die Verschmelzung von Symbolik, Gesellschaftskritik und einer Achterbahn der Gefühle. Und wenn man Tage nach der Erstsichtung immer noch an den Film denken muss, dann soll das schon was heißen.
Wunderschön gefilmt, nimmt uns Craig Foster mit in die Unterwasserwelt des südafrikanischen Atlantiks. Für die ganze Familie geeignet, lehrt uns der kleine Oktopus eine ganze Menge über das Unterwasserleben und dass diese Spezies doch sehr viel intelligenter ist, als man annahm. Ein Must-see für Tierliebhaber.
Die Geschlechterdebatte #metoo, die in den letzten Jahren wie ein Vulkan ausbrach, bot gleichzeitig viel Stoff für Filmproduktionen. Dass eine Produktion wie Bombshell, die nicht nur einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leistet, sondern auch filmisch grandios von sich zu überzeugen weiß, war dann aber doch eine Überraschung.
Wenn es einen Regisseur gibt, der weiß, wie man herausragende politische Filme macht, dann Aaron Sorkin, der mit The Trial of the Chicago 7 einmal mehr beweist, dass ihm das Genre im Blut liegt. Und selbst wenn man kein Politikfreund ist, Sorkin schafft trotz story- und dialoglastigem Aufbau eine sehr gelungene Erzählung, die alles andere als langatmig und träge wirkt.
Auch wenn es in diesem Jahr mit beispielsweise Tesla oder Capone wieder einige Biopics gab, so kämpft sich Vergiftete Wahrheit an die Spitze, schon allein durch Mark Ruffalos beeindruckende Verkörperung des Umweltanwalts Robert Bilott. Dass man sich am Ende fragt in was für einer destruktiven Welt wir doch leben, verdeutlich darüber hinaus die hochrelevante filmische Bedeutung in Hinblick auf den globalen Umweltschutz.
Charlie Kaufman als Meister des Surrealen High-Concept-Film, beweist erneut, dass gänzlich unkonventionelle Filme ihren ganz eigenen Charme haben. I’m Thinking of Ending Things mag uns sicherlich mit einigen Fragezeichen auf der Stirn zurücklassen, durch Kaufmans totale Hingebung zur Kunst und Poetik ist aber einmal mehr Filmkunst entstanden – und von wie vielen modernen Produktionen kann man das schon behaupten.
Der in sich verschachtelte Kriminalfilm von Rian Johnson überzeugt nicht nur durch seinen tollen Cast, sondern auch durch das Gefühl, dass der Regisseur einmal schlauer war als das Publikum. Durch die unberechenbaren Charaktere und Plottwists, die wahrscheinlich niemand vorausahnen konnte, hat man unglaublich viel Spaß mit Johnsons Werk.
Guy Ritchie überzeugt mit schnittigen Dialogen, präzise geschriebene Figuren und dem gewissen Etwas in The Gentlemen einmal mehr – welch Überraschung. Wo Guy Ritchie draufsteht, ist auch Guy Ritchie drin – man kann es nicht besser sagen.
Top Serien 2020
Das Damengambit (benannt nach einer Schacheröffnung) nimmt uns mit in die anspruchsvolle Welt der Schachspieler. Dadurch, dass die Netflix-Produktion an keiner Ecke zu komplex ausfällt, und so für Anfänger als auch Schachprofis geeignet ist, überrascht es wenig, dass es nach dem Release zu einem Boom bei den Google-Ergebnissen rund um das Schlagwort Schach kam. Anya Taylor-Joys Schauspiel ist dabei grandios, allein die Dramaturgie ist ab und zu ein wenig over the top.
- Devs
Freunde des Science-Fiction Genres werden sicherlich aufhören, wenn der Name Alex Garland (Ex Machina, Auslöschung) fällt. Und auch wenn Devs sicherlich einige Schwachstellen hat, so ist dennoch eine wirklich interessante Serie entstanden, die mit acht Folgen weder zu kurz, noch zu lang ausfällt.
- Song Exploder
Das Konzept ist einfach: pro Folge gibt es einen bekannten Song, der unter die Lupe genommen wird. Das Erstaunliche dabei: Man muss nicht einmal Fan von beispielsweise R.E.M., Nine Inch Nails oder Alicia Keys sein, die Faszination kommt beim Schauen. Zu sehen, wie große Songs entstanden sind, ist nicht nur hochinteressant, sondern erweitert gleichzeitig den eigenen Horizont, sodass man nach jeder Folge sich mit dem jeweiligen Interpreten näher auseinandersetzen will.
Top Schauspielerin 2020
Das Damengambit, The New Mutants und Emma. – unterschiedlicher könnten die Produktionen, in denen Anya Taylor-Joy die Protagonistin spielt, wohl kaum ausfallen. Beim Zurückdenken an Produktionen wie beispielsweise Vollblüter oder Glass zeigt sich aber, dass die junge Amerikanerin so ziemlich alles spielen kann. Der nächste „große“ Film, in dem sie dann unter Umständen sogar eine Oscar-Nominierung erhalten könnte, scheint fast nur eine Frage der Zeit zu sein.
Top Schauspieler 2020
Robert Pattinson, der wohl bei einigen noch immer auf die Twilight-Filme reduziert wird, hat in den letzten Jahren eine steile Karriere erreicht. Dass er eine Bandbreite der unterschiedlichsten Performances ablegen kann, hat er nun mehrfach bewiesen, man denke nur einmal zurück an Der Leuchtturm, The Devil All the Time oder Tenet, allein in den letzten zwei Jahren. Gern mehr davon, kann ich da nur sagen.
Meine Höhepunkte 2020
Den letzten Film, den man ganz grob mit Palm Springs vergleichen kann, ist bei mir schon Jahre her. Umso mehr hat es mich erfreut, einmal wieder einen solch tollen Film gesehen zu haben. Es geht nämlich nicht nur um die eigentliche Und täglich grüßt das Murmeltier-Idee, es ist viel mehr das drum herum. Das Leid und die Freude der Charaktere, wie auch die Komik und das Nachdenkliche, die hier miteinander verbunden werden, machen Palm Springs so sehenswert.
- 1917
Auch wenn ich Kriegsfilme nicht zu meinem bevorzugten Genre zählen würde, so muss ich Sam Mendes für sein durch und durch bombastisches Werk loben. Und selbst beim Vergleich mit nicht weniger herausragenden Filmen wie Der Soldat James Ryan oder Full Metal Jacket bringt Mendes fast schon kunstvolle Bilder auf die Leinwand, wie man sie in der Form vorher noch nie erlebt hat. Das kunstvolle Schrecken des Krieges, was 1917 uns vor Augen führt, ist dabei furchteinflößend und faszinierend zugleich.
- Sound City
Gemessen an meinen Bewertungsmaßstab auf Moviepilot ist Sound City der bestbewertete Film, den ich 2020 erst gesehen habe. Hierbei nimmt uns Dave Grohl (Nirvana, Foo Fighters) mit auf die Reise in die Vergangenheit von Sound City, dem Produktionsstudio, in dem einige der wichtigsten und ikonischsten Rockalben der letzten 50 Jahre produziert wurden. Und wenn eine Musikdokumentation für mich bewegender ist als die meisten neuen Dramen aus 2020, dann sagt das schon alles aus.
Meine größten Enttäuschungen 2020
Vorweg gesagt, Tenet mag sicherlich kein schlechter Film sein. Enttäuschend trifft es aber schon eher, besonders wenn man den Vergleich mit Nolans Meisterwerk Interstellar zieht. Hier gab es noch eine enorme Fallhöhe, verbunden mit einem intensiven Spannungsbogen. Die ganze Menschheit steht auf dem Spiel und dies merkt man auch. Tenet hingegen, der in dieser Hinsicht ähnlich konzipiert ist, verspielt viel an Fallhöhe, Spannung und an filmischen Momenten, die den Zuschauer bewegen sollen. Inszenierung Top, Rest Flop – das beschreibt Nolans halbgelungenes Werk wohl am besten.
