Eigentlich könnten die beiden unterschiedlicher kaum sein. Während Maxime (André Dussollier) weltgewandt und lebensfroh ist, da ist Stéphane (Daniel Auteuil) deutlich introvertierter, bleibt lieber auch mal allein für sich. Dennoch sind die beiden seit langem Freunde, zumal sie die Liebe zur Musik eint. Schließlich arbeiten sie beide in derselben Geigenwerkstatt, Maxime als Leiter, Stéphane hat das handwerkliche Geschick. Und noch etwas eint die beiden: Camille (Emmanuelle Béart). Als Maxime eines Tages mit der jungen Geigenspielerin auftaucht und sie als seine neue Geliebte vorstellt, hält Stéphane zunächst nicht allzu viel davon. Doch auch er muss zugeben, dass die hübsche Frau ihre Reize hat. Reize, denen er selbst nach und nach immer mehr verfällt …
Die üblichen Hindernisse eines Liebesdreickes
Bei dreien ist praktisch immer einer zu viel, zumindest wenn da irgendwo noch das Herz mitmischt. Es dürfte dann im Publikum auch nur die wenigsten überraschen, wenn in Ein Herz im Winter eine Freundschaft auf eine harte Probe gestellt wird, als da auf einmal eine Frau auftaucht, für die sie beide Gefühle entwickeln. Auch der weitere Fahrplan scheint schon festzustehen. Gerade weil die beiden Freunde so grundverschieden sind – Maxime ist ein charmanter Blender, Stéphane der tiefsinnige Ruhepol –, fordern die Gesetze des Liebesfilms ein, dass Camille irgendwann Maxime zum Teufel jagt und sich stattdessen Stéphane zuwendet. Denn er ist der Liebe würdig, anders als sein nur herumspielender, untreuer Freund.
Tatsächlich folgt Ein Herz im Winter diesem Fahrplan eine ganze Weile. Stéphane, der brave Unterwürfige, muss sich eingestehen, dass da Gefühle in ihm sind, auch wenn er diese nicht haben will. Und auch Camille erkennt, dass der Stille, der da im Schatten von Maxime das eigentliche Herz der Werkstatt ist, eigentlich viel interessanter ist und mehr zu bieten hat. Das eine führt zum anderen, aus zunächst verstohlenen Blicken wird die gezielte Suche. Die unausweichliche Öffnung der beiden führt zu jeder Menge Komplikation, natürlich auch mit Maxime, der verständlicherweise nicht ganz glücklich ist über den Verlauf der Geschichte. Aber was soll man machen? So sind nun einmal die Gesetze des Liebesfilms.
Alles nicht so einfach
Tatsächlich entwickelt sich der Film im Anschluss aber etwas anders weiter. Regisseur und Co-Autor Claude Sautet (Die Dinge des Lebens) kennt die Gesetze dieses Genres, das macht er an mehreren Stellen deutlich. Das bedeutet aber nicht, dass er sich zwangsläufig an diese halten muss. Wo andere Filmemacher und Filmemacherinnen gern damit enden, dass ein füreinander bestimmtes Paar alle Hindernisse aus dem Weg geräumt hat und nun bis ans Ende seiner Tage glücklich sein kann, da ist Ein Herz im Winter erst zur Hälfte vorbei. Ganz so einfach, wie einem Filme das weismachen wollen, ist das mit der Liebe dann doch nicht. Nicht jeder, der auf dem Papier gut zusammen passen würde, tut es am Ende auch.
Ein Herz im Winter ist deshalb auch weniger für ein Publikum geeignet, das sich eine Form von Bestätigung sucht und von der großen Liebe träumen möchte. Sautet sagt zwar nicht, dass es diese nicht gibt. Er hat hier keine Anti-Romanze gedreht. Aber es ist oft dann eben doch ein wenig komplexer, vor allem wenn eine derart komplexe bis komplizierte Figur wie Stéphane daran beteiligt ist. Normalerweise ist die Rolle des Zurückhaltenden immer für die sehr Liebevollen reserviert. Stéphane ist hingegen von dieser Konstellation ziemlich überfordert. Zum einen aus Loyalität zu Maxime, dessen Affäre er zwar nicht gutheißt, den er dennoch nicht hintergehen will. Zum anderen aber auch, weil er es nicht gewohnt ist, selbst im Mittelpunkt des Interesses zu stehen.
Stark gespieltes Porträt
Am besten funktioniert Ein Herz im Winter dann auch als Charakterporträt eines Mannes, bei dem nie ganz klar ist, ob er nicht lieben kann oder will. Ein Mann, der einerseits einfühlsam ist, sich selbst aber keine Gefühle zugesteht. Dieser Widerspruch ist sehr ansehnlich von Daniel Auteuil (Die schönste Zeit unseres Lebens, Trennung) verkörpert. Er interpretiert seine Rolle als jemand, der es so sehr gewohnt ist zuzuhören, dass sein Inneres gar nicht darauf ausgerichtet ist, von anderen gehört zu werden. Das ist von außen manchmal ein bisschen frustrierend, wie es immer frustrierend ist, wenn sich Menschen selbst im Weg stehen. Aber es ist eben auch höchst menschlich und zugleich faszinierend, wie hier nichts vorangeht, wo es vorangehen müsste. Wie alles ganz klar ist und dabei zugleich hinter der Fassade so viel vor sich geht, dessen sich die Figuren zum Teil selbst nicht bewusst sind.
OT: „Un coeur en hiver“
Land: Frankreich
Jahr: 1992
Regie: Claude Sautet
Drehbuch: Jacques Fieschi, Claude Sautet, Jérôme Tonnerre
Musik: Philippe Sarde, Maurice Ravel
Kamera: Yves Angelo
Besetzung: Daniel Auteuil, Emmanuelle Béart, André Dussollier, Elisabeth Bourgine, Brigitte Catillon, Myriam Boyer, Maurice Garrel
https://www.youtube.com/watch?v=NGgJ_a2lZK0
Venedig 1992
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
BAFTA Awards | 1994 | Bester fremdsprachiger Film | Nominierung | |
César | 1993 | Bester Film | Nominierung | |
Beste Regie | Claude Sautet | Sieg | ||
Bester Hauptdarsteller | Daniel Auteuil | Nominierung | ||
Beste Hauptdarstellerin | Emmanuelle Béart | Nominierung | ||
Bester Nebendarsteller | André Dussollier | Sieg | ||
Beste Nebendarstellerin | Brigitte Catillon | Nominierung | ||
Bestes Drehbuch | Jacques Fieschi | Nominierung | ||
Beste Kamera | Yves Angelo | Nominierung | ||
Bester Ton | Pierre Lenoir, Jean-Paul Loublier | Nominierung | ||
David di Donatello Awards | 1993 | Bester ausländischer Film | Sieg | |
Bester ausländischer Darsteller | Daniel Auteuil | Sieg | ||
Beste ausländische Darstellerin | Emmanuelle Béart | Sieg | ||
Europäischer Filmpreis | 1993 | Bester Film | Nominierung | |
Bester Hauptdarsteller | Daniel Auteuil | Sieg | ||
Venedig | 1992 | Goldener Löwe | Nominierung |
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