In der ZDF-Sendung FilmFrauen kommen regelmäßig Schauspielerinnen und Regisseurinnen zu und erzählen von ihren eigenen Erfahrungen in einer von Männern dominierten Branche. Anlässlich des Weltfrauentages am 8. März 2021 folgt auch eines mit der erfolgreichen Theater-, Kino- und Fernsehdarstellerin Carmen-Maja Antoni. Das wiederum war für uns ein schöner Anlass, um uns selbst mit der Schauspielerin über ihren Werdegang und ihre Erlebnisse zu unterhalten, aber auch darüber, wie sich das Schauspielen heute von dem zu Zeiten der DDR unterscheidet.
Wie verbringen Sie den Weltfrauentag?
Für mich ist eigentlich jeder Tag ein Weltfrauentag, weil ich das Thema so wichtig finde. Wir kämpfen inzwischen schon ein ganzes Jahrhundert um die Position der Frauen, in der Politik, der Kunst, überall. Wir Frauen sind einfach wichtig: Wir haben Kinder, wir haben Enkel, wir haben einen Beruf. Viele von uns haben Männer, was auch eine Menge Arbeit ist. Wir haben viele Ideen und sind auch klug zum Teil. Insofern ist der Weltfrauentag ein Anlass, um darüber nachzudenken, wie wichtig Frauen für unsere Gesellschaft sind.
Also braucht es diesen Weltfrauentag auch?
Ich finde ihn gut. Es gibt einen Tag des Eisenbahners. Warum sollte es da nicht auch einen Tag der Frau geben?
In Ihrem ZDF-Beitrag zum Weltfrauentag haben Sie von starken Frauen gesprochen. Was macht für Sie eine starke Frau aus?
Eine starke Frau ist jemand, der den Kampf mit Männern aufnimmt. Ich merke das an der Theaterarbeit oder an den männlichen Regisseuren: Männer und Frauen reiben sich in solchen Situationen mehr. Wenn ich mit Regisseurinnen arbeite, ist das oft ein gemeinsames Ringen um die Sache. Bei Männern geht das oft mit Behauptungen einher, wie etwas gemacht werden muss. Eine starke Frau stellt sich diesem Kampf und sagt klar: Ich bin genauso viel wert wie jeder andere, der mir gegenüber steht.
Macht es in der Hinsicht einen Unterschied, ob es Film oder Theater ist?
Film ist noch einmal ein bisschen anders. Beim Theater kommt es aufgrund der langen Probezeit leichter zu Konfrontationen, während die gemeinsame Arbeit beim Film vergleichsweise kurz ist. In komprimierter Form tritt es aber auch dort auf.
Nun kann aber nicht jeder eine starke Frau sein. Was ist mit den Frauen, die diesen Kampf nicht aufnehmen können oder wollen? Sollten sie sich diesen Beruf dann lieber nicht antun?
Der Beruf der Schauspielerei hat ja nicht nur etwas mit Stärke zu tun, sondern vor allem mit Persönlichkeit. Es braucht bei diesem Beruf eine hohe Disziplin und eine hohe Kritikfähigkeit. Meine Devise an die jungen Leute, die ich zum Teil noch unterrichte: Sie müssen Kritik ertragen können. Unser Beruf besteht zu 90 Prozent aus Kritik. Wer das nicht ertragen kann, der ist falsch in diesem Beruf. Es ist ganz normal, dass dir auf der Bühne oder vor der Kamera zehnmal am Tag gesagt wird, dass du etwas anders machen sollst, dass du etwas nicht kannst oder es lieber so und so machen sollst. Die Kritik bringt eine gewisse Demut, dass man das entgegennimmt. Das ist dann die Grundlage für Kommunikation, eine gute Kommunikation. Und damit eine gute Arbeit. Schauspielerei ist ein ganz schwerer Beruf. Du wirst da nicht einfach so zum Star. Diese Erwartung kann man sich gleich abschminken. Bevor du es zu etwas bringst, musst du richtig hart arbeiten und viel durchmachen.
Wenn Sie an Ihre eigene Anfangszeit zurückdenken, welche Erwartungen hatten Sie selbst an diesen Beruf?
