In dem Drama Plötzlich so still (TV-Ausstrahlung: 8. März 2021 um 20.15 Uhr im ZDF) spielen Friederike Becht und Hanno Koffler ein Paar, das zum ersten Mal Nachwuchs hat, jedoch bald einen schweren Schicksalsschlag überstehen muss, als das Baby plötzlich stirbt. Unfähig diesen Verlust zu verarbeiten entführt die Mutter daraufhin ein anderes Neugeborenes und will glauben, dass es sich um ihr Kind handelt. Wir haben uns im Interview mit Hanno Koffler über seine Rolle, die Auswirkungen emotionaler Geschichten und die Verbindung von Eltern zu ihren Kindern unterhalten.
Plötzlich so still handelt von jungen Eltern, die ein Neugeborenes verlieren und einer Mutter, die diesen Verlust verschweigt, da sie nicht damit umgehen kann. Was hat Sie an dem Film gereizt?
Es war ein gutes Buch, das mich berührt hat. Ich entscheide oft aus dem Bauch heraus, ob ich eine Rolle annehme. Der nächste Schritt bei einem so emotionalen Stoff ist die Frage, mit wem man da zusammenarbeiten wird, vor der Kamera als auch hinter der Kamera. Und da war der Regisseur Lars-Gunnar Lotz mit seiner Kamerafrau Katharina Bühler und der ausführenden Produzentin Heike Wiehle-Timm ein ganz tolles Team. Da fühlte ich mich sehr gut aufgehoben. Vertrauen spielt in so einem Fall einfach eine sehr große Rolle, damit ich mich als Schauspieler fallen lassen kann.
In Plötzlich so still merkt Ihre Figur nach einer mehrwöchigen Rückkehr nicht, dass das Baby zu Hause nicht seine Tochter ist. Für wie realistisch halten Sie das? Ab wann erkennt man als Elternteil sein Kind wieder?
Das ist auf jeden Fall ein spannendes Thema, das noch weitere Fragen nach sich zieht. In Plötzlich so still ist es ja der Vater, der sein Kind nicht erkennt. Wie wäre das bei der Mutter? Würde sie in derselben Situation merken, dass es nicht ihr Kind ist? Diese Fragen habe ich mir jedenfalls gestellt. Interessanterweise habe ich gerade etwas von Stefanie Stahl gelesen, einer bekannten Therapeutin und Psychologin. Da ging es auch um die Eltern-Kind-Bindung. Und sie schrieb darin, dass diese Bindung nicht selbstverständlich ist. Die Verbindung zwischen Mutter und Kind ist durch die Geburt und die vorangegangenen Monate der Schwangerschaft inniger. Der Vater ist da schon ein wenig außen vor und muss sehr aktiv selbst diese Verbindung aufbauen, zum Beispiel durch Körperkontakt. Ich denke also schon, dass man eine Geschichte wie in Plötzlich so still erzählen kann, wenn der Vater so lange weg war und auch so kurz nach der Geburt weg war, dass er nicht merkt, dass das ein anderes Kind ist. Hinzu kommt: Warum sollte Ludger glauben, dass seine Frau zwei Kinder vertauscht hat? Das ist so weit hergeholt, da würde vermutlich niemand in seiner Situation überhaupt auf die Idee kommen.
Daran anschließend noch eine Frage: Wie viel von dieser Liebe zwischen Eltern und Kind ist biologisch-instinktiv, wie viel basiert auf der Erwartung, es zu lieben?
Man geht ja immer davon aus, dass Eltern ihre Kinder lieben müssen und umgekehrt Kinder ihre Eltern. Aber wirklich voraussetzen kann man das doch eigentlich gar nicht. Wobei die Liebe von einem Kind zu den Eltern noch einmal archaischer ist. Es muss diese Verbindung ja aufbauen, damit es überleben kann. Deswegen ist das schon intuitiv in ihnen drin. Bei den Eltern ist das anders. Es gibt Mütter, die diese Verbindung nicht auf Anhieb herstellen können. Einen Menschen zu lieben, egal in welcher Form, braucht auch immer ein aktives Element.
