Bislang führten die Bären ein zurückgezogenes, friedliches Leben im Einklang mit der Natur. Als jedoch deren König Leonzio eines Tages mit seinem Sohn Tonio unterwegs ist, um ihm das Lachsfischen beizubringen, tauchen Jäger auf und entführen das Junge. Außer sich vor Kummer schwört Leonzio, alles dafür zu tun, um Tonio zurückzubekommen. Und so trommelt er den Rest seines Rudels zusammen und marschiert gemeinsam mit ihnen ins Tal der Menschen. Dessen Herrscher, ein erbarmungsloser Großherzog, schickt daraufhin seine Armee los, um die Invasion zu stoppen. Doch am Ende triumphieren die Bären. Nicht nur, dass Leonzio Tonio befreien kann, er nimmt auch das Reich der Menschen in Besitz. Damit fangen die eigentlichen Probleme aber erst an …
Animationshighlights aus Europa
Beim Thema Animationsfilme fallen vielen heute in erster Linie die CGI-Blockbuster der US-amerikanischen Studios ein, alternativ den wieder populärer gewordenen Anime-Markt aus Japan. Dabei wird oft übersehen, dass auch Europa das Zuhause zahlreicher faszinierender Werke ist. Tatsächlich sind diese oft visuell sogar die interessanteren, verfolgen einen stärker auf künstlerischen Ausdruck ausgerichteten Ansatz. Ein Beispiel hierfür ist Königreich der Bären, das 2019 bei den Filmfestspielen von Cannes Premiere feierte, zusammen mit anderen herausragenden Animationsfilmen. Während jedoch Ich habe meinen Körper verloren und Die Schwalben von Kabul schon seit einiger Zeit bei uns erhältlich sind, ließen sich die Bären ein wenig Zeit, tummelten sich auf zahlreichen anderen Festivals, bis sie doch ihren Weg nach Deutschland fanden.
Die Wartezeit hat sich dafür auf jeden Fall gelohnt. Zuerst könnte man meinen, es handele sich bei dem Film um einen lediglich auf Unterhaltung ausgelegten Animationsfilm für Kinder, voll mit sprechenden Tieren. Dafür spricht auch der Originaltitel der französisch-italienischen Coproduktion: La fameuse invasion des ours en Sicile, auf Deutsch Die berühmte Invasion von Sizilien durch die Bären. Das geht anfangs mit einigem Humor einher, gerade auch durch die Figur des Hofmagiers De Ambrosis. Denn der hat die undankbare Aufgabe, die besagte Invasion zu stoppen, ohne wirklich Unterstützung durch seinen Herrscher zu erfahren. Gefangen zwischen einem brutalen Großherzog und wilden Tieren, das ist kein Spaß – zumindest für ihn, für das Publikum schon.
Bittere Allegorie auf die menschliche Natur
Im Anschluss schlägt die Adaption eines Kinderbuches von Dino Buzzati aber einen unerwarteten Weg ein. Mehrfach sogar. Tatsächlich gibt es zwei Stellen, an denen vergleichbare Geschichten längst ihr Ende gefunden hätten. Doch Königreich der Bären macht dort nicht Schluss, erzählt, wie es nach dem vermeintlichen Finale weitergeht. Schon vorher finden sich immer wieder düstere Passagen, weshalb das Publikum hier nicht zu jung sein sollte. Danach wird es richtig ernst. Regisseur Lorenzo Mattotti zeigt uns auf, wie die Bären Gefallen finden an dem Leben in der Stadt, mit der Zeit aber von dieser korrumpiert werden. Anstatt wie zu Beginn in Harmonie zu leben, kommt es zu Streit und Missgunst, Genusssucht und der Gier nach Macht.
Aus dem anfangs so harmlos und absurd wirkenden Abenteuer wird auf diese Weise eine erstaunlich bittere, realistische Allegorie auf die menschliche Natur und die Entstehung von Diktaturen. Aber auch Themen wie Rassismus werden in Königreich der Bären sorgsam mit verwoben, wenn Leonzio bei einem Verbrechen automatisch die Menschen verdächtigt, da nur sie zu einem solchen in der Lage wären. Das Ganze wird dabei jedoch nach wie vor so kindgerecht verpackt, dass der Film sowohl für ein junges wie auch ein erwachsenes Publikum sehenswert ist. Stoff für anschließende Gespräche ist auf jeden Fall reichlich vorhanden.
Eine Welt voller Farben
Man kann sich aber genauso auch einfach zurücklehnen und die Bilder genießen. Königreich der Bären ist ein sehr farbenfroher, stilisierter Film mit ausschweifenden Landschaften und ausdrucksstarken Figuren. Die Bilder sind voller witziger Details, dabei mit einer leicht surrealen Anmutung, eine Mischung aus den hierzulande leider kaum bekannten Titeln Die Abenteuer des Pinocchio und The Painting. Es wäre zu wünschen, dass es diesem Film hier besser ergeht, verdient hätte er es. Wer Animationstitel mit einer eigenen Bildsprache zu schätzen weiß, sollte sich diesen hier auf jeden Fall auf die Merkliste setzen. Aber auch Leute, die einen tatsächlich guten Film für den eigenen Nachwuchs suchen, ist dieser Geheimtipp ans Herz gelegt.
OT: „La fameuse invasion des ours en Sicile“
Land: Frankreich, Italien
Jahr: 2019
Regie: Lorenzo Mattotti
Drehbuch: Ludovic Bernard, Mathieu Oullion
Vorlage: Dino Buzzati
Musik: René Aubry
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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César | 2020 | Bester Animationsfilm | Nominierung | |
Prix Lumières | 2020 | Bester Animationsfilm | Nominierung |
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