Sightless

Sightless

Kritik

Sightless
„Sightless“ // Deutschland-Start: 20. Januar 2021 (Netflix)

Bei einem brutalen Angriff eines Unbekannten hat Ellen Ashland (Madelaine Petsch) nicht nur ihr Augenlicht verloren, sondern auch ihren Lebensmut. Wie soll die Musikerin jetzt je wieder ein richtiges Leben führen? Erst als sie Layton (Alexander Koch) kennenlernt, der blinden Menschen dabei hilft, wieder zur Selbstständigkeit zurückzufinden, blüht sie ein wenig auf. Doch dafür droht an anderer Stelle neues Unheil, denn sie ist fest davon überzeugt, dass ihr neuer Nachbar seine Frau misshandelt. Nur will ihr das niemand glauben. Und auch Ellen zweifelt zunehmend daran, was real ist und was nicht, wenn ihr ihre Sinne wieder und wieder Streiche spielen …

Der Gefahr ausgeliefert

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, bei einem Thriller oder einen Horrorfilm dem Publikum Angst einzujagen. Ganz oben auf der Liste steht der Kniff, die Hilflosigkeit des Protagonisten bzw. der Protagonistin aufzuzeigen. Wenn Figuren einer Gefahr ausgeliefert sind, ohne wirklich etwas dagegen tun zu können, dann sorgt das automatisch für Spannung. Filme wie Der weiße Hai oder Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt erreichten das, indem das Monster stärker, schneller und zudem gut versteckt ist. Dadurch konnte jeder Moment der letzte sein, wenn man das Pech hatte, besagtem Monster zu nahe gekommen zu sein, das urplötzlich an jeder Stelle auftauchen kann, um dich zu vernichten.

In Sightless nutzt man ebenfalls dieses Element der Hilflosigkeit, erreicht dies aber auf dem Weg einer körperlichen Beeinträchtigung. Unser Alltag ist maßgeblich durch unsere Fähigkeiten bestimmt, sehen zu kennen. Wenn diese auf einmal wegfällt, sei es durch einen Unfall, eine Krankheit oder wie hier durch Gewalt, dann funktioniert praktisch nichts mehr, da wir uns, ohne es zu merken, von unseren Augen abhängig gemacht machen. Regisseur und Drehbuchautor Cooper Karl, der hier einen Kurzfilm noch mal auf Spielfilmlänge ausbreitete, gelingt es dabei ganz gut, aus dieser furchteinflößenden Übergangsphase Kapital zu schlagen, wenn Ellen mit allem überfordert ist, selbst einfachste Aufgaben plötzlich unlösbar erscheinen.

Ich sehe was, das du nicht siehst

Interessant ist dabei vor allem, wie er die visuelle Beeinträchtigung des Films auch inhaltlich nutzt. Wenn Ellen nur sehr begrenzt das wahrnimmt, was um sie herum geschieht, dann ist das eine. Das Publikum sieht sich dabei selbst im Vorteil, kann es doch die gezeigten Bilder einordnen, was zu einem Wissensvorsprung führt. Doch das stellt sich schnell als Irrtum heraus. Sightless zeigt weniger das, was tatsächlich geschieht, sondern die Bilder im Kopf von Ellen. Als Zuschauer und Zuschauerin ist man damit an die Wahrnehmungswelt der Protagonistin gefesselt, kann so wie sie nur erahnen, was da draußen in der „realen“ Welt vor sich geht. Karl nutzt also unsere Abhängigkeit vom Sehen quasi gegen uns.

Dass das mit gezielten Verwirrungen und Täuschungen einhergehen muss, ist klar. Ist das Publikum erst einmal darüber informiert, dass die eigenen Augen nicht der Wahrheit letzter Schluss sind, fangen unweigerlich die Spekulationen an. Das sollte eigentlich zu mehr Möglichkeiten führen, hat aber im Gegenteil zur Folge, dass man viel zu früh weiß, was genau gespielt wird – mangels wirklicher Alternativen. Ohnehin ist Sightless sehr viel weniger clever, als die Beteiligten wohl dachten. Zum Schluss hin wird es sogar richtig dämlich, wenn nicht einmal ansatzweise versucht wird, irgendetwas Plausibles auf die Beine zu stellen. Was eigentlich der spannende Höhepunkt sein sollte, wird ausgerechnet zum Schwachpunkt.

Solide und etwas billig

Doch auch wenn der Film letztendlich nicht so viel aus dem Szenario herausholt, wie möglich und wünschenswert gewesen wäre, handelt es sich doch um einen netten kleinen Psychothriller. Madelaine Petsch (Polaroid) überzeugt in der Rolle der überforderten Blinden, die sich aus ihrem Gefängnis freikämpfen muss. Zusammen mit den gemeinen visuellen Täuschungen reicht das, um sich zwischendurch mal für anderthalb Stunden beschäftigen zu können. Allzu hohe Erwartungen sollte man hieran aber nicht stellen, dafür ist das Ganze am Ende dann doch zu wenig durchdacht und irgendwie billig.

Credits

OT: „Sightless“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Cooper Karl
Drehbuch: Cooper Karl
Musik: Phillip Lober
Kamera: Andrew Jeric
Besetzung: Madelaine Petsch, Alexander Koch, December Ensminger

Trailer

https://www.youtube.com/watch?v=XoPGpZ0xuVQ

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Eine Frau verliert durch einen Angriff ihr Augenlicht und muss mühselig lernen, wieder selbständig zu leben. „Sightless“ macht aus diesem Szenario einen netten, kleinen Psychothriller, wenn das Publikum so wie die Protagonistin nicht mehr auf die eigenen Sinne vertrauen darf. Trotz guter Hauptdarstellerin reicht es aber nur fürs solide Mittelfeld, da die Antworten zu offensichtlich und gleichzeitig unglaubwürdig sind.
6
von 10