Während Ip Man und Ip Man 2 nach wie vor zu den besten Filmen des Martial-Arts Genres zu zählen sind, war es umso schmerzhafter, den letzten Teil über sich ergehen zu lassen. Absolut generisch – es geht einmal mehr um einen amerikanischen Fight-Champion, der alle Wing Chun-Großmeister im Film mal eben plättet – muss Ip man erneut ranhalten, um den Helden zu spielen. Ein sehr schwaches Ende für eine sonst tolle Filmreihe.
Neue Science-Fiction Blockbuster im All sind nach Gravity, Interstellar oder Ad Astra – Zu den Sternen nach wie vor am boomen. Und auch wenn sich George Clooney hinsichtlich der Szenen im Universum von Alfonso Cuarons Gravity inspirieren ließ, so zeigt sich dennoch, dass man ein gewisses Händchen als Regisseur mitbringen muss. Da massiv an Potential verspielt wurde und The Midnight Sky darüber hinaus von einem Logikloch ins nächste springt, entpuppt sich Clooneys Werk eher als Enttäuschung.
Meist erwartete Filme/Serien 2021
Auch wenn sich Chaos Walking schon im letzten Jahr auf meiner Liste befand, so sind die Erwartungen keinen Deut geringer geworden, im Gegenteil. Die Idee des Films klingt einfach zu gut. Da kann man nur hoffen, dass die Umsetzung auch so gut wird.
Ganze sieben Jahre ist es her, als Wes Anderson seinen letzten Realspielfilm Grand Budapest Hotel herausgebracht hat. Doch nun hat das Warten ein Ende, The French Dispatch steht kurz vor der Tür. Und anbei ein Cast, halb Hollywood könnte man meinen, das kann nur gut werden.
Das Kammerspiel über eine Agoraphobie-geplagte New Yorkerin, deutet sehr viel Potential an. Wer wie ich Freund des intensiven Kinos ist und beispielweise Gaspar Noé und Darren Aronofsky zu seinen Lieblingsregisseuren zählt, für den könnte The Woman in the Window eventuell ein Blick wert sein.
Top Filme 2020
Ken Loach zeigt uns wieder mal sein Talent, Gesellschaftskritik aufs Schärfste zu äußern, ohne dabei eine langweilige Story zu erzählen. Profitiert hat der Film durch die äußerst starke Leistung von Kris Hitchen, der mit seiner Mimik, Gestik und seinem generellen Auftreten soviel Aussagekraft ausstrahlte, dass sich dies sofort auf die Emotionalität der Zuschauenden niederschlug. Mit diesem Werk wird nicht nur der tragischste und schönste Film des Jahres erzählt, sondern zeitgleich auch einer der Wichtigsten!
Auch wenn es nur ein absolut persönliches Highlight des Jahres war, schaffte es dieser Film jedoch, mich von Beginn an herzergreifend zu fesseln und mit Ehrlichkeit und Natürlichkeit zu punkten. Dem gesamten Filmteam merkte man an, dass die Arbeit hinter den Kulissen unvergleichlich spaßig und voller guter Laune ablief, denn genau dies schafften sie somit auch ohne Probleme auf die Leinwand zu übertragen. Nicht zuletzt kommt dazu, dass die deutschen Produktionsstudios nur selten solch erfrischende Genreexperimente in den vergangenen Jahren zeigten und daher sich anständig von der breiten Masse abhoben.
Dies ist wohl einer der tragischsten und liebevollsten Filme des Jahres, denn die Regisseurin schafft es, uns eine Welt voller Angst und Terror zu zeigen und dabei umfänglich die Kriegssituation in Syrien klar zu machen. Gleichzeitig jedoch, und das ist äußerst beeindruckend, schafft es dieses Werk auch mit guter Laune, familiärem Zusammenhalt und positiven Einstellungen zu überzeugen, die in solcher Situation nicht gerade selbstverständlich sind. Auch dies ist ein Herzensfilm, der mich über die gesamte Spieldauer hinweg berührt und gepackt hat und keinen Raum zum aufatmen ließ.
Wenn die jüngere Vergangenheit uns alle betrifft und in einem entsprechenden Film Mark Ruffalo verwickelt ist, dann kann uns nur noch ein kleines Meisterwerk erwarten. So geschehen mit diesem Film, der es ohne Probleme schafft zu schocken und zeitgleich über ein Thema zu informieren, welches uns allen bekannt sein müsste und bei dem sich offenbar trotzdem niemand auskennt.
Auch der offenbar brutalste Film des Jahres ist mir sehr ins Auge gefallen, auch wenn die Grenze zwischen unverzeihlicher Gewaltverherrlichung und dramaturgischem Stilmittel hier sehr eng beieinander liegen, insbesondere wo die Handlung doch auf vergleichbaren tatsächlichen Ereignissen aufbaut. In jedem Fall sorgte dieses Werk dafür, dass mir gleich mehrfach der Atem stockte und ich zeitgleich die faszinierende Leistung von Katarzyna Zawadzka bejubeln konnte. Ein Zwiespalt der Gefühle, ein ekliges Spiegelbild der Realität, eine brutal verständliche Message.
Auch der Appetit kam in diesem Jahr nicht zu kurz, auch wenn bei manchen Bildern dieser Dokumentation einem wohl am liebsten das Essen wieder hochgekommen wäre. Dennoch schaffte es das Werk tatsächlich ein Umdenken bei mir zu bewirken, somit meine Ernährungsgewohnheiten umzustellen und all das ohne jegliche Einflussnahme, denn der Film bleibt stets objektiv. Zudem bekommen wir wohl den wohl besten „Foodporn“ geliefert, den es seit langem gab, denn nur selten riecht und schmeckt man den Duft eines Lebensmittels im Kinosaal so sehr wie hier.
Eigentlich völlig unscheinbar und ganz plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht, schafft es dieser Film doch sehr zu überraschen, da ich nicht einmal ansatzweise das erhielt, was ich anfangs erwartete (ohne Vorinformationen). Dabei punktete der Film nicht durch spektakuläre Vorkommnisse, sondern einzig und allein durch die Soundgestaltung, die vor allem darauf basierte, dem Publikum eine Atmosphäre zu schaffen, in der dieses die Probleme des Protagonisten quasi 1:1 nachempfinden kann und mit ihm zusammen eine neue Lebensweise lernen muss. Auf simpelste Art und Weise wurde hier ein kleines Meisterwerk geschaffen.
Mafiafilme konnten mich noch nie wirklich begeistern, auch wenn ich stets die Qualität der Werke zu erahnen glaube. Anders jedoch sieht es mit diesem Film aus, der vor allem damit punkten konnte, wesentliche Teile der Handlung rund um eine Gerichtsverhandlung zu stricken und damit meine Aufmerksamkeit vollkommen einzufangen. Besonders im Pacing gewinnt das Werk auf allen Strecken, denn geschickt schafft es Regisseur Marco Bellocchio die Zügel im richtigen Moment anzuziehen und wieder nachzugeben, so dass stets in dem Moment, in dem der Film langweilig zu werden scheint, doch wieder etwas passiert und somit die Neugier dauerhaft aufrechterhalten wird.
Auch Berlin Alexanderplatz gewinnt vor allem durch seine Schauspieler:innen, die eine grandiose Zusammenarbeit abliefern konnten und vor allem mit Albrecht Schuch eine spektakuläre Genialität an den Tag legten, die dieses Jahr seines Gleichen sucht. Aber auch abseits des Schauspiels liefert uns der Film eine rasante Handlung, die nie langweilig wird und vor besonders mit seiner Tiefgründigkeit und Aktualität hinsichtlich der Flüchtlingspolitik punkten kann und trotzdem angemessen, wenn auch deutlich freier, auf der Buchvorlage aufbaut.
