Im August 1944 ist Paris zwar noch in fester Hand der deutschen Wehrmacht. Doch die Alliierten rücken unaufhaltsam näher. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die französische Hauptstadt wieder frei ist. Aus diesem Grund beschließt der kunstaffine Oberst Franz von Waldheim (Paul Scofield), wertvolle Gemälde von Picasso, Cézanne und anderen großen Künstlern aus der Galerie nationale du Jeu de Paume zu entfernen und nach Deutschland zu bringen. Das gilt es natürlich zu verhindern. Paul Labiche (Burt Lancaster), Widerständler und Angestellter der französischen Staatsbahn, soll den Zug irgendwie aufhalten, der die Werke transportiert. Zunächst sträubt er sich dagegen, schließlich ist seine Widerstandsgruppe stark dezimiert und verfolgt ganz andere Prioritäten beim Kampf gegen die Besatzer. Doch mit der Zeit lässt er sich darauf ein und beginnt selbst, alles in seiner Macht zu tun, um den Zug aufzuhalten …
Kunstraub während des Krieges
Filme, die während eines Krieges spielen, handeln meistens von Heldentaten, von großen Schlachten, welche die Wendung bringen, oder auch den Versuchen, Menschenleben zu retten. Also alles, was beim Publikum große Gefühle auslöst. Und dann gibt es noch Der Zug. Basierend auf einem Sachbuch von Rose Valland widmet sich das Werk einem für sich genommen wichtigen Thema, das dennoch immer etwas sekundär wirkt im Vergleich zu den vielen Verbrechen und Gräueltaten: der Raub von Kunstwerken. Filme dazu gibt es zwar schon immer mal wieder. Doch dabei handelt es sich dann eher um Titel wie Die Frau in Gold, die mit dem Erbe dieser Enteignungen beschäftigen und gerne mal im Dramabereich angesiedelt sind.
Der auf Spannung spezialisierte Regisseur John Frankenheimer (French Connection II) machte aus diesem Stoff hingegen eine Mischung aus Abenteuerfilm, Heist Movie und Kriegsthriller. In Der Zug wird nicht lamentiert oder diskutiert. Hier wird gehandelt, wenn zahlreiche Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen, um die Kunstwerke zu beschützen. Dabei wird nicht einmal immer wirklich klar, warum sie das tun. Während die Motivation bei der hilfesuchenden Museumsleiterin Mademoiselle Villard (Suzanne Flon) verständlich ist, da sie nun einmal eine Frau vom Fach ist, nehmen später immer mehr Leute den Kampf auf, die aus einer völlig anderen Welt stammen. So wird bei dem schroffen Lokomotivführer mit dem Kosenamen Papa Boule (Michel Simon) früh klar, dass er mit den Bildern gar nichts anfangen kann. Und doch startet er mehrere waghalsige Aktionen, mit denen er jedes Mal sein Leben riskiert.
Eine Welt voller Ambivalenzen
Warum er das tut, das wird nie erklärt. Doch das ist hier kein Versäumnis, kein Zeichen für eine mangelnde Charakterisierung. Vielmehr zeigt Der Zug eine Welt, in der vieles nicht mehr wirklich eindeutig ist. So ist auch der von Burt Lancaster (Du lebst noch 105 Minuten, Der Leopard) verkörperte Protagonist nicht der typische Held solcher Kriegsgeschichten. Natürlich kämpft er für die gute Sache. Warum aber die Bilder nun schützenswert sein sollen, dafür fehlt ihm der Sinn. Darauf angesprochen fällt ihm keine wirkliche Antwort ein. Er versucht vielmehr seine diversen Mitstreiter davon abzuhalten, sich an der Rettungsaktion zu beteiligen, weil er darin keinen Wert sieht. Dadurch entsteht ein interessantes Fernduell zwischen einem Bösen, dem die Gemälde etwas bedeuten, und einem Guten, dem sie völlig egal sind.
Aber es ist nicht nur diese an vielen Stellen deutlich werdende Ambivalenz, welche den Film bis heute sehenswert macht. Auch der Kampf an sich sorgt für jede Menge Spannung. In Der Zug kommen vergleichsweise selten Waffen zum Einsatz. Vielmehr besteht die Strategie der Widerständler darin, durch Täuschungsmanöver oder Sabotagen die Abfahrt so lange hinauszuzögern, bis die Alliierten da sind. Diese doch recht unterschiedlichen Maßnahmen verleihen dem Film trotz einer recht geradlinigen Handlung genügend Abwechslung. Mal gehen die Männer recht raffiniert an die Arbeit, was eine fast schon komische Abfolge von Listen zur Folge hat. An anderen Stellen wird es dafür recht brachial, wird auf grobe Gewalt vertraut, um ans Ziel zu kommen – oder eben nicht ans Ziel zu kommen.
Spannung bis zum Schluss
Für das Publikum bedeutet das viel Nervenkitzel. Nicht nur, dass man hier allgemein zittern darf, ob die Mission erfolgreich ist oder nicht. Es kommt zudem währenddessen zu zahlreichen Wendungen und Rückschlägen, der Kampf um die Bilder wird sehr viele Menschenleben kosten. Das geht so schnell, dass man kaum Zeit hat, um diese Toten zu betrauern. Als Zuschauer bzw. Zuschauerin bekommt man nicht einmal die Gelegenheit, sie als Individuen kennenzulernen. Dennoch gelingt es Der Zug sehr gut, die menschliche Dimension dieses Widerstandskampfes zu verdeutlichen. Die hohen Verluste zu verdeutlichen, welche die Rettungsaktion mit sich bringt und die unweigerlich dazu führen, alles in Frage zu stellen. Ohne jeglichen Zweifel beeindruckend ist dafür der enorm hohe Aufwand, der bei dem Film betrieben wurde, gerade in Bezug auf die vielen Maschinen und Fahrzeuge, die zum Einsatz kommen. Dieser Materialschlacht, bei der auch echte Loks ineinander rasseln, verdankt der ungewöhnliche Kriegsthriller eine sehr starke und physisch geprägte Atmosphäre, welche es heute in Zeiten von reinen Computereffekten kaum noch gibt.
OT: „The Train“
Land: Frankreich, Italien, USA
Jahr: 1964
Regie: John Frankenheimer
Drehbuch: Franklin Coen, Frank Davis
Vorlage: Rose Valland
Musik: Maurice Jarre
Kamera: Jean Tournier, Walter Wottitz
Besetzung: Burt Lancaster, Paul Scofield, Jeanne Moreau, Michel Simon, Suzanne Flon, Wolfgang Preiss, Albert Rémy
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Academy Awards | 1966 | Bestes Original-Drehbuch | Franklin Coen, Frank Davis | Nominierung |
BAFTA Awards | 1965 | Bester Film | Nominierung |
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