Als eine Pandemie auch Los Angeles in Panik versetzt, verlassen die Schauspielerin Ava (Jenna Lyng Adams) und ihr Freund, der Journalist Kelly (Jackson Davis), die enge Großstadt. Kelly fasst den Plan, mit ihr zu seiner Familie ins amerikanische Hinterland zu flüchten und fordert einen Gefallen bei einem Bekannten ein, der die beiden mit einem kleinen Passagierflugzeug weg von der Zivilisation bringen soll. Doch Kelly steigt nicht mit ein, sondern schließt die Tür – er soll Bericht erstatten über die Situation vor Ort in L.A.. Also ist Ava mehr oder weniger auf sich allein gestellt und wird mit gemischt-freundlichen Gefühlen von Kellys Brüdern und deren Mutter empfangen. Die mutmaßliche Sicherheit vor dem sich ausbreitenden Wahnsinn wird schnell zu Fall gebracht, als Ava von ihrer Vergangenheit eingeholt wird und das Leben der Zweckgemeinschaft in Gefahr bringt…
Ein guter Anfang…
Der erste Langfilm von Regisseurin Charlie Buhler hat sich keine leichte Thematik zu keiner leichten Zeit ausgesucht. Einen Film inmitten einer Pandemie über eine Pandemie zu veröffentlichen, weckt Assoziationen: Wird dieser Film versuchen, mit dem Strom zu schwimmen und ein Abbild der aktuellen Zeit zu sein, in der wir uns in einem fließenden Wechsel aus Lockdowns und einer Art „New Normal“ bewegen? Oder greift die Regisseurin an anderer Stelle an und erläutert uns vor einem fiktiven Hintergrund den von Menschen gemachten Wandel der Welt, was vor dem Feuer war und was nach dem Feuer kommt? Oder doch etwas ganz anderes?
Buhler und ihre Drehbuchautorin Jenna Lyng Adams, die im Übrigen auch als Ava in der Hauptrolle zu sehen ist, machen zuerst vieles richtig. Man fühlt sich als Zuschauer unwohl, die erste Szene lässt einen verwirrt und ohne Vorwarnung in eine Flucht vor dem Unbekannten fallen. Die Kamera sitzt auf dem Rücksitz des Autos und liefert einen klaustrophobischen 360 Grad Überblick der Umgebung. Man weiß, dass man etwas sehen soll, sich einfinden soll in die Situation und fühlt sich gerade wegen des mangelnden Kontexts so klein und hilflos wie die Protagonisten selbst. Erst im Motelzimmer, in dem die beiden nach gescheiterter Flucht am kommerziellen Flughafen bekommt man wieder seinen gewohnten Blick auf die Dinge als Außenstehender.
Gut Ding will Weile haben – oder?
Ab hier gerät diese aufregende und auch experimentell wirkende Kamerafahrt in Vergessenheit – die Exposition wirkt somit nicht wirklich bündig mit dem restlichen Film, sondern eher wie ein Exkurs weg vom eigentlichen Rezept des Films. Und was hier für den Großteil des Films gekocht wird, ist dramaturgisch leider gar nicht abgeschmeckt worden: Eigentlich dreht sich die nächste halbe Stunde nur um Geplänkel zwischen den Brüdern, der Mutter und Ava mit gelegentlichen Blicken in diese düstere Vergangenheit, die sie mit der Gegend verbindet. Auch als sich der jüngere Bruder dann einer „Widerstandsgruppe“ (gegen was denn überhaupt?) anschließt, kann der so entstandene Twist nicht das Gleichgewicht einer guten Handlung herstellen. (Spoiler: Der Anführer der Gruppe ist kein geringerer als der personifizierte Albtraum, vor dem Ava seit Jahren wegläuft – den sie einfach vergessen will: ihr psychopathischer Vater!)
Doch fehlt immer noch die Backstory für das Ganze, denn wie soll man sich auf die Ängste einer Protagonistin einlassen, ohne dass man versteht, was diesen Klischeebösewicht antreibt, ja, sogar notwendig macht? Denn was am Anfang als schöner Einfall zu verbuchen war, nämlich, dass man kaum etwas über die Pandemie erfährt und nicht sicher weiß, ob sie überhaupt tödliche Auswirkungen hat oder zu einer Art Untoten-Virus mutieren wird, wird dem Endprodukt nach und nach zum Verhängnis. Denn ohne Druck von außen, ohne Zeitbombe, ohne Möglichkeit den Hass zwischen Ava und ihrem Vater nachvollziehen zu können, treibt alles einfach so vor sich hin.
Warum eigentlich?
Es fehlen gut in Szene gesetzte Bilder mit entsprechend Potenzial, diesem Thriller doch noch eine gewisse Textur zu geben, eine Message zu vermitteln und vor allem Spannung zu erzeugen. Wenn dann endlich ein bisschen Action die kitschigen Dialoge ablöst, von denen man schwören könnte, man hätte sie bereits hunderte Male gehört, dann passiert es einfach zu plötzlich. Der fehlende Sinn für Dramaturgie nimmt den brutalen und schockierenden Szenen die Kraft und auch Emotionalität. All das „Vorspiel“, welches sich in den zum Alltag werdenden, familiären Szenen der Zweckgemeinschaft aufgebaut hatte und die drohenden Konflikte mit den ebenso fragwürdigen wie auch gewalttätigen Widerstandskämpfern, wurde in einem Chaos aus dem Fenster geworfen und ohne jeglichen Nutzen für eine Entwicklung der Geschichte ad absurdum geführt.
Dieser fehlende Knall durch die, eigentlich klar geplanten, Höhepunkte, wirft Fragen auf – allerdings eben nicht die der guten Sorte. Man fiebert einfach nicht mit, wenn die Hauptdarstellerin hier vom Regen in die Traufe kommt und das nicht zuletzt aufgrund des fehlenden Hintergrundes ihrer Rolle.
OT: „The Great Silence“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Charlie Buhler
Drehbuch: Jenna Lyng Adams
Musik: Adam Robl, Shawn Sutta
Kamera: Drew Bienemann
Besetzung: Jenna Lyng Adams, Jackson Davis, Ryan Vigilant, Charles Hubbell, M.J. Karmi
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