- Hamilton
Für das musikalische Highlight konnte in diesem Jahr endlich mal wieder Disney sorgen, auch wenn mit Hamilton eher eine Bühnenaufnahme als ein Film ins Rennen geht. Allerdings benötigt dieser Film auch keine aufwendigere Inszenierung, als sie hier geboten wird, denn musikalisch hängen die Songs noch immer in meinem Ohr und bildgewaltig war das Stück obendrein. Gekoppelt mit der bravourösen Kameraführung und natürlich der entsprechend hochkarätigen Darbietung ist Unterhaltung garantiert und überzeugt bot mir eine vergnüglichere Zeit, als es jedes vergleichbare Werk hätte schaffen können.
Top Serien 2020
Die Auswahl fiel nicht so schwer, da dies die einzige Serie war, die ich in diesem Jahr geguckt habe – um genauer zu sein sogar erst in den ersten Tagen von 2021. Dennoch wäre dieser Platz wohl so oder so zu Stande gekommen, denn Anya Taylor-Joy schafft es in dieser Kurzserie wirklich eindrucksvoll, ein längst nicht mehr massentaugliches Spiel wieder zum Leben zu erwecken und durch eine leicht autistische Art, versetzt mit Drogenkonsum und Alkoholismus, ihre schauspielerische Genialität erneut eindrucksvoll zu beweisen. Zudem wird ein spektakulärer Einblick in umfassende Denkprozesse geboten, denen das Spiel zu Grunde liegt und die wohl nur die wenigsten von uns je bedacht haben.
Top Schauspielerin 2020
- Emily Cox
Die Auswahl fiel dieses Jahr tatsächlich recht schwer, da keine der Darstellerinnen so wirklich aus der großen Masse herausragte, auch wenn einige von ihnen immer wieder nette kleine Momente vorweisen konnten. Dennoch zeigte mir Emily Cox mit einem überraschend scharfen Willen ihre Entschlossenheit, zeitgleich aber auch ihre zarte Verletzlichkeit im Film Nur ein Augenblick, der leider kaum Beachtung erhielt. Dieses Zusammenspiel der Gefühlswelten, welches nur schwer vereinbar ist und sie dennoch erstaunlich hochwertig präsentieren konnte, sorgte dafür, dass sie sich von den ansonsten immer gleichen Rolleninterpretationen etwas abheben konnte und etwas mehr in mein Gedächtnis brannte.
Top Schauspieler 2020
- Albrecht Schuch und Kris Hitchen
Die Entscheidung in dieser Kategorie war da schon deutlich schwieriger und letztlich musste ich Herrn Schuch und Herrn Hitchen auf die gleiche Position setzen, da sie es beide auf völlig unterschiedliche Art und Weise schafften, mich emotional zu begeistern und schauspielerische Genialität in allen Zügen auszustrahlen. Der eine vor allem durch den krassen Gegensatz seiner vorherigen Darbietung in Systemsprenger und die damit verbundene 180° Wende seiner Persönlichkeit, der andere durch eine präzise schauspielerische Tiefe in jeder Mimik und Gestik, die dafür sorgte, dass stundenlange Geschichten in nur einem einzigen Gesichtszug erkennbar wurden. Fabelhaft waren beide Darsteller und deswegen gebührt ihnen beiden dieser Platz.
Top Newcomer 2020
- Alexandra Pfeifer
Mangels der Anzahl an Neustarts, gab es wohl nicht so viele Newcomer in diesem Jahr zu bestaunen. Eine jedoch schafft es sich in mein Herz zu spielen und auf ganzer Linie zu begeistern mit tollem Humor, liebevollen Charme und einer ehrlichen, natürlichen Art ihre Rolle zu interpretieren: Alexandra Pfeifer. Guter deutscher schauspielerischer Nachwuchs ist scheinbar relativ selten geworden, umso mehr hoffe ich, dass wir von ihr in den kommenden Jahren noch einiges zu sehen bekommen und dies vor allem nicht in noch einem komischen Tatort oder einem ekligen deutschen Krimi sondern in diversen Experimentalfilmen, die die Filmkultur hier zu Lande ein wenig in Schwung bringen und modernisieren.
Meine Höhepunkte 2020
- Entfachte Solidarität zu den Kinos
#Hilfdeinemkino, Revolutionäre neue Formen von Premieren und viele Spendenaktionen und Gutscheinkäufe haben mich dieses Jahr sehr davon überzeugt, dass Kino noch längst nicht tot ist und die Menschen mehr denn je erkannt haben, dass dies ein kulturelles Gut ist, welches es wert ist zu erhalten. Die Solidarität der Menschen war begeisternd und trotz, dass die Kinos nur wenig an die Konsument:innen zurückgeben konnten, bemühten sich alle Hand in Hand in faszinierender Selbstverständlichkeit diesen kulturellen Zweig zu erhalten. Doch reicht dies Engagement wirklich oder wird uns 2021 lehren, dass unsere Liebe zum Medium sich künftig für immer auf das ungeliebte Home Entertainment beschränken muss?
- Widereröffnung am 02.07.20
Vier Monate Einsamkeit; vier Monate Filme auf kleiner Leinwand mit vergleichsweise schlechtem und vor allem leisen Sound; vier Monate keine neuen Filme; vier Monate deprimierende Langeweile. Auch wenn es mir nicht möglich war, gleich am 02.07.20 in die Kinos zu stürmen, so war ich doch glücklicherweise schon ein paar Tage zuvor in den kleineren Lichtspielhäusern Berlins zu Gast und habe diesen Moment exzessiv ausgekostet und geliebt wie kaum ein Ereignis zuvor. Die Widereröffnung der Kinos und natürlich auch aller anderen Kulturstätten (sofern möglich), bedeutete mir ungemein viel und sorgte dafür, dass ich fast täglich Stammgast in den diversen Häusern unserer Stadt wurde.
- Erstes Interview mit einer Schauspielerin
Dieses Jahr war es endlich soweit, dass ich mein erstes Interview mit einer Schauspielerin geführt habe, wenn auch nur von zu Hause aus über Skype. Alexandra Pfeifer hat sich freundlicherweise dazu bereit erklärt gehabt mit mir ins Gespräch zu kommen und rund eine Stunde lang über ihren neusten Film zu quatschen. Es war eine wundervolle Atmosphäre, hat viel Spaß gemacht und ich habe viel über die Hintergründe ihres Films erfahren und bin zudem nun bereit für neue Schandtaten und hoffe auf baldige Wiederholung mit tollen Darsteller:innen!
Meine größten Enttäuschungen 2020
- Endgültige Schließung des Kino Colosseums in Berlin
Zwar ist das Kino Colosseum Berlin nicht das einzige Kino, welches schließen musste, jedoch war es mein persönliches Lieblingskino und zudem meine Arbeitsstelle, die mir viele Jahre lang Lohn und Brot verschaffte und viele tolle Momente. Umso katastrophaler war es von einer anstehenden Insolvenz zu erfahren, die sich im weiteren Verlauf als betrügerische Masche der Erbenfamilie rund um den Filmmagnaten Artur Brauner herausstellte und uns somit die zweite Hälfte des Jahres zu regelrechten Hölle machte. Nicht nur die Liebe zu dem Kino, sondern auch meine Liebe zu der Arbeit und der Branche wurde damit weitestgehend zerstört, weshalb es wohl keine größere Enttäuschung in 2020 geben kann als diese.
- Gnadenlose Machtdemonstration der Filmverleiher und Aufschwung der Streaminganbieter
Corona brachte in vielen Firmen und Institutionen das Beste, in manchen aber auch das Schlimmste hervor. So stellten sich die vielen Filmverleihe als Opfer der Pandemie hin und hielten lange Zeit ihre Filme zurück um möglichst viel Geld aus diesen scheffeln zu können – ohne Rücksicht auf Verluste. Zeitgleich profitierten Streaminganbieter von dem Boom der häuslichen Quarantäne und der Gebundenheit an die eigenen vier Wände und nutzten die Chance, die Kinobranche an den Abgrund der Finanzierbarkeit zu stoßen und somit sich einen eigenen Vorteil im ewigen Wettbewerb aufzubauen. Statt einem harmonischen Miteinander, welches für alle positiv hätte sein können, wurden die Ellenbogen überall ausgefahren und jeder machte sein eigenes Ding – alles auf Kosten der Kultur. Die Folgen werden jedoch wohl erst nach der Pandemie wirklich alle zu spüren bekommen…
Meist erwartete Filme/Serien 2021
- The French Dispatch
Eigentlich war dieser Film schon für 2020 angesetzt und hat mich frühzeitig neugierig gemacht. Grund dafür ist natürlich der unfassbare Cast rund um Timothée Chalamet, Bill Murray, Tilda Swinton, Benicio del Toro, Frances Mc Dormand, Léa Seydoux, Adrien Brody, Owen Wilson, Saoirse Ronan, Jeffrey Wright, Elisabeth Moss, Mathieu Amalric, Willem Dafoe, Jason Schwartzman, Christoph Waltz, Henry Winkler, Edward Norton, Kate Winslet und viele mehr. All diese Großmeister der Filmbranche wurden von keinem geringeren als Wes Anderson zusammengetrommelt, was zusätzlich ein spektakuläres Meisterwerk verspricht.
