Mit ihren Videos, in denen sie sich irgendwelchen Mutproben unterziehen, sind Charly (Emilio Sakraya) und Finn (Timmi Trinks) zu Internetberühmtheiten geworden. Gleiches gilt für die Schminkexpertin Betty (Nilam Farooq), mit der sie sich schon seit Längerem kleine öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzungen liefern und damit die eigenen Besucherzahlen in die Höhe schrauben. Nun hat das Trio einen neuen Plan ausgeheckt, um jede Menge Likes zu sammeln: Sie wollen eine Nacht in den Heilstätte verbringen, einer zu einer Ruine verkommenen Krankenhausanlage, in der immer wieder seltsame Vorkommnisse beobachtet worden sein sollen. Unterstützt werden sie dabei von einem Freund, dem Medizinstudenten Theo (Tim Oliver Schultz). Aber auch Emma (Lisa-Marie Koroll) und Theos Exfreundin Marnie (Sonja Gerhardt), die selbst einen Vlog hat, in dem sie und andere sich Ängste stellen, sind mit von der Partie – ohne zu ahnen, worauf sie sich einlassen …
Alte Ästhetik trifft auf neuen Zeitgeist
Nach den Erfolgen von The Blair Witch Project (1999), vor allem aber Paranormal Activity (2007) gab es eine ganze Zeit lang kein Entkommen vor den sogenannten Found-Footage-Filmen. Meist im Horrorgenre angesiedelt erzählten diese ihre Geschichten anhand unzusammenhängender Videoaufnahmen, welche das Gefühl vermitteln sollten, als Zuschauer bzw. Zuschauerin direkt Teil des Geschehens zu sein. Da gab es viele Schnitte, eine ständig wackelnde Kamera, die oft unübersichtliche Bilder liefert. Hinzu kamen Dialoge, so rudimentär, dass sie als Teil eines Authentizitätspaketes verkauft werden sollten. Zum Teil funktionierte das sehr gut, oft eher weniger. Ganz abgesehen davon, dass dieses Stilmittel so inflationär gebraucht wurde und sie alle irgendwann nur noch voneinander abkupferten, fehlte oft eine inhaltliche Rechtfertigung. Wo bei den beiden obigen Titeln die Kameras und die damit einhergehende Ästhetik untrennbar mit der Geschichte verbunden waren, wurde das später zu einem reinen Selbstzweck.
Als Heilstätten 2018 in die Kinos kam, dürften daher nicht wenige Genrefans aufgestöhnt haben. Ein Found-Footage-Horrorfilm? Jetzt noch? Zumal es auch noch ein Werk aus Deutschland war, das sich bekanntlich schwer damit tut, in dem Segment des Horrors ernst genommen zu werden. Wobei man Regisseur und Autor Michael David Pate (Kartoffelsalat) eines dabei zugutehalten muss: Anders als die vielen anderen Nachahmer ist der Stil hier inhaltlich durchaus sinnvoll. Tatsächlich war es sogar ein derart naheliegender Einfall, Found Footage mit YouTube-Vloggern zu verbinden, dass man sich im Anschluss fragen musste, warum vor ihm keiner darauf gekommen ist. In einer Gesellschaft, in der die Kameras inzwischen dank Smartphones ständige Begleiter sind, Selbstinszenierung Teil eines Zeitgeistes, funktioniert das Prinzip richtig gut.
Schönes Setting, langweilig in Szene gesetzt
Bis das alles aufgebaut ist, lässt sich Pate jedoch gut Zeit. Wie im Found-Footage-Bereich üblich, das irgendwann zum Synonym für ewig lange Einführungen wurde, wird am Anfang viel über die Figuren und den Ort erzählt. Tatsächlich spannend sind Erstere nicht. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Ansammlung von Selbstdarstellern und Selbstdarstellerinnen, die nicht mehr sind als Karikaturen heutiger Netzprominenz. Das kann man nun als faul und wenig ambitioniert empfinden. Tatsächlich ergibt diese Oberflächlichkeit in diesem Kontext aber durchaus Sinn. Heilstätten ist eben nicht nur ein klassischer Horrorfilm, sondern verbindet dies mit satirischen Seitenhieben auf die Gesellschaft. Letztere sind dann auch das bessere Argument, sich den Film anzuschauen. Es erfüllt einen schon mit einer gewissen Schadenfreude, wenn die zum Großteil grauenvollen Menschen angsterfüllt durch die Gänge hetzen und auf einmal feststellen müssen: Das Leben kann verdammt real sein.
Als Horrorfilm ist Heilstätten hingegen nur Mittelmaß. Ein ehemaliges Krankenhaus, in dem sich grausige Dinge zugetragen haben sollen, ist nicht mehr als Genrestandard. Es fehlen Pate auch die Einfälle, diesen Ort vielleicht einmal ein wenig anders in Szene zu setzen. Da war beispielsweise der südkoreanische Kollege Gonjiam: Haunted Asylum, in dem es YouTuber in eine ehemalige psychiatrische Anstalt verschlagen, doch um einiges kreativer. Das Setting mag für sich genommen atmosphärisch sein. Die wenig abwechslungsreiche Mischung aus Wärmebild- und sonstigen Aufnahmen wird im Mittelteil aber schon recht langweilig. Erst zum Ende hin dreht der Film noch einmal mächtig auf und geht in eine andere Richtung, als man erwarten durfte. Das verleiht ihm einerseits wieder mehr Relevanz. Andere Zuschauer und Zuschauerinnen dürfte das hingegen mächtig stören.
OT: „Heilstätten“
Land: Deutschland
Jahr: 2018
Regie: Michael David Pate
Drehbuch: Michael David Pate, Eckehard Ziedrich
Musik: Andrew Reich
Kamera: Pascal Schmit
Besetzung: Nilam Farooq, Emilio Sakraya, Timmi Trinks, Sonja Gerhardt, Lisa-Marie Koroll, Tim Oliver Schultz
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