In Plötzlich so still stürzt sich Ludger gleich nach seiner Rückkehr wieder in die Arbeit, obwohl er das nicht müsste und obwohl seine Frau deutlich erkennbar in einer Krise steckt. Warum tut er das?
Ludger ist jemand, der helfen möchte. Wenn das ein weniger existenzieller Notfall wäre, der da an ihn herangetragen wird, dann wäre das für ihn auch kein Problem, die Arbeit sein zu lassen und bei der Familie zu bleiben. Aber da bricht mit diesem Entführungsfall des anderes Kindes eine solche Not über ihn herein. Und er glaubt ja auch wirklich, dass er dieser Frau helfen kann. Deswegen muss er das machen. In dem Moment schätzt er die Situation bei seiner Frau auch falsch ein und merkt nicht, wie groß die Krise bei ihr wirklich ist. Vielleicht spielt aber auch das Unterbewusstsein mit rein und er weiß instinktiv, dass er da eine große Wahrheit aufdecken muss.
Die Situation, für den Beruf zwischendurch mal für längere Zeit weg müssen, kennen Sie als Schauspieler ja auch, wenn Sie auf Dreh sind. Wie schwierig ist es, diesen Beruf und ein Familienleben unter einen Hut zu kriegen?
Diesen Spagat müssen ja die meisten Menschen vollbringen, unabhängig vom Berufsfeld. Und dieser Spagat stellt für viele da draußen eine Zerreißprobe dar. Meine Frau ist Regisseurin und Autorin und wir haben zusammen das Drehbuch für unseren Kinofilm Die Saat geschrieben, der dieses Jahr auf der Berlinale Premiere haben wird. Da geht es auch um diese Frage, ob ein Familienleben und der Beruf sich vereinbaren lassen. Wo muss man Abstriche machen? Geht das, in beidem immer sein Bestes zu geben? Oder scheitert man unweigerlich an seinen Ansprüchen? Das ist ein ganz großes Thema. Letztendlich kannst du nur immer wieder versuchen abzuwägen und nach bestem Gewissen zu entschieden, was machbar ist. Vermutlich wirst du zwischendurch scheitern. Du wirst aber auch wunderbare Momente haben, die du ohne die Familie nicht hättest.
Bei einer Figur wie Ludger, bei dem die Verbindung eines Vaters zu seinem Kind von großer Bedeutung ist, ist es da als Schauspieler ein Vorteil, selbst Kinder zu haben?
Mir hat es mit Sicherheit geholfen. Aber es gehört ja zum Schauspiel dazu, sich auch in Situationen hineinzuversetzen, die man selbst so nicht erlebt hat. Da musst du auch ohne vorherige Erfahrungen in der Lage sein, ein Gefühl für etwas zu entwickeln.
Gibt es umgekehrt den Fall, dass einem als Schauspieler etwas schon zu nahe ist? Gerade bei einem Film wie Plötzlich so still, der schon sehr emotional ist.
Das stimmt. Ich habe mich vorher auch gefragt: Will ich mich dem jetzt aussetzen? Kann ich das überhaupt? Das ist natürlich auch ein Anreiz, wenn du an deine Grenzen gehen musst. Eine Herausforderung ist immer auch ein Ansporn, das herauszufinden. Es gab zwei Szenen, bei denen ich vor dem Dreh schon meine Sorgen hatte und körperliche Abwehrreaktionen entwickelt habe. Ich konnte schlecht schlafen, hatte Probleme mit dem Magen. Es ist schon verrückt, dass man als Schauspieler oft wahnsinnig viel investiert, obwohl die emotionalen Szenen oft nur einen kleinen Teil des Films ausmachen. Manchmal braucht es das auch gar nicht, diese großen Emotion als Ganzes auszustellen.
Und wie viel bleibt von einem solchen Dreh danach noch zurück?
