So richtig erwachsen geworden ist Georgia Miller (Brianne Howey) eigentlich nie, selbst dann nicht, als sie mit 15 Mutter wurde. Doch das soll sich nun ändern: Mit inzwischen 30 Jahren ist es Zeit für sie, sesshaft zu werden und ihren Kindern ein Zuhause zu bieten. Den Ort dafür hat sie schon gefunden, das malerische Neuengland soll ihnen die Gelegenheit geben, endlich eine Heimat zu finden. Einfach ist das jedoch nicht, vor allem nicht für die 15-jährige Tochter Ginny (Antonia Gentry). Als hätte sie nicht auch so schon genug mit ihren Selbstzweifeln und ihrer Unbeholfenheit zu kämpfen, was ihr sowohl in der Schule wie auch bei ihrer ersten Liebe Probleme bereitet, hat ihre Mutter zudem ein ausgesprochenes Talent dafür, sie immer wieder lächerlich zu machen …
Eine (fast) bekannte Geschichte
Alles hat irgendwann einmal ein Ende, selbst die beliebteste Serie. So geschehen bei Gilmore Girls, das 2007 nach sieben Staffeln und 153 Folgen doch noch vorbei war. Fans hat die Geschichte um eine Mutter und eine Tochter, die in einem kleinen Ort leben, aber offensichtlich noch genug. Zumindest hoffte man das wohl bei der Netflix-Serie Ginny & Georgia, welche nicht nur ein recht ähnliches Szenario verwendet: Erneut geht es um eine Mutter in den 30ern, die eine halb so alte Tochter hat, die sie selbst als Teenagerin bekommen hat. Man ließ es sich zudem nicht nehmen, das Vorbild recht früh gleich beim Namen zu nennen. Wenn man schon klaut, dann auch mit Stolz!
Wobei Sarah Lampert, die kreative Kraft und Autorin hinter der Serie, mit Ginny & Georgia keine reine Kopie vorlegen wollte. So hat sich in dem Jahrzehnt seit dem Ende von Gilmore Girls schon einiges getan in Hinblick auf das Erzählen von Geschichten. So wird hier, wie so oft bei Netflix, Wert auf Diversität gelegt. Nicht nur, dass mit einer früher nicht gekannten Selbstverständlichkeit von lesbischen Liebeserfahrungen die Rede ist. Auch Ethnizität spielt eine größere Rolle. So ist Ginny die Tochter einer blonden, weißen Frau und eines schwarzen Mannes, weshalb sie sich nirgends wirklich zugehörig fühlt. Interessant ist beispielsweise die Szene, wenn sie und ein Junge, der Halb-Taiwanese ist, aneinandergeraten und darüber streiten, wer von beiden mehr diskriminiert wird – und dabei selbst zu Klischees greifen.
Der Abgrund hinter der schönen Fassade
Dieses Beispiel zeigt bereits, dass das neue Zuhause der Familie zwar idyllisch ist. Von einem Paradies ist das aber dennoch weit entfernt. Richtig vorbildlich verhält sich keiner, jeder hat irgendwelche Probleme mit sich herumzutragen, welche den Alltag erschweren. Die meisten haben irgendwelche hässlichen Seiten an sich, die irgendwann in der passenden oder auch unpassenden Situation an die Oberfläche kommen. Nur optisch hässlich darf keiner sein, klar, Ginny & Georgia ist eine US-amerikanische Produktion, weshalb grundsätzlich nur Menschen erwünscht sind, die das Publikum zumindest anschmachten kann und das Gefühl vermitteln, die Welt da draußen sollte eigentlich nur aus Models bestehen.
Aber es ist nicht nur die fragwürdige Besetzungspraxis, die der Serie etwas die Wirkung raubt und dem Anspruch entgegenläuft, ein bisschen etwas über das Leben im realen Amerika zu erzählen. Schwierig ist auch, wie in Ginny & Georgia immer wieder unnötig Probleme erschaffen werden. In Maßen funktioniert so etwas natürlich schon, da der Mensch doch immer wieder Wege findet, sich selbst oder anderen das Leben schwer zu machen, wo es das gar nicht braucht. Hier eskaliert das aber arg. Da wird schon recht betont und bemüht versucht, dem Drama ein paar düstere Seiten abzugewinnen und alles noch mal tragischer zu machen.
Am Rande der Seifenoper
Das darf einem natürlich gefallen, umso mehr da das Ensemble doch ansprechende Leistungen zeigt. Der Gegensatz zwischen der lebenshungrigen Mutter und dem zweifelnden Teenie ist dabei zwar schon überspitzt, beschert dem Publikum aber auch ein paar schöne Szenen, wenn die zwei eben doch zusammenfinden. Man sollte nur nicht zu viel in dieser Hinsicht erwarten, Ginny & Georgia will lieber groß auftrumpfen, anstatt sich mit alltäglichen Szenen zu befassen. Das geht zumindest zum Teil mehr in Richtung Seifenoper à la Virgin River, bringt jungen Zuschauern und Zuschauerinnen eher weniger, die sich von dem Zusehen beim Heranwachsen vielleicht eigene Impulse erhoffen. An Lebenslektionen mangelt es in dem Drama zwar nicht. Nur sind die eben nicht dem Leben als solchem entnommen.
OT: „Ginny & Georgia“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Anya Adams, Renuka Jeyapalan, Sudz Sutherland, Aleysa Young, Catalina Aguilar-Mastretta
Drehbuch: Sarah Lampert, Debra J. Fisher, Danielle Hoover, David Monahan, Tawnya Bhattacharya, Ali Laventhol, Mike Gauyo, Briana Belser
Idee: Sarah Lampert
Musik: Lili Haydn, Ben Bromfield
Kamera: Gavin Smith
Besetzung: Brianne Howey, Antonia Gentry, Diesel La Torraca, Jennifer Robertson, Felix Mallard, Sara Waisglass, Scott Porter, Raymond Ablack
https://www.youtube.com/watch?v=dWSoFrzNQZA
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