- Reminiscence
Zwar ist noch nicht viel über den Film bekannt, doch machen auch hier vor allem die Schauspieler:innen neugierig auf das zu erwartende Event. Unter anderem bekommen wir nämlich Hugh Jackman endlich wieder auf der Leinwand zu sehen, begleitet von Rebecca Ferguson.
- Uncharted
Auch ich habe das gleichnamige Spiel auf der Konsole gezockt und war überwältigt von der Intensität und Qualität. Umso neugierig lässt es mich aufhorchen, dass nun ein entsprechender Film als Sequel veröffentlicht werden soll und das auch noch mit Darstellern wie Tom Holland, Mark Wahlberg und Antonio Banderas, Schon jetzt kann ich den Sommer kaum abwarten, wenn dann endlich, einen Tag nach meinem Geburtstag der Film über die Kinoleinwände flimmert.
Top Filme 2020
Einer der wenigen Blockbuster dieses Jahr, aber dafür einer der es in sich hatte wie kein anderer. Nicht nur erzählerisch, auch visuell verknüpft Christopher Nolan in seinem Film verschiedene Ebenen und verwebt dies zu einer Geschichte über Träume, Zeitreise und die Realität, welche nun mehr als brüchig erscheint. Großartig neben den Bildern ist auch die Filmmusik von Lukas Göransson.
Roy Anderssons berichtet in seinem Episodenfilm über die kleinen Menschen, das kleine Glück, aber dafür mit großen Gefühlen. Es sind hellsichtige Einsichten und visuell berauschende Momente, die man sich als Kinozuschauer nicht entgehen lassen sollte und bald im Heimkinos nachholen kann. Mit Über die Unendlichkeit legt Andersson einen seiner besten Filme vor.
So richtig überzeugen konnte das Programm der diesjährigen Berlinale eigentlich nicht wirklich, mit der Ausnahme von Christian Petzolds Meerjungfrauenfilm Undine, in welchem er die Legende mit der Geschichte der Stadt Berlin verknüpft, in welcher sich zwei Menschen, gespielt von Paula Beer und Franz Rogowski, begegnen und einander verfallen. Schauspielerisch überzeugend und visuell von großer Schönheit.
Lange hat es gedauert, bis dieser Film endlich einmal ins Kino kam, woran die Pandemie nur eine Teilschuld hatte. Donald Trump hatte einst wenig Gutes über Craig Zobels Film zu sagen, was nicht weiter wundert, zeichnet dieser doch ein wenig schmeichelhaftes Bild der USA wie auch dem Rest der Welt und zeigt den Wahnsinn der politischen Lager, des Statusdenkens und der Rechthaberei in einer schwarzhumorigen Parabel.
Wohl kaum jemand hätte nach den vermurksten Neuauflagen alter Universal-Horror-Titel gedacht, dass Leigh Whannells Neuinterpretation von Der Unsichtbare ein so spannender und relevanter Film sein würde, der über Geschlechterrollen ebenso viel zu sagen hat wie über die Welt der Reichen sowie die Überwachung der Bürger. In der Hauptrolle beweist Elisabeth Moss abermals ihr großes Talent in jedem Genre.
Mit ihrer zweiten Regiearbeit nach dem gefeierten Lady Bird kann Greta Gerwig abermals überzeugen und erzählt eine Geschichte einer Familie, von Generationen von Frauen, über die Ehe als Institution und über Unabhängigkeit, deren Freuden und deren Zwänge. Darstellerisch eine der besten Arbeiten dieses Jahr, die noch einmal das enorme Talent von Darstellern wie Florence Pugh und Saoirse Ronan unterstreicht.
Ercan Kesal hat sich in erster Linie als Darsteller vor allem in den Werken seines Landsmanns Nuri Bilge Ceylan einen Namen gemacht, aber wenn es Gerechtigkeit im Filmgeschäft geben sollte, dann sollte seine Regiearbeit You Know Him, bei welcher er auch als Drehbuchautor und in der Hauptrolle mitwirkte, in den deutschen und internationalen Kinos erscheinen. Nicht nur erzählt er von seiner Heimat und dessen politischer Kaste, sondern weiß auch sehr viel über die Rolle des Politikers an sich zu sagen, über den Kontrast zwischen Image und tatsächlicher Person.
Nach Ich seh, ich seh legt das Regieduo Severin Fiala und Veronika Franz seine zweite Zusammenarbeit vor und die hat es in sich. In The Lodge legt Darstellerin Riley Keough eine wahre Glanzleistung hin als eine Frau, die in einer eingeschneiten Hütte mit den Kindern ihres Verlobten ihre Ängste konfrontieren muss, wenn sie überleben will. Mit diesem Film beweisen sich Franz und Fiala als detailverliebt und als Meister des gehobenen, smarten Spannungskinos.
Dieses Jahr war ein starkes Jahr für das iranische Kino, welches mit Arbeiten wie beispielsweise Shahram Mokris Careless Crime oder eben Massoud Bakhshis Yalda – A Night for Forgiveness international auf sich aufmerksam machte. In einer fiktiven Interviewshow geht es wortwörtlich um Leben und Tod, denn es liegt in der Hand einer Frau, über das Leben einer anderen zu entscheiden. Bakhshi zeigt ein bitteres, nachdenklich machendes Bild seiner Heimat, in der Politik, Gesellschaft und Religion auf teils problematische Weise miteinander verbunden sind.
Der Name Joe Begos gehört spätestens seit seinem Film Bliss zu den Talenten, die man im Auge behalten sollte und mit VFW legt er einen Thriller vor, der nur so Nostalgie und Blut sprüht und auf den Fantasy Filmfest – White Nights im Frühjahr 2020 zu den klaren Publikumslieblingen zählte. Sehr zurecht, denn alleine wegen seines Soundtracks und seiner Darsteller gehört VFW zu den Pflichtfilmen eines jeden Genreliebhabers.
Top Serien 2020
Ich bin kein Fan von Serien, weil es meist so ist, dass sich spätestens in der zweiten Staffel, wenn nicht sogar schon in der zweiten Folge die Geschichte wiederholt und alles auserzählt ist bzw. keine Überraschungen mehr kommen. Anders sieht es aus bei Ein guter Mensch, der völlig zu Recht hochgelobten Serie von Regisseur Onur Saylak und Autor Hakan Günday. Die Geschichte eines an Alzheimer erkrankten, ehemaligen Gerichtsschreibers, der sich vorgenommen hat, ein Verbrechen der Vergangenheit zu ahnden, bevor er alles vergisst, ist spannend, abgründig und immer wieder überraschend.
Während die erste Staffel noch hinter dem Vorbild American Horror Story zurückblieb, so hat sich die Serie von Autor und Produzent Aaron Martin spätestens mit der dritten Staffel sehr gemacht. Ausgangspunkt liefert abermals das Horror- speziell das Slashergenre in der Tradition von Halloween oder Scream, wobei noch viele andere Themen wie das soziale Gefüge der USA, die Medienobsession sowie Rassismus angesprochen werden.