Das kann man vielleicht ein bisschen mit einem Marathonlauf vergleichen. Du hast da sechs oder 10 Wochen lang ein sehr intensives Training, dann den Marathon an sich. Danach bist du natürlich erst einmal erledigt und brauchst eine Phase der Regeneration. Das ist beim Film genauso. Wobei es klar auch von dem jeweiligen Film abhängt. Bei einem Film wie Plötzlich so still ist es normal, dass ich ein oder zwei vielleicht sogar drei Wochen lang etwas ruhiger treten muss. Es sind ja nicht nur die fünf, sechs Wochen Drehzeit, sondern auch die Wochen der Vorbereitung. Nach so einer langen Zeit gehört es dazu, dass man eine Weile braucht, um wieder leer zu werden und offen zu sein für etwas Neues.
Kommen wir noch auf den Inhalt zu sprechen. Wie würden Sie die Beziehung zwischen Eva und Ludger beschreiben?
Sie führen eine glückliche Beziehung, die auf Liebe, Vertrauen und Ehrlichkeit basiert. Da gibt es erstmal nichts Dysfunktionales oder Missgunst oder dergleichen. Beide versuchen am Anfang des Films, gemeinsam einen Weg zu finden, wie Ludger dieses Angebot annehmen kann, in die USA zu gehen, auf das er lange gewartet hat. Beide freuen sich über diese berufliche Chance. Das zeigt eine total gesunde und gute Beziehung. Die können also eigentlich ganz viel zusammen schaffen. Aber keine Liebe und keine Beziehung ist davor gefeit auseinanderzubrechen, wenn das Leben mit seiner gesamten Gewalt zuschlägt. Da gibt es keine Sicherheit.
Ludger merkt in der Situation schon, dass es da ein Problem gibt, aber er kommt nicht an Eva heran. Hätte er in dieser Situation überhaupt etwas anders machen können, um an sie heranzukommen? Schließlich wollte sie ihr Geheimnis nicht mit ihm teilen.
Diese Frage wird im Drehbuch und auch im Film bewusst gestellt: Wenn Ludger in dem Moment innegehalten hätte und da geblieben wäre, wäre Eva vielleicht an den Punkt gekommen und hätte sich ihm womöglich mitgeteilt. Aber dieses hätte wäre wenn, das sind Größen im Leben, die uns ständig auch in den besten Beziehungen daran hindern, etwas zu sagen oder zu tun. Vielleicht war man gerade in Gedanken woanders und hat deshalb nicht so reagiert, wie man besser hätte reagieren sollen. Wobei das bei Ludger nicht einfach nur Gedankenlosigkeit ist. Er geht ja davon aus, dass er das mit dem Fall ganz schnell hinbekommt und dann gleich wieder zu Eva zurückkehren kann. Mehr als ein, zwei Tage will er dafür nicht in Anspruch nehmen. Die Geschichte findet ja in einem sehr kurzen Zeitrahmen statt.
Nachdem die Geschichte rum ist, wie wird es Ihrer Meinung nach mit den beiden weitergehen? Werden sie diesen Schicksalsschlag überstehen?
Ich möchte da niemandem seine persönliche Antwort vorwegnehmen. Es handelt sich in diesem Film um ein Paar, bei dem es vor dem Schicksalsschlag viel Vertrauen gab und Liebe. Außerdem ist Ludger Psychologe und kennt sich natürlich mit dem Thema Verlust aus, sowohl beruflich als auch persönlich, weil er schon früh in seinem Leben die eigenen Eltern verloren hat. Er weiß, was solche traumatischen Erlebnisse mit einem Menschen machen können und welche absurden und verrückten Verhaltensweisen so ein Schock in einem hervorrufen kann. Und Verständnis ist schonmal eine gute Voraussetzung, um aus einer Krise herauszukommen. Aber was das für die beiden am Ende wirklich bedeutet, ob man eine solche Erfahrung als Paar überhaupt überwinden kann, die kann ich natürlich nicht allgemeingültig beantworten. Wünschen würde ich es ihnen sehr.
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