Die Geschwister Alice (Keira Chansa), Peter (Jordan Nash) und David (Reece Yates) haben eine blühende Fantasie, welche sie in den nahegelegenen Wäldern ausleben. Dort können sie ungestört Abenteuer erleben und die Welt da draußen vergessen. Bis zu jenem Tag, als es zu einem Unglück kommt. Während ihre Eltern Rose (Angelina Jolie) und Vater Jack (David Oyelowo) mühsam versuchen, die Familie zusammenzuhalten und sich zudem mit finanziellen Problemen herumplagen müssen, halten die Kinder unbeirrt an ihren Träumen fest. Denn nur darin finden sie den Halt, welcher ihnen ansonsten versagt bleibt. Als die Familie endgültig auseinanderzubrechen droht, beschließen Alice und Peter, ihr Glück in der Stadt zu versuchen und dank eines weiteren Abenteuers eine Lösung für ihre Probleme zu finden …
Zwei Klassiker im modernen Gewand
Dass beliebte und erfolgreiche Bücher mehrfach verfilmt werden, das liegt ein bisschen in der Natur der Sache. So lange genug Zeit zwischen diesen Adaptionen liegt, diese sich vielleicht auch genug unterscheiden, kann das auch durchaus funktionieren. Doch sobald diese Bücher erst einmal Public Domain geworden sind und sich praktisch jeder daran vergreifen kann, kommt irgendwann der Punkt, bei der jede neue Adaption schon eine gewisse Rechtfertigung liefern muss, warum es jetzt unbedingt noch eine Fassung braucht. Zwei der Bücher, bei denen man sicher von Übersättigung reden darf sind Alice im Wunderland (1865) von Lewis Carroll und Peter Pan (1911) von J. M. Barrie. Beide gibt es in unzähligen Versionen, etwa auch von Disney. Mal sind diese naturgetreu, mal groteske Interpretationen (Alice, Pan).
Nun gibt es eine weitere Version, die auf den beiden Klassikern aufbaut, dabei aber betont eigene Wege geht. Der Clou von Die Magie der Träume: Hier werden einfach beide Romane zusammengeführt, Peter und Alice zu Geschwistern gemacht. Und als wäre das nicht schon genug, um Puristen zu empören, werden die hellhäutigen Kinder der beiden britischen Vorlagen von People of Color verkörpert. Genauer handelt es sich im Film um die Kinder eines Schwarzen und einer Weißen. Eine solche Veränderung legt natürlich nahe, dass der Film damit auch politisches oder gesellschaftliches Statement sein will. Abgesehen von der weißen Tante, welche die dunkelhäutige Alice zu einer Lady erziehen will, was durchaus als Symbol für Kolonialismus durchgeht, hält man sich in der Hinsicht jedoch auffallend zurück.
Die Suche nach einer Aussage
Nun muss natürlich nicht jedes Beispiel von Diversität gleichzeitig politisches Signal sein. Einfach nur mehr Repräsentation zu wagen, ist ja auch schon was. Allerdings ist diese wenig konkrete Umdeutung gleichzeitig symptomatisch für Die Magie der Träume. Denn es wird bei dem Film, der auf dem Sundance Film Festival 2020 Premiere hatte, nie wirklich klar, was er genau sein will und was hiermit ausgesagt werden soll. Als tatsächliche Origin Story der beiden Klassiker, was an manchen Stellen zu lesen ist, funktioniert das hier kaum. Denn während bei den Büchern Ausflüge in Fantasywelten anstehen, ist hier immer klar, dass das alles nur im Kopf der Kinder stattfindet. Die fantastischen Erlebnisse sind für sie Möglichkeiten, ihrer Realität zu entkommen.
Die Magie der Träume ist damit Titeln wie I Kill Giants näher, bei denen fantastische Abenteuer eine Möglichkeit waren, mit Traumata umzugehen. Grundsätzlich ist das ein spannendes Thema, die Verbindung zu Peter Pan und Alice im Wunderland grundsätzlich auch schlüssig. Das erste Buch handelte schließlich von einem Jungen, der nicht erwachsen werden will. Das zweite von einem Mädchen, das in einer Traumwelt unter anderem das verarbeitet, was ihr im realen Leben geschieht. Nur fehlt es eben auch in der Hinsicht an Konsequenz und einer klaren Aussage. Die Fantasie stellt hier zwar einen Fluchtweg dar, ohne aber dass die Kinder tatsächlich entkommen. Die Träume können sogar destruktive Kräfte sein, welche Probleme erschaffen oder zumindest verschlimmern. So richtig kann der Film sich daher nicht entscheiden, was Fantasie nun genau sein soll, ob positiv oder negativ. Sie wird nicht einmal als etwas Ambivalentes gezeichnet. Sie ist einfach nur irgendwie da.
Schön verschwendetes Potenzial
Immerhin: Rein visuell ist Regisseurin Brenda Chapman (Merida – Legende der Highlands) einiges geglückt. Gerade die Gegenüberstellung von kindlicher Vorstellung und erwachsener Tristesse bringt einige sehr schöne Szenen hervor. Das leicht surreale Element, wenn sich immer wieder Elemente aus den beiden Büchern in den Alltag schleichen, steht dem Film ebenfalls. Zudem macht es einfach Spaß, den Kindern dabei zuzusehen, wie sie durch die Welt streifen und überall Abenteuer entdecken. Es wäre nur ihnen und dem Publikum zu wünschen gewesen, dass der Inhalt griffiger gewesen wäre. So wird zwar auf Schritt und Tritt deutlich, wie groß das Potenzial des prominent besetzten Dramas gewesen ist – aber auch, wie wenig daraus gemacht wurde.
OT: „Come Away“
Land: UK, USA
Jahr: 2020
Regie: Brenda Chapman
Drehbuch: Marissa Kate Goodhill
Vorlage: Lewis Carroll, J. M. Barrie
Musik: John Debney
Kamera: Jules O’Loughlin
Besetzung: Keira Chansa, Jordan Nash, Reece Yates, David Oyelowo, Angelina Jolie, Anna Chancellor, Gugu Mbatha-Raw
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