Als Maren (Rosalie Thomass), die bei einem Abschleppunternehmen arbeitet, in einem Wagen eine Tasche findet, staunt sie nicht schlecht. Denn darin befinden sich mehr als 600.000 Euro. Für sie ist das ein Geschenk des Himmels, schließlich sitzt ihr Mann Dennis (Friedrich Mücke) seit einem Unfall im Rollstuhl. Mit diesem Geld könnte sie seine Therapie finanzieren, die ihm das Laufen wieder ermöglichen könnte, von der Versicherung aber nicht übernommen wird. Die Sache hat nur einen Haken: Das Geld wurde zuvor vom Verbrecher Henning Karoske (Thomas Loibl) gestohlen, der sich mit der Summe selbst ein neues Leben ermöglichen wollte. Und diese Chance will er sich nun zurückholen, koste es, was es wolle …
Eine moralische Herausforderung
Sie gehört zu den immer wieder beliebten Situation, um die Moral von Menschen auf die Probe zu stellen: Was tun, wenn man irgendwo Geld gefunden hat? Natürlich gibt es dabei noch ein paar Faktoren, welche die Entscheidung beeinflussen. Neben der Höhe der Summe betrifft das beispielsweise die Frage, ob der ehemalige Besitzer ausfindig gemacht werden. Einen 10-Euro-Schein, den man im Park aufsammelt, ist nun einmal etwas anderes als ein Geldbeutel, der neben dem Personalausweis 500 Euro enthält. Doch was, wenn man auf diese Weise nicht nur einen kleinen Bonus findet, sondern so viel Geld, dass man damit sein komplettes Leben ändern könnte?
Wenn in Jackpot die Protagonistin zu dieser Verführung nicht Nein sagen kann, dann ist das einerseits natürlich verwerflich. Aber es ist doch auch menschlich, umso mehr da das Schicksal ihr zuvor nicht unbedingt gnädig war. Sonderlich realistisch ist das Szenario natürlich nicht, da kommen neben dem Wahnsinnsfund noch ganz andere Zufälligkeiten zusammen. Drehbuchautor Frédéric Hambalek (Der Polizist und das Mädchen) hat wenig Interesse daran, eine Geschichte aus dem Leben zu erzählen. Es ist nicht einmal so, dass sich alle Figuren sonderlich plausibel verhalten würden. Da wurde teilweise schon etwas willkürlich gearbeitet, um zum erwünschten Ziel zu kommen.
Das Grübeln in Grautönen
Das bedeutet jedoch nicht, dass der auf der ARD ausgestrahlte TV-Film damit sinnlos wäre. Zum einen lädt Jackpot zum Spekulieren und Nachdenken ein. Wer vor den Fernsehern daheim sitzt und sich den Thriller anschaut, kann fast nicht anders, als darüber zu spekulieren, wie man sich selbst in der Situation verhalten würde. Hinzu kommen andere Faktoren, etwa die Frage, ob es moralisch vertretbarer ist, Geld von Verbrechern zu stehen. Und auch die Abwägung, inwieweit man einen solchen Diebstahl rechtfertigen kann, wenn es darum geht, jemand anderem zu helfen, dürfte in so manchem Kopf herumspuken. Eindeutige Antworten sind da eher in der Minderheit, da wird viel in Grautönen gemalt.
Das gilt natürlich besonders auch für Maren selbst. Während sie anfangs noch eine relativ eindeutige Sympathieträgerin ist, die sich für ihren Mann aufopfert, wird sie mit der Zeit immer ambivalenter. Gleiches gilt für ihren Gegenspieler Henning, der nicht unbedingt davor zurückschreckt, Menschen abzuknallen, aber eben auch eine andere Seite in sich hat. Nicht einmal Dennis ist ein eindeutiger Fall. Zwar hat er im Vergleich zu den anderen noch den ausgeprägtesten moralischen Kompass. Dafür ist sein eigener Zustand auf ihn selbst zurückzuführen. Wenn sich seine Frau in Jackpot also zu einer Verzweiflungstat hinreißen lässt, dann trägt er daran durchaus eine Teilschuld. Irgendwie stolpern sie hier alle durch Situationen, in denen sie nur verlieren können.
Temporeich und spannend
Allein dafür ist der Film schon sehenswert, zumal er mit Thomass, Mücke und Loibl auch ein prominentes und talentiertes Ensemble vorweisen kann. Aber auch wer „nur“ Spannung sucht, kommt bei Jackpot auf seine Kosten. Der von Emily Atef (3 Tage in Quiberon) inszenierte Thriller ist temporeich, die Lage zunehmend gefährlich, wenn der Verfolger seiner Beute näher kommt. Dabei wird zwar sicherlich das eine oder andere Klischee mitgenommen oder auch schon mal direkt aus einem anderen Film geklaut. Aber es bleiben selbst dann noch genügend Wendungen, um bei der immer weiter eskalierenden Situation gebannt dabei zu bleiben und darauf zu warten, wie das Ganze denn nun ausgeht.
OT: „Jackpot“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Emily Atef
Drehbuch: Frédéric Hambalek
Musik: Christoph M. Kaiser, Julian Maas
Kamera: Bernhard Keller
Besetzung: Rosalie Thomass, Friedrich Mücke, Thomas Loibl, Hilmar Eichhorn, Kerem Can, Annika Meier
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