Ich muss dazu sagen, dass ich von Kind an in diesen Beruf hineingewachsen bin und immer wusste, was es heißt, diszipliniert zu sein, bereit zu sein, aufzupassen, zuzuhören und zu gehorchen. In meiner Kindheit wurde noch live gesendet. Da gab es dann das Rotlicht und los ging’s. Ich habe damals auch schon gelernt, dass man sehr viel von seinem privaten Klimbim zurückstellen muss. Die Schauspielerei ist wie gesagt ein sehr harter Beruf. Aber es ist auch ein sehr schöner Beruf. Und ich bin glücklich und dankbar, dass ich ihn immer ausüben könnte. Ich möchte auch nichts anderes tun.
Hatten Sie denn damals Idole, die Sie bewundert haben? Gerade weibliche Idole?
Ich bin damals sehr viel ins Theater gegangen und war immer ganz verzaubert von den Inszenierungen. Da ging es aber mehr um das Gesamte. In meiner Generation gab es nicht diese Suche nach Stars und Prominenz. Für mich waren das immer tolle Menschen, die etwas ganz Besonderes ganz einfach können. Ich habe sie dafür schon sehr bewundert. Aber es waren keine Idole in dem Sinn.
Und hatten Sie damals bestimmte Vorlieben, etwa für bestimmte Genres oder Themen? Oder war das mehr querbeet?
Das war querbeet. Ich konnte mich für alles begeistern und war beispielsweise jeden Sonntag im Kino. Und natürlich war ich so oft es ging im Theater. Dadurch habe ich auch gelernt, dass es komische Stücke gibt und tragische Stücke und dass alles seinen Platz hat. Bestimmte Geschichten habe ich deshalb nicht gesucht. Dafür war meine Neugierde einfach zu groß.
Und nachdem Sie dann selbst bei der Schauspielerei gelandet waren, haben sich Ihre Erwartungen erfüllt? Oder kam es ganz anders?
Du brauchst schon auch Glück in diesem Bereich. Und ich hatte Glück. Ich hatte beim Theater tolle Rollen und war toll besetzt. Beim Film war das nicht immer so toll. Dafür habe ich aber in sehr vielen Filmen mitgespielt. Und ich habe mir immer vorgenommen: Jeder Drehtag soll so gut sein, dass ich ihn nicht wieder vergesse.
Gab es dann bei diesen Drehs welche, die besonders toll waren? Also noch besser, als sie es ohnehin schon sind?
Auf jeden Fall. Dazu zähle ich zum Beispiel Der Laden, ein Dreiteiler unter der Regie von Jo Baier. Für mich eine der besten Literaturverfilmungen der letzten Jahre. Ganz große Freude hat mir der Film Kindheit von 1986 bereitet. Aber auch ganz fröhliche Filme wie Miss Sixty.
Sie haben eben schon von den Reibereien mit Regisseuren erzählt. Welche Erfahrungen haben Sie darüber hinaus als Frau in dieser Unterhaltungsbranche gesammelt?
Es ist wichtig, dass man sein eigenes Ding durchzieht. Ich bin ein ziemlicher Einzelkämpfer und habe mich selten beirren oder beeinflussen lassen von anderen Leuten. Ich habe alles immer so durchgezogen, wie ich es mir vorgenommen habe. Und wenn ich mit einem Plan gescheitert bin, dann bin ich eben gescheitert. Da ich aber wie gesagt das Glück bei der Besetzung hatte und irgendwann auch das nötige Können, war das für mich ein Spaß. Ich löse Konflikte ja freundlich. Ich bin kein Stänkerer, sondern ein neugieriger und naiver Mensch, der Konflikte konstruktiv lösen möchte. Das ist für mich wichtig und interessant. Du darfst in diesem Beruf nicht resignieren. Das kann natürlich schnell passieren, wenn man keine guten Rollen bekommt. Gleichzeitig gibt es so viele Möglichkeiten, sei es synchronisieren oder Hörspiele für Kinder zu produzieren. Du musst dich dann einfach aufmachen und etwas Neues suchen.
Gab es dennoch Situationen in Ihrem Leben, in denen Sie der Resignation nahe waren?
