Von Fischen und Menschen
© Dschoint Ventschr

Von Fischen und Menschen

Kritik

Von Fischen und Menschen
„Von Fischen und Menschen“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Judith (Sarah Spale) lebt zusammen mit ihrer kleinen Tochter Milla (Lia Wagner) in einem abgelegenen Jura-Tal, wo sie ihrer Forellenzucht nachgeht. Die Arbeit ist hart. Doch seitdem ihr der neue Gehilfe Gabriel (Matthias Britschgi) zur Hand geht, läuft der Betrieb. Ohne es zu ahnen, wird sich dieses idyllische Leben bald aber schlagartig ändern, denn Gabriels Bruder David (Julian Koechlin) ist aufgetaucht. Der steckt mal wieder in Schwierigkeiten, braucht dringend Geld, um einen Neustart zu wagen. Geld, das er sich von Gabriel erhoffte. Der wiederum fürchtet, dass sein Leben, das er gerade erst mühsam in den Griff bekommen hat, durch David wieder in Schieflage geraten könnte …

Wie konnte es nur dazu kommen?

In Filmen ist es ein immer wieder gern angewendeter Kniff: Die Geschichte beginnt mit einer besonders brenzligen oder chaotischen Situation, welche das Publikum gleich von Beginn an mitreißt. Im Anschluss wird jedoch zurück in die Vergangenheit gesprungen und erzählt, wie es zu dieser Ausnahmesituation kommen konnte. Normalerweise wird dieser Trick angewendet, um Neugierde zu erzeugen. Logisch: Man will ja schließlich wissen, was denn da genau vorgefallen ist. Bei Von Fischen und Menschen ist das jedoch etwas anders. Auch dort erfolgt ein solcher unmittelbarer Zeitsprung zu den Anfängen. Hier dient es jedoch mehr dazu, von Anfang an eine unheilvolle Stimmung zu erzeugen.

Ob das unbedingt notwendig gewesen wäre, darüber kann man sich streiten. Einerseits funktioniert es ganz gut als Kontrast zu den eher idyllischen Bildern aus glücklichen Tagen. Andererseits führt es dazu, dass bei Von Fischen und Menschen mehrfach der Fokus wechselt. Der Wendepunkt ist, anders als bei den meisten Zeitsprungtiteln, gar nicht zum Ende des Films, als Teil eines großen Finales. Er findet viel früher statt. Das Schweizer Drama handelt auch nur bedingt davon, wie es zu dieser Szene kommen konnte. Ebenso wichtig ist die Frage: Und wie soll es jetzt weitergehen? Wie geht man mit einem solchen schwerwiegenden Ereignis um?

Naturalistisch und konstruiert

Der Ablauf dieses Ereignisses ist dabei schon recht konstruiert. Anders als die naturalistische Optik, die immer mal wieder wie einem Dokumentarfilm entnommen scheint, ist der Inhalt nicht unbedingt der glaubwürdigste. Man sollte Von Fischen und Menschen deshalb nicht als lebensnahes Drama nehmen, ein direktes Abbild der Welt ist das nicht unbedingt. Stattdessen erzählt Regisseurin und Drehbuchautorin Stefanie Klemm eine Geschichte, die mehr eine was-wäre-wenn-Überlegung ist. Das soll jedoch nicht bedeuten, dass der Film völlig verkopft wäre. Tatsächlich ist er sogar sehr nahe an den beiden Hauptfiguren dran, die jeweils in einer Situation gefangen sind, welche sie völlig überfordert.

Das ist ansprechend gespielt. Man nimmt sowohl Sarah Spale (Platzspitzbaby – Meine Mutter, ihre Drogen und ich) als auch Matthias Britschgi ab, wie sie mit ihren jeweiligen Herausforderungen kämpfen. Von Fischen und Menschen braucht dafür nicht einmal unbedingt die großen melodramatischen Momente voll manipulativ-aufdringlicher Musik. Die rauen Szenen reichen völlig aus, um damit den Schmerz der beiden zu veranschaulichen, der mal ein öffentlicher ist, mal einer, der nur unter der Oberfläche brodelt. Letztere bringen dann auch noch ein gewisses Spannungsmoment mit, da man nur darauf wartet, wie das Ganze dann doch mal ans Tageslicht gelangt.

Sehenswert ist die Schweizer Produktion, die auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis 2021 Deutschlandpremiere feiert, also schon. Dennoch bleiben zum Schluss kleine Irritationen über die seltsam zweigeteilte Geschichte, die durch den langen Vorlauf gar nicht mehr so viel Zeit hat, um alles verarbeiten zu können. Der Film endet, ohne dass er zu einem wirklichen Schluss gekommen wäre oder Erkenntnisse gebracht hätte. Das passt dann einerseits schon zu dem willkürlichen Schicksalsschlag, der so sehr aus heiterem Himmel kommt, dass er von den Betroffenen nicht zu akzeptieren ist. Nur wird am Ende nicht ganz klar, was das Drama denn genau erzählen wollte, da zu viel rudimentär bleibt.

Credits

OT: „Von Fischen und Menschen“
Land: Schweiz
Jahr: 2020
Regie: Stefanie Klemm
Drehbuch: Stefanie Klemm
Musik: Marcel Vaid
Kamera: Kacper Czubak
Besetzung: Sarah Spale, Matthias Britschgi, Sarah Hostettler, Julian Koechlin, Lia Wagner

Bilder

Trailer

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„Von Fischen und Menschen“ erzählt von zwei Leuten, die in einer abgelegenen Forellenzucht arbeiten, bis ein Ereignis ihr beider Leben völlig verändert. Das Drama überzeugt durch eine naturalistische Inszenierung und ein Duo, welches den Schmerz auch ohne Manipulationen spürbar werden lässt. Die Geschichte selbst ist jedoch schon recht konstruiert und am Ende etwas ziellos.
6
von 10