Im Leben von Leigh (Bethany Anne Lind) stimmt schon seit einer Weile nichts mehr. Ihr Ex-Mann sitzt seit Ewigkeiten im Knast, weshalb sie sich allein um die schlecht gehende Autowerkstatt und ihren Sohn kümmern muss. Hinzu kommt das angespannte Verhältnis zu ihrem Vater, das sie seit ihrer Kindheit prägt. Doch jetzt hat sie erst einmal andere Sorgen: Sie muss die Leiche loswerden. Zunächst beschließt sie, diese im See zu versenken, wo sie niemand findet. Auf dem Weg dorthin überkommen sie aber Gewissenbisse, als sie feststellt, dass der Mann selbst eine Familie hatte. Und so fasst die den Entschluss, den Körper zu den Angehörigen zu bringen und dort abzuladen – ein Entschluss, der für alle weitreichende Folgen haben wird …
Was tun mit der Leiche?
Wenn Genrefilme mit einer Leiche beginnen, dann hat das oft eine der beiden folgenden Konsequenzen. Entweder dreht sich die Geschichte darum herauszufinden, wer den Mord begannen hat, ein klassischer Whodunnit-Krimi à la Agatha Christie eben. Oder es geht darum, wie jemand diesen Tod rächen will in Form eines Thrillers. Blood on My Name zeigt dabei: Es gibt noch ganz andere Alternativen. Hier scheint zunächst alles klar zu sein, wenn Leigh sich um den brutal erschlagenen Mann kümmern und damit den Mord an sich verschleiern muss. Ebenso schnell wird aber auch klar, dass die Protagonistin mit dieser Aufgabe ganz offensichtlich überfordert ist und in ihrem moralischen Zwiespalt einen Fehler nach dem anderen macht.
Für das Publikum schließen sich daran zwangsläufig diverse Fragen an. Die erste ist: Wird Leigh mit dieser Tat durchkommen oder wird ihr das einsetzende schlechte Gewissen zum Verhängnis? Gleichzeit wird mit der Zeit deutlich, dass vieles in Blood on My Name am Ende doch nicht so klar ist, wie es zunächst den Anschein hatte. Wenn Regisseur und Co-Autor Matthew Pope die eigentliche Tat nicht aufzeigt, weder zu Beginn noch als Flashback, dann ist das eine ebenso mutige wie clevere Idee. Als Zuschauer bzw. Zuschauerin darf man sich die Wahrheit hier selbst zusammenbauen. Eine Wahrheit, die aber eben nicht auf eine konkrete Handlung zurückgeht, sondern Teil eines größeren Ganzen ist, das weit über diese eine Nacht hinausgeht.
Die Menschen hinter dem Mord
Dass er keine besonders fröhliche Geschichte zu erzählen hat, das demonstriert der Nachwuchsfilmemacher natürlich schon sofort. Wenn ein Film mit einer nächtlichen Szene beginnt, in der es in Strömen regnet, dann ist das eines der ältesten und inzwischen verbrauchtesten Mittel, um dem Publikum klarzumachen: Vorsicht, hier wird es düster! Doch Pope begnügt sich nicht damit, bei seinem Langfilmdebüt Blood on My Name einfach nur ein bisschen Stimmung mittels des Settings verbreiten zu wollen. Viel wichtiger ist ihm die Psychologie der Figur. Wer sind diese Leute? Warum tun sie, was sie da tun? Und können sie überhaupt anders?
Der Thriller, der auf dem Fantasia Film Festival 2019 Weltpremiere hatte, nimmt auf diese Weise zunehmend dramatische Züge an. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen in Blood on My Name in einem dreckigen Grau, wenn korrupte Polizisten, traumatisierte Kinder und entschlossene Mütter aufeinandertreffen. Sie alle tragen zu dem Ablauf der Ereignisse bei, wenn fast alle an irgendwelchen Stellen falsche Entscheidungen treffen. Cross the Line – Du sollst nicht töten arbeitete kürzlich mit einem ganz ähnlichen Szenario, wenn die Hauptfigur in einer unmöglichen Situation landet und diese noch unmöglicher macht. Die Figuren tragen die Schuld und die Verantwortung für ihr Handeln. Und doch sind sie gleichzeitig das Ergebnis der Entscheidungen und Handlungen anderer und können sich denen nicht entziehen. Werden angetrieben von Entwicklungen, die sie nicht beeinflussen können.
Ein tragisches Opfer der Umstände?
Das zeigt sich natürlich vor allem bei Leigh selbst, die von der Brutalität ihres Vaters und der Kriminalität ihres Ex-Mannes geprägt wurde. Sie ist ein guter Mensch, der das Richtige tun will und doch immer falsch handelt. Klar kann man an diesen Stellen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und daran verzweifeln, wie sie alles unnötig noch viel schlimmer macht. Aber darin liegt eben auch die Tragik von Blood on My Name: Durch das Zusammenspiel der einzelnen Akteure und Akteurinnen entsteht ein Automatismus, aus dem es kein Entkommen gibt. Das ist beeindruckend gespielt, gerade von Bethany Anne Lind als Frau und Mutter, die an einer ihr aufgezwungenen Aufgabe zerbricht. Kaum ein Genrebeitrag der letzten Zeit lässt einen vergleichbar niedergeschlagen und vor den Kopf gestoßen zurück, wie es dieser hier tut.
OT: „Blood on Her Name“
Land: USA
Jahr: 2019
Regie: Matthew Pope
Drehbuch: Matthew Pope, Don M. Thompson
Musik: Brooke Blair, Will Blair
Kamera: Matthew Rogers
Besetzung: Bethany Anne Lind, Will Patton, Elisabeth Röhm, Jared Ivers, Jimmy Gonzales, Jack Andrews
Fantasia Film Festival 2019
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