Sex? Nein, das kommt für Alice (Natalia Dyer) gar nicht in Frage. Denn der ist ausschließlich für die Ehe zwischen Mann und Frau gedacht, wenn es darum geht, dem lieben Gott ein paar Kinder zu schenken. Zumindest ist es das, was ihr sowohl daheim wie auch in der katholischen Schule eingebläut wird. Dummerweise meint ihr Körper aber etwas anderes. Nicht nur, dass sie Gefallen an der Sexszene in Titanic gefunden hat und sich diese immer wieder anschauen möchte. Auch in ihrem Umfeld laufen ein paar Jungs herum, die ihr den Kopf verdrehen, darunter ihr Mitschüler Wade (Parker Wierling) und der Footballstar Chris (Wolfgang Novogratz). Über diese aufkommenden Gefühle zu reden, ist keine Option – bis sie eines Tages auf ein Chatportal stößt und sich dort zu unsittlichen Gesprächen hinreißen lässt …
Die Peinlichkeit des Innenlebens
Wenn in US-Komödien das Thema Sex angesprochen wird, dann wird es oft schnell peinlich. Peinlich für die Figuren, die immer wieder in Situationen stolpern, die unangenehm bis schamvoll sind. Peinlich aber auch fürs Publikum, das vielleicht nicht so sehr auf pubertären Humor steht und der bloßen Erwähnung von Geschlechtsteilen nicht automatisch etwas Komisches entnimmt. Aber es geht auch anders, wie das Beispiel Yes, God, Yes – Böse Mädchen beichten nicht beweist. Der Titel mag sich nach stumpfer Sexklamotte anhören. Tatsächlich handelt es sich aber vielmehr um einen einfühlsamen Coming-of-Age-Film, der die Unsicherheit von Jugendlichen in punkto Sex aufgreift.
Das soll nicht bedeuten, dass der Film selbst ohne Peinlichkeiten auskommen würde. Die bleiben nicht aus, wenn Jugendliche mit Gefühlen konfrontiert werden, die für alle ein Tabu sind. Eine Peinlichkeit zieht sich sogar durch die komplette Geschichte: Gleich zu Beginn wird Alice vorgeworfen, eine sexuelle Handlung mit Mitschüler Wade vollzogen zu haben. Das weist sie empört von sich, wenn auch nicht ganz so stark, wie sie es gern täte. Denn dafür müsste sie erst einmal wissen, was ihr da genau vorgeworfen wird, kann sie sich unter dem betreffenden Ausdruck doch nichts vorstellen. Der Versuch, genau das herauszufinden, wird bei Yes, God, Yes – Böse Mädchen beichten nicht zu einem tatsächlich witzigen Running Gag.
Leise und universell
Insgesamt ist Regisseurin und Drehbuchautorin Karen Maine aber eher zurückhaltend, was Witze angeht. Sie begleitet die jungen Menschen zwar durchaus mit Humor, stichelt zwischendurch zudem in Richtung der bigotten Kirche. Die Tragikomödie, welche auf einem früheren Kurzfilm basiert und hier ausgebaut wurde, mag es jedoch etwas leiser. So leise, dass Maine teilweise nicht einmal Worte braucht. Wenn sie beispielsweise das erste Mal Chris über den Weg läuft und seine behaarten Oberarme betrachtet, dann weiß das Publikum auch ohne Dialoge, was in ihr vorgeht. Besser noch, als sie es vermutlich selbst in dem Moment weiß.
Das ist dann auch die Stärke des Films, der auf dem South by Southwest Festival 2019 Weltpremiere hatte: Trotz des eher speziellen Settings der Vorzeigechristen ist er so universell, dass man sich recht leicht in ihm wiederfinden kann. Und das auch ohne in dem Alter von Alice zu sein. Während Jugendliche in dem unbeholfenen Herumgestolpere der Protagonistin eine Seelenverwandte finden, die letztendlich nicht wirklich weiß, was Sache ist, dürfen sich Erwachsene an ihre eigene Jugend zurückerinnern. Hinzu kommt, dass Yes, God, Yes – Böse Mädchen beichten nicht in den frühen 00er Jahren spielt, was den Nostalgiefaktor noch leicht erhöht. Die Hypersexualisierung, wie sie heute durch jederzeit zu findende Bilder und Videos stattfindet, war damals noch nicht so ausgeprägt.
Was dem Film jedoch etwas fehlt, sind die Charaktere. Das liegt natürlich auch an dem Szenario, wenn in der Schule den Menschen möglichst jede Individualität ausgetrieben werden soll, um in glückseliger Gemeinschaft zu Gott zu beten. Denn wenn alle gleich sein sollen, ist das mit dem Tiefgang zwangsläufig etwas schwierig. Von Alice einmal abgesehen, die noch am Anfang ihres Weges steht, taucht nur ein tatsächliches Individuum auf: Susan Blackwell darf in einer schönen und rührenden Szene zu einer Mentorin werden – an einem komplett unerwarteten Ort. Ansonsten aber gehört Yes, God, Yes – Böse Mädchen beichten nicht fast ganz allein Natalia Dyer (Die Kunst des toten Mannes), die als sympathische Jugendliche nach und nach erkennen darf, dass da eine größere Welt da draußen auf sie wartet, als man ihr bislang immer gesagt hat.
OT: „Yes, God, Yes“
Land: USA
Jahr: 2019
Regie: Karen Maine
Drehbuch: Karen Maine
Musik: Ian Hultquist
Kamera: Todd Antonio Somodevilla
Besetzung: Natalia Dyer, Timothy Simons, Wolfgang Novogratz, Francesca Reale, Parker Wierling
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)