Als Professorin für Jüdische Zeitgeschichte macht sich Deborah Lipstadt (Rachel Weisz) nicht nur Freunde, sie hat keine Hemmungen, sich mit anderen Leuten anzulegen. Einer davon ist der britische Historiker David Irving (Timothy Spall), den sie beschuldigt, den Holocaust zu leugnen und die Geschichte zu verfälschen. Der will das aber nicht so ohne Weiteres auf sich sitzen lassen und verklagt Lipstadt deshalb auf Verleumdung. Das bedeutet für sie, dass sie nach britischem Recht die systematische Vernichtung der Juden beweisen muss. Dabei sucht sie die Unterstützung durch die Anwälte Richard Rampton (Tom Wilkinson) und Anthony Julius (Andrew Scott), die zuvor schon andere bedeutende Fälle hatten und bereit sind, gratis für sie zu arbeiten. Sie haben auch diverse Ideen, wie sich dieser gewinnen lässt. Ideen jedoch, die bei ihrer Klientin nicht unbedingt auf Gegenliebe stoßen …
Was ist Wahrheit?
Inzwischen haben wir uns fast schon daran gewöhnt, in einer postfaktischen Welt zu leben. Die Wahrheit wird nicht mehr danach definiert, ob sie eine Grundlage hat, sondern wer sie ausspricht. Da muss man nicht einmal auf den König der Fake News verweisen, der keinen Satz sagen konnte, ohne sich in irgendwelchen Lügen zu verheddern. Auch im Rest der Welt sind Menschen auf dem Vormarsch, die keinerlei Beweise mehr für Behauptungen brauchen. Es reicht, dass sie oft genug ihre Aussagen wiederholen, bis andere sie glauben. Bis sie vielleicht selbst das glauben, was sie sagen, und damit jede Form der Argumentation verhindern.
Natürlich gab es dieses Phänomen aber vorher schon, wie uns Verleugnung vor Augen führt. Basierend auf dem wahren Gerichtsfall vor rund 25 Jahren erzählt der Film von dem Kampf zweier Menschen, die sich jeweils mit der Historie des Holocausts befassen. Doch während die eine an den Schrecken der damaligen Zeit erinnern will, leugnet der andere, dass dieser überhaupt stattgefunden hat – was in Großbritannien anders als bei uns nicht strafbar ist. Dass solche Positionen nicht vereinbar sind, ist klar. Das Drama ist damit einerseits die Geschichte zweier grundsätzlich unterschiedlicher Weltansichten. Es ist aber auch die Geschichte, die ganz grundsätzlich in Frage stellt, was Wahrheit bedeutet und wie sie sich beweisen lässt.
Das nimmt dann teilweise recht absurde Formen an. Schon die Vorstellung, dass eine Historikerin den Holocaust beweisen muss, um einen anderen als Holocaust-Leugner bezeichnen zu dürfen, ist etwas, das intuitiv vielen gegen den Strich gehen wird. Wirklich grotesk wird es aber, wenn das Anwaltsteam Strategien entwickelt, die der Gegenseite möglichst wenig Angriffsfläche geben sollen – was unter anderem der Verzicht auf Zeugenaussagen bedeutet. Um die eigentliche Sache geht es dann gar nicht mehr, sondern um ein eigenwilliges Rechtssystem, dessen Regeln und Abläufe Außenstehenden so gar nicht plausibel erscheinen. Um Kniffe und Tricks, die notwendig sind, damit etwas erreicht wird, was eigentlich auf der Hand liegt.
Gefangen in der eigenen Lüge
Sehenswert ist zudem Timothy Spall (Harry Potter und der Gefangene von Askaban) als umstrittener Historiker. Der ist zwar unangenehm, wirkt aber nicht wie ein klassischer Bösewicht. Vielmehr hat er seine eigenen Lügen so sehr verinnerlicht, dass er sie gar nicht mehr als solche wahrnimmt. Gleiches gilt für seinen Rassismus, den er selbst gar nicht erkennt, was ihn bei aller Abscheulichkeit auch zu einer irgendwie tragischen und faszinierenden Figur macht. Ihm gegenüber steht mit Lipstadt eine passionierte, wenn auch weniger vielschichtige Person. Rachel Weisz (The Favourite – Intrigen und Irrsinn) bringt genügen Emotionen mit, damit der Film eben kein trockener Gelehrtenstreit wird. Als Charakterporträt ist es dennoch etwas einseitig.
Um die grundsätzlichen Fragen, ob sich Vergangenheit beweisen lässt, macht der Film ohnehin einen kleinen Bogen. Verleugnung konzentriert sich dann doch direkt auf den Holocaust bzw. die Aussagen von Irving, ohne daraus etwas Allgemeingültiges ableiten zu wollen. Als Anleitung für den Kampf gegen besagte postfaktische Welt und notorische Lügner ist das zu wenig, es gibt hier recht wenig, das man tatsächlich lernen kann. Als Symbol ist das Drama, welches auf dem Toronto International Film Festival 2016 Premiere hatte, aber natürlich schon willkommen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass es durchaus Wege geben kann, zumindest punktuell gegen das Phänomen der alternativen Fakten vorzugehen – auch wenn das Ende gleichzeitig schon etwas ernüchternd ist.
OT: „Denial“
Land: UK, USA
Jahr: 2016
Regie: Mick Jackson
Drehbuch: David Hare
Musik: Howard Shore
Kamera: Haris Zambarloukos
Besetzung: Rachel Weisz, Tom Wilkinson, Timothy Spall, Andrew Scott, Jack Lowden, Caren Pistorius, Alex Jennings
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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BAFTA Awards | 2017 | Herausragender britischer Film | Nominierung |
Toronto International Film Festival 2016
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