In der Literatur wie auch im Film oder in der Kunst spielt die Darstellung der Familie und des „einfachen“ Lebens seit jeher eine besondere Rolle. Auch wenn es bisweilen in vielen Kunstepochen den Drang gab, sich von diesem zu distanzieren, gar die Idee des Normalen ins Lächerliche zu ziehen, erscheint er über die Jahre immer mehr in den Fokus zu rücken. Berücksichtigt man den Erfolg solcher Filme wie Shoplifters – Familienbande von Hirokazu Koreeda oder gar Parasite von Bong Joon-ho, dann wird nicht nur die Vielfalt des Familiendramas deutlich, sondern auch, inwiefern es als eine Art Porträt einer Gesellschaft, einer Kultur oder Nation zu verstehen ist, in dem sich politische, soziale und wirtschaftliche Prozesse widerspiegeln. Auch aus historischer Hinsicht war das Bild der Familie schon alleine aus ideologischer Sicht wichtig und wurde bzw. wird von vielen politischen Systemen bis heute genutzt, um die „Gesundheit“ der Nation zu betonen.
Oft überrascht uns die Faszination, die aus dem aus unserer Sicht Normalen oder Alltäglichen sich für viele Menschen ergibt. So erging es auch Lu Qingyi, einem chinesischen Fotografen und Maler, der vor Jahren ein Tagebuch mit dem Titel „Mein Vater“, über seine in der chinesischen Provinz lebenden Eltern, geführt hatte und dies online veröffentlichte. Die durchweg positive Resonanz überwältige ihn, sodass er beschloss, eine Dokumentation über seine Eltern, ihre Heimat und ihr Leben zu drehen, angefangen beim traditionellen Frühlingsfest, zu dem viele Söhne und Töchter, die in den großen Städten arbeiten, wieder zurück aufs Land fahren. Das Resultat seiner Bemühungen, die Dokumentation Four Springs, lief bereits auf zahlreichen internationalen Filmfestivals, wie dem Golden Horse Film Festival oder dem Hong Kong Asian Film Festival.
Lektionen des Lebens
Über einen Zeitraum von vier Jahren begleitete der Filmemacher seine Eltern, immer beschränkt auf die Dauer des Frühlingsfestes, zu dem er, wie auch seine Geschwister anreisten. Lu Qingyi begleitet mit seiner Kamera die Vorbereitungen der Familie auf das Ereignis, vom Sammeln des Holzes im nahegelegenen Wald bis hin zu den einzelnen Mahlzeiten, für die seine Mutter lange Zeit in der Küche verbringt. Neben den freudigen Momenten, die sich während dieser Zeit ergeben, gibt es auch tragische Ereignisse, welche einen Schatten auf das Fest werfen, vor allem durch den Krebstod seiner Schwester. Als Zuschauer ist man gewillt Qingyi zuzustimmen, wenn er festhält, dass ihn die Arbeit an dem Projekt eine neue Perspektive auf seine Eltern und seine Heimat eröffnet hat.
Trotz der bisweilen tragischen Ereignisse, welche die Familie einholen, kommt man nicht umhin, die Wirkung eines Filmes wie Four Springs nicht nur als lebensbejahend zu bezeichnen, sondern als optimistisch und sehr unterhaltsam. Dies liegt zum einen an der Perspektive, die Qingyi einnimmt, der bisweilen Probleme hat seine Rollen als Dokumentarfilmer und Sohn auseinanderzuhalten, was immer wieder zu einigen, sehr humorvollen Szenen führt. Darüber hinaus liegt dies an seinen Eltern selbst, die durch ihr facettenreiches Leben nicht nur viele interessante Geschichten zu erzählen haben, sondern sich über die Zeit eine besondere Philosophie – wenn man es so nennen will – zurechtgelegt haben, bezogen auf ihr Zusammenleben, ihren Umgang mit dem Alter und mit dem Alltag. Insbesondere ihre scheinbar ungebrochene Lust am Leben zeigt sich in vielen Szenen, Momente, welche die Kamera festhält und welche den Wert einer solchen Dokumentation ausmachen.
OT: „Four Springs“
Land: China
Jahr: 2017
Regie: Qingyi Lu
Kamera: Qingyi Lu
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