Obwohl Laura Hoffmann (Felicitas Woll) nach dem Aus ihrer langjährigen Beziehung mit dem Polizisten Tim Bontrup (Sönke Möhring) erst einmal Zeit für sich haben wollte, lässt sie sich doch auf Drängen ihrer Schwester Kathi (Sophie Pfennigstorf) darauf ein, sich für ein Date mit dem umschwärmten Chirurgen Hendrik Voss (Barry Atsma) zu treffen. Tatsächlich gestaltet sich der Abend ausgesprochen nett, beide verstehen sich blendend, gehen sogar noch zu ihr. Doch bei dem, was folgt, gehen die Erinnerungen weit auseinander. Während Laura felsenfest davon überzeugt ist, vergewaltigt worden zu sein, besteht Hendrik darauf, dass der Sex einvernehmlich war. Vanessa Lewandowski (Friederike Becht) und Robert Schmidt (Gunnar Helm), die mit dem Fall beauftragt wurden, gehen der Sache nach, finden aber keine eindeutigen Spuren. Am Ende steht es Aussage gegen Aussage …
Eine unbeweisbare Vergewaltigung
Im Zuge der #MeToo-Bewegung meldeten sich weltweit zahlreiche Frauen zu Wort und berichteten von Unterdrückung, Nötigung bis hin zur Vergewaltigung. Was zuvor für viele undenkbar war, wurde nun tatsächlich Realität: Mächtige Männer wie Harvey Weinstein mussten sich auf einmal für ihre Taten verantworten, ihre weiblichen Opfer fanden gemeinsam endlich eine Stimme, um über ihre Erfahrungen zu reden. Doch trotz des geschaffenen Bewusstseins, ein grundsätzliches Problem bei diesen Straftaten bleibt: Sie sind nur selten zu beweisen. Wenn aber Aussage gegen Aussage steht, man letztendlich nur glauben kann, welche Seite recht hat, dann bleiben zwangsläufig immer Zweifel.
Du sollst nicht lügen spielt mit eben diesen Zweifeln, wenn zu Beginn zwei Figuren völlig unterschiedlich von ein und derselben Nacht erzählen. Das Publikum wird dabei bewusst im Unklaren gehalten, welche Version denn nun stimmt. Wir sehen zwar die Szenen des Abends, nach und nach chronologisch erzählt. Doch der Moment, als es zum Sex kommt, der wird nicht gezeigt. Damit bringt die auf der britisch-US-amerikanischen Coproduktion Liar basierende Serie das Publikum vor den Bildschirmen in eine schwierige Lage. Gerade weil das Szenario so konfrontativ ist, wird man genötigt, für eine von beiden Seiten Partei zu ergreifen. Und das ist nicht einfach, da die zwei Möglichkeiten jeweils nicht sehr plausibel sind.
Eine Frage der Wahrnehmung
Rund die erste Hälfte der vier Folgen umfassenden Miniserie spielt mit diesen Perspektivwechseln, wenn wir abwechselnd der einen, dann der anderen Figur folgen – vergleichbar etwa zu Das Verschwinden der Eleanor Rigby. Das ist auch deshalb spannend, weil die Serie es dabei offen lässt, ob tatsächlich dem Titel Du sollst nicht lügen entsprechend jemand lügt oder ob es sich um zwei subjektive Wahrnehmungen handelt, die beide für real halten. Ende einer Legende – National Treasure hatte eine ganz ähnliche Geschichte erzählt. In beiden Fällen wird einem erfolgreichen Mann vorgeworfen, er habe eine Frau vergewaltigt, der daraufhin aus allen Wolken fällt. Haben sie bewusst jemanden missbraucht? Haben sie nicht bemerkt, was sie tun? Oder sind es doch die Frauen, die lügen?
Solange Du sollst nicht lügen mit diesen verschiedenen Möglichkeiten spielt, ist die Spannung durchaus auf einem höheren Level. Man will schließlich wissen, welche der beiden Wahrheiten nun stimmen und was die Konsequenz ist. Allerdings wird dieser Mystery-Aspekt irgendwann dann doch beiseitegelegt. Statt eines persönlichen Dramas wird ein Thriller daraus, der mit Wendungen und brenzligen Situationen das Publikum beschäftigen will. Das ist natürlich legitim, zumal es für Abwechslung sorgt. Schade ist aber schon, wie der interessantere Part durch einen recht gewöhnlichen Genrevertreter ersetzt wird, zumal der Übergang ein bisschen heftig ausfällt. Die Serie dreht da schon recht plötzlich auf.
Unglaubwürdig und überzogen
Das größere Manko ist aber, dass Du sollst nicht lügen ziemlich übertrieben ist und nur wenig Wert auf Glaubwürdigkeit legt. Das wird zum einem dem wichtigen Thema nicht gerecht, das hier etwas reißerisch abgefeiert wird. Zum anderen ist es nicht ganz einfach, bei einer Geschichte mitzufiebern, wenn man diese nicht abkauft. Zu einem gewissen Grad geht auch das in Ordnung, nicht alles im Fernsehen muss schließlich realistisch sein. Man könnte aber wenigstens so tun, als hätte man sich an der Welt da draußen orientiert. Doch weder die Abläufe, noch die Psychologie überzeugen, an manchen Stellen hat das mehr von einer Seifenoper. Ärgerlich ist dabei, dass die Serie irgendwann an einem Punkt ankommt, an dem es tatsächlich noch einmal interessant hätte werden können, bevor man dann aber doch den einfachsten Weg aus der Misere wählte. So bleibt am Ende ein recht durchschnittlicher Titel, mit dem man sich zwar die Zeit vertreiben kann, der aber unter seinen Möglichkeiten bleibt.
OT: „Du sollst nicht lügen“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Jochen Alexander Freydank
Drehbuch: Astrid Ströher, Dirk Morgenstern
Musik: Ingo Ludwig Frenzel, Rainer Oleak
Kamera: Andreas Doub
Besetzung: Felicitas Woll, Barry Atsma, Friederike Becht, Gunnar Helm, Sophie Pfennigstorf, Sönke Möhring, Luke Matt Röntgen, Tino Mewes
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