Ja, natürlich. Ich habe einmal gesagt, dass ich eine Rolle nicht spielen werde, weil der Regisseur nicht dem Inhalt entsprach und ich nicht mit ihm arbeiten konnte. Da das aber der Parteichef des Theaters war, hat er mich bestraft, indem sie mich zu einem Gastspiel nicht mitgenommen haben. Dafür hatte ich dann Zeit, die ich mit meinen Kindern verbringen konnte. Das war wunderschön. Mein Sohn hat schon als Kind zu mir gesagt: „Mama, du musst nicht ins Theater gehen, um zu spielen. Wir können auch schön zu Hause spielen.“ Auch als wir 1990 nicht mehr besetzt wurden, war das natürlich nicht einfach. Aber da heißt es weitermachen und den Kopf oben halten, selbst wenn einem das Wasser bis zum Hals steht. Vor allem dann.
Nun hatten Sie sowohl vor wie auch nach der Wende Erfolg. Wenn Sie zurückblicken, wie unterschied sich das Schauspielern in der DDR und im wiedervereinigten Deutschland?
Ganz vorne muss hier einfach die Teamarbeit genannt werden. In der DDR haben sie alle stärker zusammengearbeitet, sei es Regie, Drehbuch, das Ensemble oder auch das Gewerk, also Kostüm und Maske. Man hat innerhalb eines Projekts stärker an einem Strang gezogen. Du bist nicht zur Probe gegangen und dir wurden die Kostüme vorgegeben, die du anzuziehen hast. Es gab da noch einen stärkeren Austausch. Jeder konnte sich einbringen und seine Meinung sagen, ohne diese Meinung als die einzig wahre und richtige anzusehen. Heute ist das Theater viel autoritärer und du hast gar nicht die Chance, die Gedanken der anderen aufzunehmen.
Und wie sieht es heute mit Frauenrollen aus? Da wurde in den letzten Jahren viel darüber diskutiert, dass es nicht genügend gute gibt. Haben Sie das Gefühl, dass sich das gebessert hat?
Gute Frauenrollen hat es schon immer gegeben. Schauen Sie sich nur Brecht an. Der hat die schönsten Frauenrollen der ganzen Welt geschrieben. Das sind absolute Starrollen. Ich glaube, das Problem beim Theater ist, dass nicht mehr genug geschrieben wird. Früher schrieb man noch Stücke und hatte ganz bestimmte Schauspielerinnen vor Augen, die man besetzen wollte. Da passiert in dem Bereich zu wenig. Gute Frauenrollen gibt es aber noch immer. Sie sind nur manchmal schlecht besetzt.
Ein zweites Thema sind Frauen, die Regie führen. Sie meinten vorhin, dass es für Sie oft einfacher war, mit Regisseurinnen zu arbeiten. Warum gibt es dann so wenige von ihnen? Warum haben wir so viele bekannte Schauspielerinnen, aber so wenige bekannte Regisseurinnen?
Das hängt auch damit zusammen, dass der Beruf ein Wanderberuf ist. Wenn du Theaterregisseur bist, dann gehört es dazu, dass du von Ort zu Ort gehst. Du kommst eben nicht an ein bestimmtes Theater und gehst von dort nicht mehr weg. Und das wird ab dem Zeitpunkt schwierig, wenn du Kinder und eine Familie haben möchtest. Würden wir in einer Gesellschaft leben, in der die Männer zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern, wäre das kein Problem. Aber so weit sind wir leider nicht.
Um für mehr Gleichberechtigung zu sorgen, wird in mehreren Bereichen der Gesellschaft inzwischen mit Frauenquoten gearbeitet. Wäre das in künstlerischen Berufen für Sie eine Option?
Frauenquote ist ein Begriff, der in die Politik gehört, nicht in die Kunst. In der Politik gibt es eindeutig zu wenig Frauen. Und da geht es auch nicht wirklich voran.
Man könnte aber zum Beispiel beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen festlegen, dass es bei den vielen TV-Filmen eine bestimmte Quote an Regisseurinnen geben muss.
Das sollte einfach eine Selbstverständlichkeit sein, dass dort Frauen Regie führen. Weil sie es können. Frauen können wahnsinnig gut organisieren und sind wahnsinnig gut aufgeräumt.
Und wie geht es bei Ihnen nun weiter? Was sind Ihre nächsten Projekte?
Ich werde eine dritte Staffel von Merz gegen Merz drehen mit Christoph Maria Herbst und Annette Frier. Dann werde ich in Ekel mitspielen, einer kleinen Serie mit Dieter Hallervorden. Gerade habe ich das Drehbuch zum zweiten Teil von Die Känguru-Chroniken bekommen und werde da wieder mit dabei sein. Und im Herbst ist wieder ein Krause-Film geplant.
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