Der Schock ist groß, als der Anwalt Karl-Heinz Berger (Robert Giggenbach) einen Herzinfarkt erleidet. Zwar ist bald klar, dass er außer Lebensgefahr ist. Dennoch heißt es für ihn, erst einmal einen Gang zurückzuschalten und sich im Krankenhaus auszukurieren. Doch was soll inzwischen mit seiner Kanzlei geschehen? Als Zwischenlösung beschließt er, dass seine Töchter Caro (Eva-Maria Reichert) und Niki (Nele Kiper), die selbst beide Juristinnen geworden sind, gemeinsam die Kanzlei weiterbetreiben. Das führt aber bald zu ersten Konflikten, da die zwei Schwestern privat und beruflich komplett unterschiedlich sind und auch unvereinbare Auffassungen von Gerechtigkeit haben. Währenddessen hat ihre Mutter Angelika (Sissi Perlinger) ganz eigene Sorgen, da sie schon länger in der Ehe nicht mehr glücklich ist und auf eigenen Beinen stehen möchte …
Mit dir kann ich nicht!
Man kennt das von der eigenen Arbeit: Es gibt da oft irgendeinen Kollegen oder irgendeine Kollegin, mit denen man einfach nicht kann. Das muss nicht einmal zwangsläufig auf Antipathie beruhen. Es reicht schon, völlig konträre und unvereinbare Charaktereigenschaften und Einstellungen zum Beruf zu haben. Im Idealfall kann man sich damit arrangieren, etwa indem man sich aus dem Weg geht. Und sollte das nicht möglich sein, dann bleibt immer noch die Option, einfach die Stelle zu wechseln. Doch was, wenn eben das keine Option ist? Wenn man gezwungen ist, mit dieser anderen Person auszukommen? Die ZDF-Serie Kanzlei Berger zeigt einen solchen Fall, wenn aufgrund eines äußeren Umstands zwei Schwestern die Kanzlei des Vaters führen müssen.
Der mitunter komische Gegensatz zwischen den beiden ist dann auch ein zentrales Element der Serie. Während beispielsweise Caro mit Lui Fernandes (Nik Felice) verheiratet ist und gemeinsam die Tochter Tayna (Virginia Olivia Obiakor) hat, da nimmt Niki schon Reißaus, wenn sie einen Mann zufällig das zweite Mal sieht. Allgemein ist Caro stärker der empathische Typ, während ihre Schwester gern pragmatisch auftritt. Das zeigt sich besonders bei den jede Folge wechselnden Gerichtsfällen. Die eine hält sich an die Regeln, will alles auf regulären Wegen erreichen. Die andere nutzt hingegen jede Möglichkeit, sich einen Vorteil zu verschaffen, nimmt das mit den Gesetzen dabei nicht so genau. Das Anliegen des Mandanten bzw. der Mandantin steht im Mittelpunkt, zu diesem Zweck sind praktisch alle Mittel erlaubt.
Was ist schon gerecht?
Damit einher geht das – neben dem Konflikt der Schwestern – zweite große Thema von Kanzlei Berger: der Gegensatz von Gerechtigkeit und Recht. Dass beides nicht deckungsgleich ist, diese Erfahrung dürften die meisten gemacht haben. Immer wieder hört man von Gerichtsurteilen, die kaum plausibel sind, mal zu hart, mal zu wenig bestrafen. Die Serie stellt diese gefühlte Gerechtigkeit der Arbeit nach Gesetzen gegenüber, zeigt Unterschiede, aber auch Versuche, beides irgendwie zusammenzubringen. Das bedeutet für das Publikum, dass es sich hier zumindest gedanklich selbst einbringen darf und aufgemuntert wird, innerlich Stellung zu beziehen. Darf man beispielsweise lügen, um eine andere Wahrheit ans Tageslicht zu bringen? Und falls ja, wo lassen sich Grenzen zwischen „guten“ und „schlechten“ Lügen ziehen?
Allgemein ist es löblich, wie das Drehbuchteam versucht, aus der Prämisse mehr zu machen. Wo sich die meisten auf den bewährten Gegensatz der Schwestern konzentriert hätten, da werden in Kanzlei Berger zahlreiche gesellschaftliche oder auch universelle Themen in den einzelnen Fällen behandelt. So geht es mal um sexuelle Nötigung am Arbeitsplatz, an einer anderen Stelle wird Rassismus verhandelt. Drumherum darf zudem über die Rolle von Frauen gesprochen werden. Das ist manchmal dann zwar schon überspitzt, gerade bei den Auflösungen bleibt nie genügend Zeit. Dennoch ist die Themenvielfalt angesichts des engen Raums beachtlich.
Spaßiges Duo
Dabei kommt Kanzlei Berger fast ohne erhobenen Zeigefinger aus. Vielmehr suchte man die Balance aus Nachdenklichkeit und reiner Unterhaltung. Das passt insgesamt gut, auch weil die beiden Hauptdarstellerinnen prima zusammenspielen und die diversen durchaus vorhandenen Klischees bei der Figurenzeichnung vergessen lassen. Man sieht ihnen einfach gern zu, sowohl wenn es in der Familie mal wieder kriselt oder bei den Versuchen, im Sinne des Falls die Differenzen zu überwinden. An manchen Stellen kommen noch leichte Krimielemente hinzu, wenn die Schwestern nicht allein Anwältinnen sind, sondern selbst auf Spurensuche gehen. Das wird dann zwar nicht übermäßig komplex, bei gerade mal 45 Minuten pro Folge darf man keine Wunderwerke erwarten. Aber es macht Spaß.
OT: „Kanzlei Berger“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Gero Weinreuter, Kerstin Ahlrichs, Kai Meyer-Ricks
Drehbuch: Marlene Schwedler, Michel Birbæk, Felicitas Sieben, Klaus Rohne, Lasse Nolte
Musik: Conrad Bekk, Frankie Chinasky
Kamera: Nathalie Wiedemann, Marc Liesendahl
Besetzung: Eva-Maria Reichert, Nele Kiper, Sissi Perlinger, Robert Giggenbach, Nik Felice, Martin Gruber, Virginia Olivia Obiakor
Was ist wichtiger: Recht oder Gerechtigkeit? Und warum haben die beiden Schwestern eigentlich solche Probleme? Diese und weitere Fragen haben wir den Hauptdarstellerinnen Eva-Maria Reichert und Nele Kiper in unseren Interviews gestellt.
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