Mit Shadowplay lief im deutschen Fernsehen gegen Ende des Jahres eine ambitionierte und hochgradig besetzte Serie, die in den unmittelbaren Nachkriegsjahren in Deutschland, genauer gesagt in Berlin spielt. Die Geschichte des New Yorker Polizisten Max, dessen Auftrag es ist in diesem unübersichtlichen Hexenkessel, in welchem sich Zuständigkeiten überschneiden, die Polizei nach US-Standard auszubilden entwickelt sich zu einer packenden Mischung aus Drama und Thriller, welche bisweilen an Werke wie Der dritte Mann erinnert.
Top Schauspielerin 2020
- Nina Hoss
Neben Serien wie Shadowplay konnte man Nina Hoss dieses Jahr in Filmen wie Pelikanblut – Aus Liebe zu meiner Tochter (den ich immer noch nicht gesehen habe), Das Vorspiel und Schwesterlein sehen. Alleine die Unterschiedlichkeit der Projekte unterstreicht die Wandelbarkeit einer Darstellerin wie Hoss, die den Zuschauer durch ihr sensibles und kluges Schauspiel Teil haben lässt an den inneren Vorgängen ihrer Figuren.
Top Schauspieler 2020
- Haluk Bilginer
Ein wichtiger Grund, warum eine Serie Ein guter Mensch einen solchen Eindruck beim Zuschauer hinterlässt, ist Haluk Bilginer in der Rolle des an Alzheimer erkrankten Agâh Beyoğlu. Bisweilen an Bryan Cranstons Walter White aus Breaking Bad erinnernd ist auch Agâh ein an sich normaler, etwas spießiger Charakter, bei dem es durch die Diagnose zu einer Umkehr kommt. Beeindruckend spielt Bilginer einen Mann, der gegen das Vergessen kämpft und dabei gleichzeitig versucht die eigenen, durch sein Handeln hervorgerufenen Erinnerungen zu kontrollieren.
Top Newcomer 2020
- Taylor Hickson
Wenn es einen Grund gibt, sich Motherland: Fort Salem bei Amazon Prime anzusehen, dann ist dies Taylor Hickson in der Rolle der Raelle Collar. Durch ihre Darstellung als Unangepasste und Zweifelnde in einem Regime, welches Gehorsam und Konformität einfordert, spielt Hickson eine Rebellin, beweist großes Einfühlungsvermögen und Klugheit. In kleinen Rollen hat Hickson bereits in vielen Projekten mitgespielt, jetzt wird es einmal Zeit für eine Hauptrolle in einem Kinofilm.
Meine Höhepunkte 2020
- Dawn Of The Dead – 4K Restauration
Wer hätte gedacht, dass der letzte Kinobesuch für viele bereits Ende Oktober stattfinden würde. Einerseits ist dies traurig, doch andererseits stimmt es etwas versöhnlich, wenn dies – wie in meinem Falle – die restaurierte Version des Klassikers von George A. Romero war, die mit viel Liebe aufgewertet wurde. Gerade in diesem Jahr, in dem ein Jeff Bezos Rekordeinnahmen verbuchen durfte und ein Reality TV-Star im Weißen Haus tobte, ist Romeros bitterböser Film eine mehr als passende Metapher für Konsumdenken, Ressentiments und Aggression innerhalb der Gesellschaft, die uns davor bewahrt, uns den wirklich wichtigen Problemen zu widmen.
- Parasite gewinnt Bester Film
Die Oscar-Verleihung gehört zwar für viele zu den Pflichtterminen im Jahr, aber wirklich herausragend sind die Gewinner nicht immer. In diesem Jahr allerdings hat die Academy vieles richtig gemacht, wobei der Oscar als Bester Film für Bong Joon-hos Parasite wohl die herausragendste Entscheidung war und mehr als verdient.
- Heimkino
Auch in diesem Jahr gab es wieder eine ganze Reihe von sehr empfehlenswerten und tollen Veröffentlichungen von Koch Media, Turbine, Midori Impuls, Studiocanal und Capelight (um hier nur einige Beispiele zu nennen), die sich sehen lassen können. Darunter sind sicherlich die Ultimate Editions von Dawn of the Dead oder American Werewolf in London oder aber die zahlreichen Mediabooks zu Titeln wie Sputnik, Why Don’t You Play in Hell? oder Harpoon, die durch ihre Ausstattung und Design eindrücklich klarmachen, wie schön es ist, trotz eines reichhaltigen Streamingangebotes immer noch Filme zu kaufen und zu sammeln.
Meine größten Enttäuschungen 2020
- Kulturfeindlichkeit
Eigentlich hätte man auch Kinoschließungen als ersten Punkt nennen können, doch dieser Punkt alleine reicht nicht aus, um ein im Grunde immer wieder kulturfeindliches System zu umfassen, welches auf der einen Seite für die Reise- und Autoindustrie Millionen ausgibt, aber auf der anderen Seite es nicht für nötig befindet, den durch Corona arbeitslosen oder an den Rand des Ruins getriebenen Künstlern pünktlich und zuverlässig Hilfe zukommen zu lassen. Warum gerade Kinos, Theater oder Museen, welche doch über funktionierende Hygienepläne verfügten, abgestraft werden, andererseits Schulen (wie in NRW) offen bleiben, ist eines der größten Rätsel 2020.
- Blockbuster
Ähnlich kulturfeindlich verhalten sich auch die großen Studios, welche es dieses Jahr vorzogen, ihre großen Blockbuster – mit wenigen Ausnahmen – ins nächste Jahr zu verlegen. An sich lässt sich dieses Vorgehen noch irgendwie verstehen, aber die Ankündigung, man würde dann Filme wie Dune oder Wonder Woman 1984 parallel im Kino und als Stream verfügbar machen, deutet auf eine den Kinos feindlich gesonnene Politik hin, welche letztlich auch den Künstlern schadet und wahrscheinlich der Qualität der Filme.
Groß war die Vorfreude auf den neuen Film von Sacha Baron Cohen, für welchen er den Charakter des rassistischen und frauenfeindlichen Borat wieder zum Leben erweckte, doch welche Ernüchterung machte sich breit, als der Film dann endlich auf Amazon Prime lief. Abgesehen von der Darstellung Maria Bakalovas ist dieses müde Machwerk nicht nur pointenarm, sondern verfehlt auch immer wieder sein Ziel, nämlich die USA unter Trump bloßzustellen.
Meist erwartete Filme/Serien 2021
- James Bond 007: Keine Zeit zu Sterben
Was lange währt, wird endlich gut und für wohl kaum einen anderen Film gilt dies mehr als den schon mehrfach verschobenen fünften und letzten Teil der Reihe mit Daniel Craig in der Rolle des Doppelnull-Agenten mit der Lizenz zum Töten. In den letzten Teilen legte die Reihe immer mehr an Qualität zu und man darf nach wie vor gespannt sein, wie es sich mit diesem von Cary Joji Fukunaga inszenierten Teil verhält.
- John Wick: Chapter 4
Nach drei sehr erfolgreichen und sehr gelungenen Filmen darf man gespannt sein, wie es um den von Keanu Reeves gespielten Auftragskiller weitergeht. Einen gelungenen Cliffhanger hatte der dritte Teil ja und man darf wohl abermals ein Actionfeuerwerk erwarten, welches Standards setzt.
- Matrix 4
Keanu Reeves zum Zweiten. Auch wenn der letzte Teil der ursprünglichen Trilogie eher gewöhnungsbedürftig war, so bin ich persönlich sehr gespannt, wie Regisseurin Lana Wochowski die Sage um Neo und seinen Kampf gegen die von Maschinen kontrollierte Welt weiterspinnen wird.
Top Filme 2020
So sieht eine progressive Romanadaption aus! Greta Gerwigs Drehbuch ist für mich das intelligenteste und einfühlsamste des Jahres und Laura Dern, Saoirse Ronan und Florence Pugh beweisen, warum sie zu den aktuell meistgefragten Schauspielerinnen zählen.
