Der 17-jährige Damien Delille (Kacey Mottet-Klein) wohnt mit seiner Mutter Marianne (Sandrine Kiberlain), die als Landärztin arbeitet, am Fuße der Pyrenäen. Sein Vater Nathan (Alexis Loret) ist hingegen meistens unterwegs, als Hubschrauberpilot der Armee im Einsatz. Sehr viel mehr beschäftigt ihn jedoch Thomas Chardoul (Corentin Fila), der mit ihm in die Schule geht. Immer wieder kommt es zu Streitigkeiten zwischen den beiden, schon der kleinste Anlass reicht, damit die Fäuste fliegen. Dabei werden sie bald sehr viel mehr miteinander zu tun haben: Als seine Adoptiveltern (Jean Fornerod, Mama Prassinos) Nachwuchs erwarten, zieht Thomas wohl oder übel erst einmal zu den Delilles, wo sich die beiden Streithähne mit der Zeit näherkommen …
Eine schlagkräftige Liebe
Was sich liebt, das neckt sich. In der Filmgeschichte wimmelt es von Beispielen, in denen Männer und Frauen zunächst gar nicht miteinander können, sich dann aber aufgrund äußerer Umstände doch irgendwie näherkommen, bis sie irgendwann Gefühle füreinander entwickeln. Das Publikum weiß das natürlich schon längst, wartet meist nur darauf, dass die zwei so offensichtlich füreinander Bestimmten endlich mal auf ihr Herz hören. In Mit siebzehn ist das prinzipiell recht ähnlich. Doch wo bei anderen Filmen, vor allem denen aus dem leichteren, humorvolleren Bereich, vielleicht mal ein bissiger Spruch fällt, da gibt es bei dem französischen Drama zunächst pure Gewalt.
Tatsächlich darf man hier erst einmal schockiert sein, zumindest aber irritiert, wenn Thomas über Damien herfällt, ohne Vorwarnung, ohne Kontext, ohne Erklärung. Der wiederum ist geübt in Selbstverteidigung, weshalb er seinem Angreifer gut kontra geben kann. Er mag mehr nach sanftem Streber aussehen, ein Opfer ist er deswegen aber nicht. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen, zu Prügeleien, zu ausgelebter Aggression, was das schulische und private Umfeld überfordert und vor Rätsel stellt. Das bekommt irgendwann dann auch eine sexuelle Note, wobei Mit siebzehn da dennoch viel offen lässt. Sind das nur unterdrückte sexuelle Gefühle? Oder treibt die Jungs etwas anderes an?
Die Suche nach der eigenen Identität
Gerade Thomas wird als jemand gezeigt, der in einer tiefen Identitätskrise steckt. Ein dunkelhäutiger Jugendlicher auf dem Land, adoptiert von weißen Bauern, da fällt man automatisch aus dem Rahmen. Während das früher wohl für ihn kein Problem war, tut er sich aber inzwischen immer schwerer damit. Er kann sich kaum mehr in allem wiederfinden, zieht sich in der Schule zurück, seine Noten werden schlechter und schlechter. Als seine Adoptiveltern auch noch ein „richtiges“ Kind erwarten, weiß er endgültig nichts mehr mit sich anzufangen. Er will Tierarzt werden, das ist so ziemlich das einzige, von dem er überzeugt ist. Und selbst das wird immer unwahrscheinlicher aufgrund seiner schwachen schulischen Leistungen.
Am interessantesten ist Mit siebzehn dann auch, wenn Regisseur André Téchiné und seine Co-Autorin Céline Sciamma (Porträt einer jungen Frau in Flammen) sich auf diese beiden Jugendlichen konzentrieren und auf eine körperliche wie seelische Entdeckungsreise schicken. Wenn sie die zwei Teenager aufeinanderhetzen und man nie so genau sagen kann, was als nächstes geschieht. Das hat auch mit einer gewissen Willkürlichkeit der Ereignisse zu tun. Manche Veränderungen sind schon sehr gewollt, an anderen Stellen weiß man hingegen nicht, was das nun erreicht werden sollte – zum Beispiel eine Szene um eine sexuelle Fantasie der Mutter. An den Stellen hätte das Drama gern etwas natürlicher sein dürfen.
Starke Auftritte
Dafür sind die Auftritte der Jungschauspieler Kacey Mottet-Klein (Nur Kinder) und Corentin Fila (Sterbliche) sehr sehenswert, ihr intensives Ringen um Liebe, Lust und Selbstbestimmung füllt die Seiten beeindruckend aus, welche das Drehbuch nicht gefüllt hat. Mit siebzehn ist dabei auch mehr als „nur“ ein LGBT-Drama um Jugendliche, die ihre Homosexualität entdecken. Vielmehr wird der französische Film zu einem faszinierenden Porträt von Jugend selbst, in der vieles ein Eigenleben entwickelt, von dem man nicht weiß, was es ist. Wenn Damien an einer Stelle sagt, er versuche herauszufinden, ob er allgemein auf Männer stehe oder nur auf Thomas, dann kann man das an der Stelle noch als Versuch verstehen, den anderen aufzuziehen. Und doch wird darin auch klar, wie hier jemand alle Möglichkeiten vor sich sieht und dabei überwältigt ist von dem, was in ihm und um ihn herum geschieht. In dem Alter kann irgendwie noch alles geschehen und es ist für ihn wie auch das Publikum spannend zu sehen, was genau daraus wird.
OT: „Quand on a 17 ans“
Land: Frankreich
Jahr: 2016
Regie: André Téchiné
Drehbuch: André Téchiné, Céline Sciamma
Musik: Alexis Rault
Kamera: Julien Hirsch
Besetzung: Kacey Mottet-Klein, Corentin Fila, Sandrine Kiberlain, Alexis Loret, Jean Fornerod, Mama Prassinos
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Berlinale | 2016 | Goldener Bär | Nominierung | |
César | 2017 | Bester Nachwuchsdarsteller | Kacey Mottet-Klein | Nominierung |
Bester Nachwuchsdarsteller | Corentin Fila | Nominierung | ||
Prix Lumières | 2017 | Bester Nachwuchsdarsteller | Kacey Mottet-Klein | Nominierung |
Bester Nachwuchsdarsteller | Corentin Fila | Nominierung |
Berlinale 2016
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