A Family Tour

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Inhalt / Kritik

A Family Tour
„A Family Tour“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Ihr erster Spielfilm brachte der Regisseurin Yang Shu (Gong Zhe) viel internationales Lob ein, jedoch auch Kontakt mit den chinesischen Behörden, welche die Geschichte des Filmes als Systemkritik betrachteten. So musste sie Hals über Kopf ihre Heimat verlassen und lebt nun seit fünf Jahren mit ihrem Mann (Pete Teo) sowie ihrem Sohn (Xin Yue Tham) in Hongkong. Als Yang nach Taiwan eingeladen wird, wo ihr Film auf einem Festival in einer Retrospektive laufen soll, ist dies für sie auch eine willkommene Gelegenheit, ihre Mutter (Nai An) wiederzusehen. Jedoch verläuft das Wiedersehen alles anders als harmonisch, denn während Yang ihre Verpflichtungen mit dem Festival und die Vorbereitungen auf ihren neuen Film navigiert, erzählt ihr Mutter ihr von den Ereignissen nach der Flucht Yang nach Hongkong, von den Befragungen der Polizei sowie den Drohungen, die mit der Zeit immer mehr zunahmen. Zudem steht es um die Gesundheit von Yangs Mutter nicht gut, da sie kaum gehen kann und auf eine Operation angewiesen ist, die schon bald nach ihrer Rückkehr in China stattfinden soll. Yang sieht, wie ihr Plan, ihre Mutter nach Hongkong zu holen, immer mehr in Gefahr gerät und sie muss sich entscheiden, ob sie an diesem festhalten will oder ob sie bereit ist, selbst ein Opfer zu bringen.

Der schlimmste Fall

Die Geschichte von A Family Tour birgt viele Parallelen zu Liang Yings Biografie, sah er sich doch auch nach Erscheinen seines Filmes When Night Falls, der ebenfalls die Geschichte eines Verbrechens sowie der anschließenden Gerichtsverhandlung erzählt, gezwungen war, China zu verlassen und sich in Hongkong niederzulassen. Erst fünf Jahre später konnte er mit A Family Tour, der unter anderem beim Locarno International Film Festival 2018 gezeigt wurde, seinen nächsten Film vollenden, welcher gleichzeitig eine Verarbeitung der Ereignisse darstellt. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass sich hinter dem Familiendrama eine Geschichte verbirgt über die teils problematische Verstrickungen des Politischen mit dem Privaten.

Bereits in den ersten Minuten von Liang Yings Film bemerkt man, welche Narben die Ereignisse bei der Familie zurückgelassen haben. In einem anonymen Zimmer, in dem sich neben Yangs Familie noch viele weitere Menschen, dicht gedrängt und auf ihre Unterlagen schauend, zusammengefunden haben, geht es um die Beantragung eines Visums für die Reise, welche das Wiedersehen mit der Mutter möglich machen soll. Nur durch die Tarnung als Touristen ist dies möglich, könnten doch die chinesischen Behörden Verdacht schöpfen und das Leben von Yangs Mutter noch schwieriger machen als ohnehin schon. Diese Anspannung und Paranoia verlässt die Geschichte zu keiner Zeit, scheint selbst in privaten Szenen, wenn man im Hotelzimmer ist oder in einem Park bei einem Picknick, immer greifbar und beeinflusst Verhalten wie auch die Unterhaltung. Es ist eine Grenze zwischen Mutter und Tochter, über die man hinwegkommen möchte, die aber dennoch bleibt, egal, welche Anstrengungen man vornimmt, damit diese verschwindet.

Ausgehend von einem Traum Yangs, in dem sie ihre Eltern droht zu verlieren, stellt Liang Ying auf eindrückliche Weise dar, wie eine repressive und auf ihr Ansehen fixierte Politik das Private zerstört. Der „schlimmste Fall“, von dem an einer Stelle die Rede ist, ist bereits eingetreten, wie Yang und ihre Mutter feststellen müssen. Als Yang die Aufnahme vom Verhör ihrer Mutter hört, die strengen Stimmen der Beamten und die unverhohlenen Drohungen, unterstreicht dies einen Verdacht, den sie und ihr Mann schon lange hatten, der ihnen einen Eindruck davon gibt, wie das Leben abseits der wenigen Kontakte via Webcam für Yangs Mutter wohl aussah.

Wiedersehen im Exil

In den Hauptrollen geben Nai An und Zhe Gong beide sehr eindrucksvolle und berührende Darstellungen ab von zwei Frauen, die wieder zueinander finden wollen, aber einsehen müssen, welche tiefen Spuren die vergangenen fünf Jahre in ihrem Leben hinterlassen haben. Während ihre Tochter in Hongkong in relativer Sicherheit lebte, musste ihre Mutter mit den Folgen ihres Tuns leben, was Yang ihre Verantwortung als Tochter aber auch als politische Aktivistin deutlich macht. In diesem Wiedersehen im Exil entscheidet sich, welche Rolle nun wichtiger ist, ob diese beiden im Kontext der politischen Realität vereinbar sind.

Die Begegnung oder vielmehr die Annäherung der beiden Figuren erzählt das Drehbuch Ying Liangs und Wai Chans ruhig und in teils langen Dialogen, was durch die Kameraarbeit Ryuji Otsukas noch betont wird. Hier geht es immer wieder um die Überwindung von Grenzen, von diesen fünf Jahren und die Begegnung mit einem anderen Leben, besonders für Yang Shu, die sich des Preises bewusst wird, den ihr Handeln eventuell nach sich gezogen hat.

Credits

OT: „Zi You Xing“
Land: Taiwan, Hongkong, Singapur, Malaysia
Jahr: 2018
Regie: Liang Ying
Drehbuch: Liang Ying, Wai Chan
Musik: Fang
Kamera: Ryuji Otsuka
Besetzung: Nai An, Zhe Gong, Pete Teo, Xin Yue Tham

Trailer

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„A Family Tour“ ist ein berührendes, packend gespieltes Familiendrama, welches ein Licht wirft auf ein politisches System und wie es Familien auseinanderbringt. Ying Liang gelingt ein nachdenklicher und an vielen Stellen trauriger Film, der sich durch seine ruhige Erzählweise einfühlsam seinen Figuren wie auch seinen Themen annähert.
9
von 10