- Mangrove
Der erste Film aus Steve McQueens Mangrove-Pentalogie, der in Deutschland unverdientermaßen nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. McQueen verbindet im Film die wahre Geschichte des afro-karibischen Restaurants „The Mangrove“ im Londonder Stadtteil Notting Hill mit einem packenden Gerichtssaal-Drama.
Der wohl interessanteste und komischste Film des Jahres ist die gelungene Geschichte der jungen Old Dolio. Mit Leichtigkeit überschreitet Miranda Julys Film Genregrenzen und stellt dabei wichtige Fragen nach Zugehörigkeit, Familie und Freundschaft.
- Education
Im abschließenden Film der Small Axe-Reihe beweist Steve McQueen einmal mehr sein Talent dafür, Stimmen Gehör zu geben, die bisher ungehört waren. Fast schon mit dokumentarischer Präzision begleitet Education den jungen Kingsley Smith durch das britische Schulsystem und ist ein schonungsloses Exempel davon, wie tief Rassismus institutionell und strukturell verankert ist.
Sound of Metal ist für mich persönlich die größte Überraschung des Jahres. Das feinfühlige Drehbuch und starke Leistungen von Riz Ahmed und Paul Raci vor der Kamera sorgen gepaart mit einem genialen Sounddesign für runden Filmgenuss. Unfassbar schade, dass der Film auf der großen Leinwand wahrscheinlich nicht zu sehen und hören sein wird.
- Lovers Rock
Bis heute klingt der im Film sehr prominente Song Silly Games von Andra Kay in meinen Ohren wider. Lovers Rock, der zweite Film in Steve McQueens Small Axe-Reihe, drückt das Verlangen loszulassen, mit seinen Freunden eine gute Zeit zu verbringen und hemmungslos zu tanzen aus wie kein anderer Film dieses Jahr – und ist damit ein schmerzhaftes Zeugnis für das, was im Lockdown besonders fehlt.
Von der ersten bis zur letzten Minute ist in Rian Johnsons Whodunit Spannung und Humor garantiert. Der Film brilliert mit seinem scharfsinnigen Drehbuch und einem großartigen Ensemble, angeführt von Daniel Craig.
Als wir tanzten ist der erste Film, den ich nach vier Monaten Leinwandentzug im Kino sehen durfte. Levan Akins Film ist ein optisch ansprechender Einblick in eine andere Welt, die des georgischen Tanzes. Der Film überzeugt mit imposanter Musik, und einer herzzerreißenden Geschichte, in der die Liebe einmal mehr gegen traditionelle Wertvorstellungen antreten muss.
In Eliza Hittmans sozialrealistischem Drama liefert Newcomerin Sidney Flanigan als junge und ungewollt schwangere Autumn die Performance des Jahres ab. Im Film werden auf sensible Weise und ohne lautstarke Parteinahme wichtige Themen angesprochen. Niemals Selten Manchmal Immer hat verdientermaßen einen wichtigen Platz im feministischen Kino eingenommen.
In Deutschland erschien die für mich persönlich beste Dokumentation des Jahres still und wenig öffentlichkeitswirksam auf dem neu gestarteten Streamingdienst Apple TV+. Völlig zu Unrecht! Boys State ist im Jahr der Präsidentschaftswahl ein hochaktuelles und sensibles Portrait junger Männlichkeiten und dem Wettbewerb, in dem diese zueinander stehen. Gleichzeitig fungieren die Protagonisten im Film als Spiegel amerikanischer Politik und Gesellschaft.
Top Serien 2020
- I May Destroy You
Im sensibel geschriebenen und unfassbar gut gespieltem Drama I May Destroy You diskutiert Michaela Coel das wichtige Thema der sexualisierten Gewalt, ohne auf einfache Antworten zurückzugreifen. Coel beweist dabei als Hauptdarstellerin, Regisseurin, Autorin und Produzentin riesiges Talent vor und hinter der Kamera.
- Sex Education – Staffel 2
Auch die zweite Staffel der britischen Drama-Serie beweist, dass High School-Serien durchaus noch mit Originalität, Relevanz und Humor punkten können. Dabei ist das thematische Spektrum und die Tiefe der Charaktere in der zweiten Staffel noch weiter als im Jahr zuvor.
- The Crown – Staffel 4
Die Serie über das britische Königshaus weiß auch nach vier Jahren zu überzeugen. Selbst in Momenten, in denen scheinbar wenig passiert, zieht die Königsfamilie den Zuschauer in den Bann. Über allem thront dabei Olivia Colman, die die Rolle der Monarchin mehr auf den Leib geschrieben scheint als Elizabeth Windsor selbst.
- Killing Eve – Staffel 3
Erneut verbindet Killing Eve Kriminalgeschichten gekonnt mit obsessiver Romantik. Dabei beeindrucken Sandra Oh und Jodie Comer aufs Neue mit ihrer Harmonie vor der Kamera. Auch wenn die dritte Staffel nicht an die inhaltliche Tiefe ihrer Vorgänger herankommt, garantiert die Verfilmung der Villanelle-Geschichten weiterhin gute Unterhaltung.
In meinem Leben habe ich bisher noch kein Schachbrett angerührt und auch nach dem Ansehen der Miniserie plane ich nicht, mir ein Set anzulegen. Trotzdem kam bei mir bei der Serie kaum Langweile auf, was zum großen Teil an Anya Taylor Joy liegt, die durch ihre geniale Schauspielleistung bei jedem Zug der jungen Beth Harmon – auf und abseits vom Schachbrett – zum mitfiebern zwingt.
Top Schauspielerin 2020
Vom Anfang des Jahres erschienenen Emma. habe ich zugegebenermaßen deutlich mehr erwartet. Dass ich den Kinosaal trotzdem nicht enttäuscht verlassen habe, lag zum großen Teil an der Anya Taylor Joy. Diese verkörpert Hauptcharakter Emma Woodhouse mit einer Hingabe und Emotionalität, die der legendären Romanvorlage von Jane Austen gerecht wird. In der im Oktober erschienenen Miniserie Das Damengambit toppt Taylor-Joy ihre Leistung ein weiteres Mal und macht Vorfreude auf ihre Auftritte in Last Night in Soho und The Northman, die in diesem Jahr erscheinen sollen.
Top Schauspieler 2020
- Chadwick Boseman
In seinen Auftritten in Ma Rainey’s Black Bottom und Da 5 Bloods beweist Chadwick Boseman in vollständig unterschiedlichen Rollen ein letztes Mal, dass er das Prädikat Ausnahmeschauspieler verdient. Bosemans Präsens wird auf der Kinoleinwand schmerzlich vermisst werden. Trotz überschaubarer Filmografie hinterlässt Boseman ein großes Vermächtnis. Konstant gelang es Boseman, die Messlatte für Schauspieler in Hollywood höher zu legen und vergaß dabei nie, seine Stimme für Gerechtigkeit und den Kampf gegen Rassismus zu nutzen.
Top Newcomer 2020
- Sidney Flanigan
In Niemals Selten Manchmal Immer verkörpert Sindey Flanigan die komplexe und emotionale Rolle der jungen Autumn mit Leichtigkeit. Dazu gibt sie im Film einem schwer greifbaren Thema einen authentischen und nahbaren Kopf. Kaum zu glauben, dass die 21-jährige im Sundance-Drama ihr Schauspieldebüt gab.
Meine Höhepunkte 2020
- Sundance Film Festival
Aufgrund eines Auslandsaufenthaltes hatte ich das große Glück, im Ende Januar eine Woche in Utah beim Sundance-Festival zu verbringen. Neben der unfassbaren Vielfalt auf der Leinwand war das Festival der beeindruckende Beweis, dass Kino viel mehr ist als nur der Film selbst. Die Vielzahl an Diskussionen, der Austausch zwischen Regisseuren, Schauspielern, Publikum und selbst das ein oder andere Gespräch in der Warteschlange haben mich noch bis zum Ende des Jahres begleitet.
