Vom ersehnten Abenteuer in Thailans sieht der Student Richard Fischer (Leonardo DiCaprio) bei seiner Ankunft in Bangkok eher wenig, denn die Stadt ist voll von Touristen und auf diese ausgerichtet. Deprimiert und desillusioniert verbringt Richard die Zeit in seinem Hotel, bis ihn eines Tages die lauten Rufe seines Zimmernachbarn (Robert Carlyle) aus dem Schlaf reißen. Dieser erzählt ihm von einem Strand auf einer Insel, die von Touristen noch unberührt ist und wo nur eine kleine Gemeinde von Menschen leben. Als Richard am nächsten Tag seinen Nachbarn weiter befragen will, ist dieser Tod, in seinen Händen eine Karte zu jener Insel. Richard beschließt kurzerhand, seine Sachen zu packen und sich dorthin aufzumachen, in Begleitung von Etienne (Guillaume Canet) und dessen Freundin Françoise (Virginie Ledoyen), auf die Richard bereits Tage zuvor ein Auge geworfen hatte. Nach einer langen und erschöpfenden Reise kommt das Trio schließlich auf der Insel an und wird von der dort lebenden Kommune zunächst verhalten, dann aber freudig empfangen. Sal (Tilda Swinton), deren Gründerin und spirituelle Führerin, weist die drei in die Pflichten und Routinen der Kommune ein. Richard fühlt sich, als ob er zum ersten Mal in seinem Leben wirklich glücklich ist. Jedoch hat das Paradies auch seine Schattenseiten, denn sie Allianz, welche die Kommune mit den Bauern auf der Insel hat, ist prekär und es kommt bald zu internen Konflikten.
Von Gefühlen geleitet
Nachdem seine Verfilmung des Roman Trainspotting von Irvine Welsh zu einem großen Erfolg wurde, machte sich der britische Regisseur Danny Boyle gleich an den nächsten kultverdächtigen Stoff, nämlich Alex Garlands Roman The Beach. Eigentlich hatte Boyle vorgehabt abermals mit Ewan McGregor und Robert Carlyle zusammenzuarbeiten, doch nach dem kommerziellen Erfolg von Titanic bot man ihm wohl seitens des Produktionsstudios viel Geld an, wenn die Titelrolle des Richard an den damaligen Teenieschwarm Leonardo DiCaprio ginge. Zwischen McGregor und Boyle sollte dies noch viele Jahre lang für Dispute und Enttäuschung sorgen, doch auch DiCaprio war man wenig wohlgesonnen, vor allem seitens der Kritik, die vor allem seine Darstellung neben anderen Aspekten ins Kreuzfeuer nahm.
Ohne Frage wäre The Beach wohl ein anderer Film geworden, hätte McGregor die Titelrolle gespielt, zeigte er doch schon als Renton in Trainspotting – Neue Helden eine sehr reife Darstellung als eine Figur, die sich vor allem angetrieben von einer Sucht nach Erlebnissen und neuen Gefühlen in die Drogensucht stürzt. Dennoch wäre es falsch, alleine deswegen die Leistung DiCaprios abzuwerten, der Richard mit einer gewissen Abgeklärtheit spielt, passend für eine Figur, die meint, bereits alles in der Welt gesehen zu haben und angewidert auf das Touristische reagiert. Sein Minenspiel, als er die Horden Urlauber sieht, die sich dick mit Sonnencreme einölen oder sich am Strand betrinken, verweist schon auf ähnliche Charaktere, die er später in seiner Karriere spielen sollte.
Zentral für DiCaprios Leistung sowie die Ästhetik des Filmes, besonders jenen Passagen, die sich in Bangkok abspielen, ist das Suchen von Distanz. Nicht unähnlich eben jenen Touristen, die nach Thailand wegen des billigen Alkohols und der Strände gehen, ist auch Richard einer jener der Amerikanisierung verfallenen Menschen, die bereits schnell vom Neuen gelangweilt sind und ihre Umwelt von einer vermeintlich überlegenen Warte aus beurteilen. Das Exotische kommt in Garlands Vorlage wie auch Boyles Verfilmung mit eben jenen problematischen Assoziationen daher, dies es schon immer hatte, wie dem Wahrnehmen der eigenen Kultur als überlegen sowie einer konsequenten Abschottung vor dieser. Alkohol, Drogen und die Obsession mit Videospielen verweisen auf eine Ich-Sucht, die den Genuss und das Erlebnis bevorzugt, wobei das Unbequeme ausgelassen oder verdrängt wird.
Abseits von jeder Ideologie
Im Grunde passt auch die Kommune im Roman wie auch im Film in dieses Bild. Auch wenn sich Garland naturgemäß mehr Zeit lässt, deren Abläufe und Hierarchien zu untersuchen, gibt Doyle einer Figur wie der von Tilda Swinton gespielten Sal mehr Raum, welche ihre an die Hippie-Kommunen der 1960er/1970er Jahre erinnernde Gemeinschaft der Aussteiger als eine Zusammenkunft ohne jede Ideologie darlegt. Im Grund verhandeln Garland und Boyle die Möglichkeit einer Utopie, eines Zusammenlebens, welches nicht den eigenen Nutzen und nur das Wohl der Allgemeinheit kennt, so wie es Thomas More in seinem Hauptwerk Utopia beschreibt. Schnell bekommt auch der Zuschauer Zweifel an diesem Paradies, einen leisen Verdacht, der sich sowohl auf narrativer wie auch ästhetischer Ebene in The Beach einschleicht.
Die Ansicht, dass man sich vor den „Parasiten und Krebsgeschwüren“ der Gesellschaft, wie sie Robert Carlyes Figur nennt, in Acht nehmen müsse, mag zwar rhetorisch sehr martialisch klingen, mag aber durchaus stimmen. Jedoch sind es auch die Ich-AGs, die leicht dekadenten, genusssüchtigen Aussteiger, die ihren Status als Insel verstehen als eine Bestätigung ihrer eigenen Überlegenheit.
OT: „The Beach“
Land: USA, UK
Jahr: 2000
Regie: Danny Boyle
Drehbuch: John Hodge
Vorlage: Alex Garland
Musik: Angelo Bandalamenti
Kamera: Darius Khondji
Besetzung: Leonardo DiCaprio, Tilda Swinton, Virginie Ledoyen, Guillaume Canet, Robert Carlyle, Paterson Joseph
Berlinale 2000
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Berlinale | 2000 | Goldener Bär | Nominierung | |
Goldene Himbeere | 2001 | Schlechtester Hauptdarsteller | Leonardo DiCaprio | Nominierung |
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