Über die Jahrhunderte nahm zusammen mit dem Zuwachs der Wissenschaften und der Erkenntnisse auch die Erklärbarkeit der Welt zu. Wurde im 17. Jahrhundert ein Naturereignis noch im Rahmen des Glaubens als ein Zeichen dafür interpretiert, dass sich die Menschen ihrem Gott schuldig gemacht haben durch ihr Verhalten, würde heute niemand mehr auf die Idee kommen, hinter einem Erdbeben Übersinnliches oder einen Gott zu vermuten. Jedoch gibt es nach wie vor Grauzonen in unserer Welt, denn trotz (oder gerade wegen) unseres erweiterten Wissens, müssen wir auch in Kauf nehmen, welche Grenzen dieses hat. Frei nach der Regel, dass die Grenzen der Welt gleich sind mit denen der Wahrnehmung, wissen wir nun umso mehr über jene Zonen, die außerhalb unserer Reichweite liegen, wie beispielsweise die Gehirnforschung beweist, welche zwar sehr viel über das menschliche Hirn herausgefunden haben, aber zugeben muss, dass noch vieles im Verborgenen liegt.
Während wir uns mit diesen Grauzonen abgefunden haben und in die Forschung vertrauen, dies es möglich macht, auch diese Grenzen zu beseitigen, gibt es aber auch noch Geister. Auch wenn die Idee von Gespenstern und dem Kontakt mit einer anderen Welt an diverse Astro-Hotlines denken lässt und eher Stoff von Gruselfilmen ist, gibt es diese Phänomene dennoch und viele Menschen glauben an sie, und dies sind nicht unbedingt solche, die einfach nur naiv oder schlichtweg ungebildet sind, ganz im Gegenteil. In ihrer Dokumentation Mythos – Die größten Rätsel der Geschichte: Geister und Gespenster geht Regisseurin Daniela Eberl der Idee des Übersinnlichen nach, wobei sie und ihr Team sich nicht nur in Spukhäuser und -schlösser begeben, sondern auch den aktuellen Forschungsstand sowie Theorien berücksichtigen, wenn es darum geht zu klären, welchen Stellenwert das Übersinnliche für unser Leben hat.
Aberglaube, Legende uns Suggestion
In ihrer Dokumentation folgt Eberl einem sehr klassischen Aufbau, welcher von einer Frage ausgehend sich zunächst mit der Vergangenheit des Phänomens und dann dem gegenwärtigen Forschungsstand befasst. Die einzelnen Segmente greifen dabei auf historische Erkenntnisse zurück, wie beispielsweise der Archäologie und der Rolle des Jenseits in antiken Kulturen, sowie auf Gelehrte wie den britischen Historiker Dr. Sam Willis oder die Anthropologin Dr. Anna Machin. Dabei entsteht ein informativer und hochinteressanter Überblick über die Distinktion zwischen Realität, Übersinnlichem und Wahrnehmung, sowie zwischen Aberglaube und Überlieferung. Darüber hinaus verfolgt die Dokumentation das Phänomen des Übersinnlichen bis in die heutige Zeit, beispielsweise über die Legende des Geistes von Anna Bolelyn oder der Legende des Hundefräuleins.
Ein überaus gelungenes Segment geht von der Frage aus, inwiefern es sich bei Geistersichtungen nicht um eine Form der Suggestion handelt, inwiefern nicht unsere mentale oder gar physische Disposition die Grundlage für jene übersinnlichen Erscheinungen liefert. Ein Feldversuch, der vier Probanden in ein als Spukhaus verrufenes Hotel versetzt, in welchem sie einige Stunden verbringen müssen, geht der Frage nach, inwiefern alleine die Geschichte eines Ortes unsere Wahrnehmung beeinflusst, ähnlich einem Zuschauer, der zuvor einen gruseligen Film gesehen hat und sich nun nicht mehr in den dunklen Flur traut. Auch in diesem Segment greift Eberls Team auf die Aussagen von Psychologen zurück und begleitet gar eine Geisterjägerin bei der Arbeit.
OT: „Mythos – Die größten Rätsel der Geschichte: Geister und Gespenster“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Daniela Eberl
Drehbuch: Daniela Eberl, Madeleine Dallmeyer
Kamera: Uri Shwartz, Julian Moser
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