- Frauenpower hinter der Kamera
In der über 90-jährigen Geschichte der Academy Awards ging nur ein Oscar für die beste Regie an eine Frau und bis heute ist unter den 50 finanziell erfolgreichsten aller Zeiten nur einer, bei dem eine Frau Regie geführt hat. Einmal mehr bewiesen Filme wie Little Women, Niemals Selten Manchmal Immer und Kajillionaire dieses Jahr das große und noch viel zu häufig übersehene Talent von Frauen hinter der Kamera. Es bleibt zu hoffen, dass Publikum, Produktionsfirmen und Preisverleihungen das ähnlich sehen und die Leistung von Regisseurinnen in Zukunft angemessen honorieren.
- Filmfest Hamburg
Nach der Berlinale im Februar sah es lange Zeit nicht danach aus, dass in Deutschland 2020 ein weiteres Filmfest in Anwesenheit von Publikum und Filmemachern hätte stattfinden können. Das Organisationsteam des Filmfests Hamburg stellte in diesem September trotz schwieriger Umstände ein interessantes und vielfältiges Programm zusammen, das mit gutem Hygienekonzept im Kinosaal und digital zu Hause genossen werden konnte.
Meine größten Enttäuschungen 2020
- Kino und Filmkultur in Corona-Zeiten
Es fällt schwer, mehr als nur eine Enttäuschung zu finden, wenn die erste so groß ist: Etwa sechs Monate lang waren die deutschen Kinosäle in diesem Jahr geschlossen. Gerade die kleinen Kinos sind mehr als je zuvor von der Schließung bedroht. Auch am viele Film beteiligte Menschen wie Kostüm- und Maskenbildner oder Ton- und Kameraleute sind in diesem Jahr in finanzielle Notsituationen geraten. Die Tage, bis ein Kinobesuch wie vor der Pandemie wieder möglich ist, werden – auch wenn ein schnelles Ende leider weiterhin nicht absehbar ist – schmerzlich gezählt.
Meist erwartete Filme/Serien 2021
Nach zwei Terminverschiebungen ist Wes Anderson im nächsten Jahr hoffentlich zurück. Der Regisseur von Meisterwerken wie Grand Budapest Hotel oder den Royal Tenenbaums schraubt die Erwartungen an The French Dispatch mit einem Ensemble, das mehr Oscarnominierungen auf sich vereint, als man zählen kann, ordentlich in die Höhe.
- The Underground Railroad
Nach Moonlight und Beale Street hat sich Berry Jenkinks mit The Underground Railroad an die Verfilmung einer meiner Lieblingsromane der letzten Jahre gemacht. Im kommenden Jahr soll die alternative Geschichte des amerikanischen Anti-Sklaverei-Netzwerks als Miniserie auf Amazon erscheinen. Ein erster optisch beindruckender Teaser lässt auf großes hoffen.
- The Eternals
Normalerweise gehören Superheldenfilme nicht zu den Filmen, die ich sehnlichst erwarte. Trotz überschaubarer Erfahrung gehört Cloé Zhao mittlerweile zu einer meiner Lieblingsregisseurinnen. Was Zhao, die bisher fast ausschließlich mit Laiendarstellern und überschaubarem Produktionsdesign gearbeitet hat, mit dem großen Marvel-Budget anstellt, ist eine der aufregendsten Fragen des kommenden Kinojahres für mich.
Top Filme 2020
Ein wohlig warmer herzensguter Film von Greta Gerwig den das turbulente 2020 einfach gebraucht hat.
- DAU. Degenration
Ein 6-Stunden-Kraftakt, der an den Nerven zehrt, einen schockiert und ausgelaugt zurücklässt, aber trotzdem ein gelungenes wie faszinierendes und kaum vergleichbar filmisches Experiment aus Russland ist.
Still und leise trifft der Film genau dort wo es am meisten schmerzt. Berührend, bewegend und herzzerreißend ehrlich.
Außergewöhnlich, überraschend und trotz der Dramatik um Verlust und Tod immer lebensfroh und einfach liebenswert.
Eine subtile und perfektionierte detailreiche Bildsprache, die einen leisen Film hervorbringt, der gewaltig Eindruck hinterlässt, Unbehagen hervorruft und laut und deutlich nachhallt.
Unbequem, unnachgiebig und den Finger in die offene Wunde legend, avancierte Exil zu einem der besten deutschen Filme der letzten Jahre.
Über allem erhaben, treibend und ins Unbekannte lockend. Ema verführt unbemerkt und lässt einen die kurze Illusion von Freiheit genießen, bevor man sich dem alles einnehmenden Bann nicht mehr entziehen kann.
Sensibel, erschütternd und gleichzeitig wahnsinnig zerbrechlich sowie wunderschön. Ein Leinwanderlebnis, bei dem die Farben eine ganz eigene Ebene bilden, die bleibenden Eindruck hinterlässt.
Junges deutsches Kino, das mit viel Selbstbewusstsein neue Gefilde betritt und nicht nur innerhalb der Geschichte, sondern auch für den deutschen Film nach Revolution schreit.
Es ist bunt, schrill, völlig skurril, Nicolas Cage spielt mit und es gibt Alpakas. Eine polychrome metaphysische Seherfahrung, die Ihresgleichen sucht.
Meist erwartete Filme/Serien 2021
- The Green Knight
Als bekennender Fan von David Lowery gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass es mit dem Kinostart des neuen Werkes dann in diesem Jahr klappt, nachdem ich schon sehnsüchtig in 2020 darauf gewartet habe.
- We are who we are
Die erste Serie von Luca Guadagnino, der mir vor ein paar Jahren meinen absoluten Liebling Call Me by Your Name beschert hat. Natürlich erwarte ich den deutschen Start mit Spannung.
- The Northman
Nach The Witch und Der Leuchtturm muss der neue Streifen des bemerkenswerten Regisseurs des Psychohorrors auf die Liste. Nicht zuletzt auch wegen dem wieder einmal glänzenden Ensemble, das für den Film gewonnen werden konnte.
Top Filme 2020
Einer der wenigen von mir heiß ersehnten Filme, die auch tatsächlich 2020 erschienen – Netflix sei Dank. Der Film beginnt langsam, wird dann sehr seltsam und verwandelt sich in eine der schmerzhaftesten Erfahrungen, wenn Erinnerungen, Einsamkeit und Einbildung zu einem surrealen Gefängnis verschmelzen.
Als bekannt wurde, dass Greta Gerwig nach dem wunderbaren Lady Bird einen Kostümfilm dreht, war ich zuerst enttäuscht. Doch ihre intelligente und charmante Neuverfilmung des Romanklassikers um vier Schwestern zeigt, wie bekannte Stoffe relevant und zeitgemäß aufgearbeitet werden können. Und dann noch dieses Ensemble …
Es waren lange sechs Jahre, bis sich Tomm Moore endlich mal wieder zurück meldete. Aber dafür schuf er wieder ein Animationsmeisterwerk, das stilistisch einen Großteil der Konkurrenz klein und gewöhnlich erscheinen lässt und mit seiner ökologischen Botschaft ins Herz trifft.
Einer von so vielen Filmen, die Disney mangels Kinomöglichkeit auf dem eigenen Streamingdienst ablud. Aber der einzige, der wirklich zählt: Die etwas versponnene Geschichte um die Suche nach dem eigenen Sinn ist witzig, wunderschön und spendet Trost in einer Welt, die mit falschen Versprechungen und Erwartungen so viel kaputt macht.
Den deutschen Schulklassiker als Kommentar zur aktuellen Flüchtlingslage? Das kann auch nur Burhan Qurbani einfallen, der seit Jahren filmisch gegen Rassismus ankämpft. Doch seine Neuinterpretation ist kein verkopftes Zeigefingerdrama, sondern opulent-verspieltes Gefühlskino, das einem den Atem raubt.
Kriegsfilme sind aufgrund ihres Hangs zum fragwürdigen Heroismus eher selten mein Ding. Doch Sam Mendes und vor allem Kamerakünstler Roger Deakins gelangen es, aus einer Nichtgeschichte ein mitreißendes Nonstop-Erlebnis zu machen, wie man es in der Form noch nicht gesehen hatte.
