Auf der Erde war die Lage auch schon mal besser. Im Jahr 2070 muss sich die Menschheit nicht nur mit Wetterkatastrophen herumplagen, sondern auch einem zerstörten Mond und Nahrungsknappheit. Die meisten leben in bitterer Armut. Dafür bekommen sie aber anderweitig etwas geboten: Cosmoball! Die rasante Sportart, die in einem speziellen, oberhalb der Erde schwebenden Stadium ausgeübt wird, erfreut sich bei Menschen wie Außerirdischen großer Beliebtheit und lenkt sie ein wenig von den alltäglichen Sorgen ab. Lediglich Anton (Evgeny Romantsov) ist hierfür so gar nicht empfänglich, ist er doch viel zu sehr damit beschäftigt, sich um seine kranke Mutter zu kümmern. Das ändert sich, als er eines Tages ins Team der Erde berufen wird und dabei feststellt, dass der Sport neben der Unterhaltung noch einen anderen Zweck verfolgt, welcher der Bevölkerung bislang verschwiegen wurde …
Russland im Sci-Fi-Rausch
Russland will hoch hinaus: Das gilt nicht nur geo- und realpolitisch. Auch in filmischer Hinsicht ist der Blick in der letzten Zeit auffallend oft auf den Horizont und weiter gerichtet. Ob nun der Bewusstseinsalptraum Coma, der Alien-Horror Sputnik oder Attraction über eine extraterrestrische Begegnung der romantischen Art, da wurden schon recht viele Science-Fiction-Vertreter produziert. Und das sogar mit einigem Aufwand. Auch wenn man sich über die inhaltliche Qualität der Filme streiten kann, offensichtlich haben dortige Filmschaffende Gefallen daran gefunden, mithilfe komplexer Computerarbeiten fremde oder futuristische Welten zu erschaffen.
Mit Wächter der Galaxis steht nun der nächste Versuch an, russische Effektschlachten bei uns zu etablieren. Der Titel erinnert dabei sicher nicht ganz zufällig an den Marvel-Superhit Guardians of the Galaxy. Aber es ist nicht der einzige Vergleich, den der Film provoziert. Beim Cosmoball-Spiel, welches dem Film seinen internationalen Titel gegeben hat, werden Erinnerungen an Rollerball wach. Das Prinzip, die Menschheit mit einem Spiel von der Not abzulenken, kennen wir von Die Tribute von Panem – The Hunger Games und Konsorten. Und das sind nur ein paar der Gemeinsamkeiten. Wer will, kann sich knapp zwei Stunden lang nur damit beschäftigen, die diversen Originale wiederzuentdecken, die Regisseur Dzhanik Fayziev und seine vier weiteren Drehbuch-Mitschreibenden eingebaut haben.
Ein unsinniger Mix
Das hört sich nach einem schrecklich generischen Film an, den man bereits vergessen hat, noch bevor man ihn sich ansieht. Das stimmt jedoch nur zum Teil. Auch wenn einem natürlich sehr viel bekannt vorkommt, die dreist geklauten Designs der Aliens zum Langweiligsten zählen, was man in den letzten Jahren sehen musste, so ist Wächter der Galaxis letztendlich ein doch irgendwie seltsamer Genrevertreter. „Besser gut geklaut als schlecht erfunden“, heißt es immer mal wieder. „Gut geklaut“ ist das hier jedoch nicht. Vielmehr wurde so wahllos die Filmtruhe geplündert, dass am Ende kaum etwas mehr zusammenpasst.
Tatsächlich bleibt bei Wächter der Galaxis lange offen, worum es überhaupt gehen soll. Auch wenn der Titel bereits den späteren Twist vorwegnimmt, so richtig vorstellen kann man sich schwer, worauf das hinauslaufen soll. Lässt Fayziev dann erst einmal die Katze aus dem Sack, ist wahlweise die Verwunderung, das Gelächter oder der Ärger groß. Denn eines muss man dem Drehbuchteam lassen: Das ist so ziemlich die bescheuertste Idee, die man wohl hat finden können. Schade ist dabei, dass das Ganze nicht wirklich konsequent verfolgt wird. Anstatt gleich ganz eine Komödie aus dem Stoff zu machen, versuchte das Team, Humor und Ernst im Gleichgewicht zu halten, wohl auch weil zwischendurch auf ein jüngeres Publikum geschielt wurde – siehe die knuffigen Wesen, die später eine Rolle spielen werden und größeres Merchandising-Potenzial haben.
Bilderwelten aus dem Computer
Aber auch wenn der Film unentschlossen ist, eine völlig unsinnige Geschichte erzählt, vollgestopft ist mit Klischees und bei der Aufgabe versagt, das Gefühl von Bedrohung zu erzeugen: Wächter der Galaxis hat was. So sind die Bilder beispielsweise reizvoll. Klar können sie es nicht mit denen aus Hollywood aufnehmen, dafür reichte das Budget nicht. Man sieht in jeder Einstellung, dass da Computer am Werk waren. Und bei den Aliens hätte man sich wie oben bereits gesagt mehr Mühe geben können. Doch die knallbunte Inszenierung einer zerstörten Welt hat eine so unwirkliche Atmosphäre, dass es fast schon egal ist, was sich vor diesen Kulissen abspielt. Zusammen mit dem geballten Blödsinn lenkt der Film daher schon ganz gut von der realen Welt ab, was manchmal auch nicht ganz verkehrt ist.
OT: „Vratar galaktiki“
IT: „Cosmoball“
Land: Russland
Jahr: 2020
Regie: Dzhanik Fayziev
Drehbuch: Dzhanik Fayziev, Twister Murchison, Drew Row, Andrey Rubanov, Anastasiya Safronova
Musik: Tony Neiman
Kamera: Maksim Osadchiy-Korytkovskiy
Besetzung: Evgeny Romantsov, Mariya Lisovaya, Victoria Agalakova, Ivan Ivanovich, Elizaveta Taychenacheva
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)