Das Geld ist knapp bei Willy Ferrière (Gaston Jacquet), mal wieder. Irgendwie hat er beim Glücksspiel kein Glück, weshalb er in seinem Stammcafé erneut anschreiben lassen muss. Wenn doch nur seine reiche Tante endlich sterben würde, dann hätte er für immer ausgesorgt! 100.000 Francs würde er dafür zahlen, wenn sie nur jemand aus dem Weg räumen kann! Da wird ihm von einem Unbekannten ein Zettel zugesteckt, der das Angebot annimmt und für diese Summe einen Mord begeht. Tatsächlich fällt die alte Dame kurze Zeit später einem Gewaltverbrechen zum Opfer- Während der Verdacht rasch auf den Landstreicher Joseph Heurtin (Alexandre Rignault) fällt, ist Kommissar Jules Maigret (Harry Baur) skeptisch und vermutet, dass jemand diesem den Mord anzuhängen versucht …
Ein Mann auf allen Kanälen
Im Bereich der Kriminalliteratur gehörte Kommissar Maigret zu den ganz Großen. Nicht nur, dass er sehr umtriebig war: Die von Georges Simenon (Die Fantome des Hutmachers) erdachte Figur war in 75 Romanen und 28 Erzählungen die Hauptfigur. Kaum ein Ermittler wurde zudem so oft auf der Kinoleinwand und im heimischen Fernseher zum Leben erweckt. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass es so viele internationale Fassungen von ihm gab. Ob die Niederländer oder die Spanier, die Briten oder die Japaner, sie alle adaptierten die Geschichten des französischen Schriftstellers. In Deutschland schlüpfte Heinz Rühmann einmal in die Rolle des Ermittlers. Der Autor selbst war mit den Adaptionen jedoch nicht sonderlich glücklich, weshalb er bei Maigret: Um eines Mannes Kopf ursprünglich selbst Regie führen wollte. Am Ende wurde nichts draus, Simenon war darüber so enttäuscht, dass er im Anschluss mit dem Filmgeschäft nichts mehr zu tun haben wollte.
Tatsächlich ging Regisseur und Co-Autor Julien Duvivier (Anna Karenina) recht frei mit der Vorgabe um, gestaltete einige Passagen neu. Vor allem der Anfang ist völlig anders. Beginnt der 1931 veröffentlichte Roman Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes mit dem Fund der Leiche, da wird hier vorab bereits verraten, wer hinter dem Mord steckt. Ähnlich zu den Fällen der beliebten TV-Serie Columbo weiß das Publikum also gleich, was Sache ist, wartet nur darauf, ob bzw. wie der Ermittler auf die Wahrheit kommt. Wer Krimis deswegen anschaut, weil er selbst miträtseln möchte, wer der Mörder war, der bekommt hier deshalb nur wenig zu tun. Maigret: Um eines Mannes Kopf ist kein klassischer Wodunnit, der unter zahlreichen Verdächtigen den richtigen finden muss.
Das Psychologische im Fokus
Stattdessen steht beim Film wie auch bei den Romanen von Simenon der psychologische Aspekt im Vordergrund. Das Motiv von Ferrière ist schnell abgearbeitet: Er braucht das Geld, sowohl für sich wie auch seine luxusfokussierte Partnerin. Auch bei Heurtin gibt es nicht viel zu sagen. Umso spannender ist dafür die Figur des von Valéry Inkijinoff verkörperten Johann Radek, der schon früh als eigentlicher Mastermind dahinter etabliert wird. Zunächst sieht es auch bei ihm danach aus, als wäre das Finanzielle die Antriebsfeder. 100.000 Francs, das ist schon eine stolze Summe. Tatsächlich ist sein Fall aber komplexer, wie sich nach und nach herausstellt.
Dementsprechend ruhig gestaltet sich Maigret: Um eines Mannes Kopf auch. Vereinzelt wird das Tempo mal ein bisschen angezogen, gerade gegen Ende hin. Ansonsten läuft ein Großteil der Handlung aber über Dialoge. Dabei ist es vor allem Maigret selbst, der das Wort übernimmt. Während er andere durch die Gegend rennen lässt, sucht er in Gesprächen die Wahrheit. Wenn er das Café besucht oder später Zeit mit den Verdächtigen verbringt, dann dient das in erster Linie dem Ziel, die Menschen kennenzulernen, ihr Milieu kennenzulernen, herauszufinden, wer was wann warum tut. Der Rest ergibt sich dann schon von selbst.
Immer noch sehenswert
Das ist durchaus atmosphärisch, zudem gut gespielt. Harry Baur verkörpert den berühmten Kommissar als wohlmeinenden, bedachten Menschen, der trotz seiner Bürgerlichkeit das mit den Regeln nicht ganz so wichtig nimmt. Der gebürtige Russe Valéry Inkijinoff wiederum verleiht seiner Figur eine gleichermaßen diabolische wie tragische Note. Ein Mann, der nie einen Platz gefunden hat und in seinem Schmerz zu einem Monster wurde. Das neigt ein bisschen zur Theatralik, wie man es von einem Film aus dem Jahr 1933 erwarten kann. Insgesamt ist Maigret: Um eines Mannes Kopf aber eine sehenswerte Interpretation des Krimiklassikers, die tief in die menschlichen Abgründe blickt.
OT: „La tête d’un homme“
Land: Frankreich
Jahr: 1933
Regie: Julien Duvivier
Drehbuch: Julien Duvivier, Pierre Calmann, Louis Delaprée
Vorlage: Georges Simenon
Musik: Jacques Dallin
Kamera: Armand Thirard
Besetzung: Harry Baur, Valéry Inkijinoff, Gina Manès, Alexandre Rignault, Gaston Jacquet, Louis Gauthier, Marcel Bourdel
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