Ein Metal-Musiker, der sein Gehör verliert? Klingt nach tränenreichem Betroffenheitsdrama. Stattdessen ist Sound of Metal ein hervorragend gespieltes, auch soundtechnisch interessantes Werk über eine vielschichtige Figur und die Suche nach dem Leben danach.
Eine Gaunerfamilie versucht, mithilfe der unmöglichsten Tricks durchs Leben zu kommen. Das ließ eine Krimikomödie erwarten, mischt dies aber mit Coming-of-Age-Momenten zu einer skurrilen und warmherzigen, teils sehr traurigen Achterbahn durch ein Leben abseits der regulären Bahnen.
Benjamin Lavernhe gehört für mich zu den besten derzeitigen Komödianten Frankreichs, der mit Charme und Witz selbst mittelmäßige Filme sehenswert macht. Hier bekommt er endlich einmal ein gutes Drehbuch und darf als Neurotiker glänzen, der eine Rede halten soll. Das ist bissig, schön verspielt und dabei trotz allem sehr menschlich.
Wenig attraktiver Titel, toller Film. Shithouse erzählt von einem jungen Studenten, der erstmals von zu Hause auszieht und in der großen Stadt völlig überfordert ist. Selten durfte man auf eine so zu Herzen gehende Weise sehen, was sonst oft niemand aussprechen mag: Es ist völlig okay, wenn dein Leben Scheiße ist.
Top Serien 2020
Sechs Folgen, die 15 Jahre im Leben einer englischen Familie zeigen. Hervorragend gespielt wird der sympathisch kaputte Chaoshaufen zum Spiegel einer sich verändernden Welt, inklusive zahlreicher Gesellschaftskommentare, futuristischer Visionen und Gefühlen, die damit nicht Schritt halten können.
Eine Serie über den russischen Adel, komplett von Briten gespielt. Normalerweise hasse ich solche Aneignungen ja. Hier wurde aus dem Manko aber eine rotzfreche Tugend gemacht, wenn eine idealistische Braut und ein frauenfeindlicher Schnösel im Mittelpunkt völlig überzogener Intrigen werden.
Teils Science-Fiction, teils Mystery, teils Drama ist Tales from the Loop eine Serie, die nicht wirklich zu fassen ist. Doch wer sich auf dieses etwas andere Dorfporträt einlassen kann und eben keine Auflösung erwartet, taucht ein in eine wunderbar bebilderte, melancholische Welt.
Was passiert, wenn ein wild zusammengewürfelter Haufen auf eine Schnitzeljagd quer durch die Stadt geht? Die Antwort weiß bei diesem seltsamen Genremix niemand so genau. Dafür ist die Serie eine der heilsamsten der letzten Zeit, wenn Wildfremde zusammenfinden und sich dabei selbst finden. Ein willkommenes Gegenmittel, wenn man gerade wieder an der Welt da draußen verzweifelt.
Eine Multi-Kulti-Begegnung in der Musikszene von Paris: Das hat weder den Wohlfühlkitsch noch die Powerballaden, wie man sie in US-Musikfilmen so oft findet. Stattdessen tauchen wir ein in eine ganz eigene Welt, getrieben von Leidenschaften, der Sehnsucht nach Ausdruck und Schmerz.
Top Schauspielerin 2020
Ich sehe die deutsche Schauspielerin grundsätzlich immer gerne. Mit Leif in Concert Vol. 2 durfte sie dann auch ihren ganzen natürlichen Schnoddercharme unterbringen und dazu beitragen, dass die Liebeserklärung an die Kneipe von nebenan im Jahr der Corona-Entfremdung so richtig unter die Haut ging.
Top Schauspieler 2020
Auch wenn man sich über das Ergebnis manchmal streiten kann, Schuch hat in den letzten Jahren doch eine recht interessante Mischung aus Filmen gedreht. Und selbst wer die alle gesehen hat, kam bei Berlin Alexanderplatz nicht aus dem Staunen heraus, wenn er als irrlichtender Springteufel Szene um Szene an sich reißt.
Top Newcomer 2020
- Cooper Raiff
Er führte bei Shithouse Regie, schrieb das Drehbuch, produzierte, übernahm die Hauptrolle und schnitt am Ende alles zusammen. Das ist ein bisschen viel für einen Debütanten. Und doch ist die mit gestohlenem Equipment und an nicht autorisierten gedrehte Tragikomödie ein Musterbeispiel des Indiekinos und lässt auf noch viel mehr hoffen.
Meine Höhepunkte 2020
- Solidarität unter Filmschaffenden
Wenn die Politik schon nicht hilft, müssen wir das eben selbst tun. Es war schön zu sehen, wie viele Initiativen den Kinos helfen wollten. Kleine Verleihe und Online-Festivals beteiligten die Kinos an ihren Einnahmen, die Branche entdeckte im Kleinen eine Solidarität, die bei den Großen und Einflussreichen oft gefehlt hat.
- Online-Festivals
Klar, sich daheim durchs Festivalprogramm zu wühlen, macht nicht so viel Spaß wie unter Gleichgesinnten. Dafür konnte ich 2020 auch mal an Festivals in Annecy, Mannheim, Braunschweig oder Hamburg teilnehmen, was sonst zeitlich einfach nicht geht. Und bis auf wenige Ausnahmen hat das technisch alles richtig gut funktioniert.
- Besucherzuwachs
Auch wenn Stolz so ne Sache ist, bin ich doch richtig stolz, dass sich unsere Besucherzahlen im letzten Jahr noch einmal mehr als verdoppelt haben. Und das obwohl wir weiterhin mit kleinen Festivals zusammenarbeiten und viel mit Nachwuchsfilmschaffenden sprechen, die natürlich weniger Klicks bringen.
Meine größten Enttäuschungen 2020
- Falsche Freunde
Dass Filmseiten auch wirtschaftlich rechnen müssen, ist klar. Aber es ist ein Schlag ins Gesicht, wenn sie sich als Unterstützer der Kinos verkaufen, dabei aber viele Initiativen und kleine Filme ignorieren, nur um lieber zehn belanglos-reißerische News zum selben Netflix-Film zu bringen. Sorry, aber so trägt man auch zum Tod einer Branche bei, die einem angeblich so sehr am Herzen liegt.
Normalerweise habe ich kein Problem damit, wenn Filme schlecht sind oder nicht meinem Geschmack entsprechen. Andere dürfen sich anschauen, was sie wollen. Über den hier habe ich mich aber wahnsinnig geärgert. Wenn sexuelle Nötigung als Romantik verkauft wird und zahlreiche Frauen das bereitwillig akzeptieren, nur weil der Hauptdarsteller gut aussieht, dann zeigt das: #MeToo war irgendwie doch fürn Arsch.
- Schmerzlicher Abschied
Wie jedes Jahr hieß es auch 2020, sich von zahlreichen Filmschaffenden verabschieden zu müssen. Doch unter den vielen traurigen Ereignissen hat mich der Tod von Diana Rigg am meisten getroffen, die als schlagkräftige und schlagfertige Schauspielerin mit gemeinem Humor ihrer Zeit meilenweit voraus war und einen speziellen Platz in meinem Leben einnimmt. Danke Mrs. Peel, Sie wurden gebraucht!
Meist erwartete Filme/Serien 2021
Meine Nummer eins aus dem Vorjahr steht auch dieses Mal weit oben. Wes Anderson geht schließlich immer. Und wenn ich bedenke, wie nah ich schon dran war, diesen Film sehen zu können. Seufz …
Noch so ein Film, auf den ich jetzt schon länger warte. 60s Psychohorror von Edgar Wright? Aber gerne doch! Nach dem Glanzjahr von Anya Taylor-Joy bin ich noch etwas neugieriger. Außerdem ist es der letzte Film mit Rigg.
- My Father’s Dragons
Vier Filme hat das irische Animationsstudio Cartoon Saloon veröffentlicht, alle vier gehören zu den besten Animationstiteln der letzten Dekade. Da bin ich auf Nummer fünf schon sehr gespannt, zumal es dank Netflix-Beteiligung am Budget nicht mangeln sollte.
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