Im Jahre 1938 wird ein Auftragskiller (Lino Ventura), der nur unter dem Decknamen „Der Raubvogel“ bekannt ist, nach Lateinamerika beordert. In Vera Cruz erwarten ihn seine Auftraggeber, unter ihnen ein europäischer Geschäftsmann sowie Angehörige des Militärs, die ihm die Mission geben, den derzeit amtierenden Präsidenten zu ermorden. Die Tat soll der Startschuss für einen gewaltsamen Putsch an der Spitze des Staates sein, an dessen Ende ein Enkel des einstigen Machthabers, ein junger Mann namens Miguel (Xavier Marc), Präsident werden soll. Da „Der Raubvogel“ wenig von Politik hält und sich vielmehr um die Bezahlung kümmert, sind ihm die Umstände egal, sodass er sich schon bald an die Arbeit macht und Vorbereitungen trifft. Gesellschaft leistet ihm derweil Miguel, der vom „Raubvogel“ der Einfachheit halber „Chico“ genannt wird und ihm vor allem als Dolmetscher dient. Dieser fühlt sich immer mehr produziert von der vulgären Art des Killers, der wenig übrig hat, von seinen Ideen wie auch seiner Vision von der Zukunft des Landes. Jedoch rumort es derweil gewaltig hinter den Kulissen, denn während „Raubvogel“ sich auf seinen Einsatz vorbereitet und sich Wortgefechte mit Miguel liefert, haben dessen Auftraggeber Zweifel an der Loyalität des Killers bekommen.
Das Spiel der Mächtigen
Auch wenn man die politischen Ideale von Regisseur José Giovanni nicht unbedingt teilen muss, so muss man zumindest seine Arbeiten wie Der Zigeuner oder Im Dreck verreckt wegen ihrer Vermischung von Genreelementen mit zeitpolitischem Geschehen respektieren. Ähnlich wie viele seiner Kollegen interessierte ihn vor allem die Figur des Gangsters, den er oftmals in den Fokus seiner Werke stellte, wobei seine Erfahrungen nicht zuletzt in seiner eigenen Biografie begründet liegen, da Giovanni selbst einige Zeit im Gefängnis verbrachte. Im Dreck verreckt, basierend auf einem Roman des Autors John Carrick, erzählt von einer Zeit der Entzauberung und des Abschieds von politischen Idealen, welche durch Korruption, Gewalt und Machtmissbrauch zersetzt werden.
Neben Alain Delon gehörte auch Lino Ventura zu jenen Darstellern, mit denen Giovanni oft kollaborierte. Seine Darstellung des nur unter dem vielsagenden Namen „Raubvogel“ bekannten Killers in Im Dreck verreckt ist zumindest nach außen hin ein Kontrast zu den eleganten Gangstern, welche Ventura in anderen Produktionen spielte. Nicht per Erste-Klasse-Flug, sondern per Schiff und Zug, als blinder Passagier und mit verdreckten Kleidern erreicht er den Hafen von Vera Cruz und scheint sich auch sonst wenig um Anstand oder Moral zu kümmern, was er besonders Miguel schnell merken lässt, der ihm mit seinem Gerede von politischen Idealen mehr als einmal fast zur Weißglut bringt. Anders als dieser ist dieser „Raubvogel“ abgeklärt und routiniert, interessiert sich außerhalb von Bezahlung und Durchführung kaum für andere Aspekte des Auftrags, erst recht nicht für die Folgen, die in diesem Falle das Wohl eines ganzen Landes beeinflussen.
In der Welt, die Im Dreck verreckt zeigt, sind Killer genauso wie Präsidenten nur Spielfiguren, wobei das tatsächliche Geschehen auf anderer Ebene gesteuert wird. Die Figuren sind austauschbar, doch während Charaktere wie Miguel noch an ihren Idealen festhalten, hat jemand wie „Raubvogel“ diese schon lange aufgegeben. Der karge Realismus der Bilder sowie die an einen Western von Sergio Corbucci erinnernde Musik von Francois de Roubaix betonen diese Atmosphäre der Ernüchterung, aber auch der Anspannung, wenn es auf den unvermeidlichen Höhepunkt und damit auf das Attentat hinausläuft.
Abschied von Idealen
Vor allem im Hinblick auf die darstellerischen Aspekte des Filmes ist das Zusammenspiel von Ventura mit Xavier Marc interessant. In einem kleinen Apartment eingesperrt, aufeinander angewiesen und der unerträglichen Hitze ausgeliefert, ergibt sich eine gewisse Spannung zwischen den beiden Figuren sowie eine besondere Dynamik, die sich aus der Verschiedenheit der beiden Männer erklärt. Regt sich Miguel noch über einen Zeitungsartikel über eine rede Hitlers in Nürnberg auf, so würdigt „Raubvogel“ diese keines Blickes und hat naturgemäß wenig Verständnis für die Frustration seines Gegenübers übrig, den die unpolitische, desillusionierte Haltung des Killers immer mehr aufregt.
Man ahnt bereits, wessen Ideologie – wenn man sie denn so nennen kann – hier gewinnen wird, doch man reagiert genauso frustriert über die Wirklichkeit, die den Glauben an eine Veränderung zum Guten zunichtemacht. Diese abgeklärte, oft zynische Haltung ist nicht nur ein Merkmal des Killers, sondern eine Atmosphäre, die nicht nur diesen Film José Giovanni durchläuft.
OT: „Le rapace“
Land: Frankreich, Italien Mexiko
Jahr: 1968
Regie: José Giovanni
Drehbuch: José Giovanni
Vorlage: John Carrick
Musik: Francois de Roubaix
Kamera: Pierre Petit
Besetzung: Lino Ventura, Xavier Marc, Rosa Furman, Aurora Clavel, Enrique Lucero, Carlos Cardán
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