Fünf Jahre hat Tony (Jean Servais), der den Spitznamen „Der Sanfte“ trägt, wegen eines Einbruchs im Gefängnis verbracht. Und auch wenn sich während seiner Abwesenheit viel verändert hat, er wird die Welt des Verbrechens nicht los. So lässt er sich nach anfänglichem Zögern darauf ein, mit seinem früheren Kompagnon Jo (Carl Möhner) und Mario (Robert Manuel) einen Juwelier auszurauben. Der Safeknacker César (Jules Dassin) komplettiert die Runde, welche sich daraufhin an die Arbeit macht und alles minutiös vorbereitet. Tatsächlich zahlt sich die lange Planung aus, als sie das scheinbar Unmögliche wahr machen. Doch dabei haben sie die Rechnung ohne den Nachtclubbesitzer Louis (Pierre Grasset) gemacht …
Verbrechen als Publikumsmagnet
Ursprünglich waren Verbrecher auf die Funktion des Antagonisten gesetzt. Menschen, die von aufrechten Helden, meist im Umfeld der Polizei, bekämpft werden. Und auch wenn ihnen nach wie vor aus naheliegenden Rollen meist die Schurkenrolle zukommt, so gibt es doch ein Genre, das partout nicht nach diesen Regeln spielt: der Heist Movie. Filme wie Ocean’s 11 und Glorreiche Verlierer machen ausgerechnet Diebe und Räuber zu Protagonisten, seit einigen Jahren gibt es mit Titeln wie Widows – Tödliche Witwen auch eine weibliche Variante. Figuren und Beute sind dort natürlich immer unterschiedlich. Das Prinzip ist aber immer dasselbe und besteht darin, dass wir einer Gruppe dabei zusehen, wie sie einen großen Coup plant und dann auch ausübt.
Einer der frühesten und bekanntesten Vertreter dieses Subgenres ist Rififi aus dem Jahr 1955. Basierend auf einem Roman von Auguste Le Breton sind es hier vier Männer, die einen Juwelier ausrauben und dafür im Vorfeld lange planen und proben. Und mit eben diesem Raub schreib der Krimi Filmgeschichte. Hier kommen zwar keine absurden Gadgets zum Einsatz, die heute gerne verwendet werden, um das Publikum zu beeindrucken. Tatsächlich war der Vorgang so realistisch, dass die Polizei die Szene seinerzeit verbieten lassen wollte, aus Angst vor Nachahmern. Dieser betonte Realismus hängt dabei nicht nur mit dem „was“ zusammen, sondern gerade auch dem „wie“. Mehr als eine halbe Stunde dauert der Raub. Eine halbe Stunde, in der kein Wort fällt, keine Musik im Hintergrund gespielt wird. Stattdessen eine detailverliebte Abarbeitung der einzelnen Schritte.
Blick in menschliche Abgründe
Doch es ist nicht nur die Nüchternheit dieses Abschnitts, der Rififi von gegenwärtigen Genrekollegen unterscheidet. Heute ist es üblich, die Räuber in solchen Filmen zu einer Art Held umdeuten zu wollen. Der Grund ist klar: Ein Raub ist ein Verbrechen, weshalb es doch einer gewissen Legitimation benötigt, damit das Publikum den Protagonisten und Protagonistinnen die Daumen drückt. Und so geht es in Heist Movies inzwischen oft gegen noch größere Verbrecher, die entweder den Hauptfiguren Unrecht angetan haben oder für sich genommen schon so abscheulich sind, dass damit alles mehr oder weniger gerechtfertigt ist. Nicht so hier. Das Opfer ist ein Juwelier, von dem kein Fehlverhalten bekannt ist. Von dem eigentlich gar nichts bekannt ist. Sein einziges „Verbrechen“ besteht darin, Reichtümer zu besitzen.
Aber auch bei den Protagonisten muss man sich von den heute üblichen Bildern verabschieden. Regisseur Jules Dassin, der zudem an der Drehbuch-Adaption der Vorlage arbeitete, zeigt uns eine Bande, bei der es zwar schon Regeln gibt, eine Art Kodex, der viel mit Loyalität zu tun hat. Das macht sie aber nicht zu guten Menschen. So wird Tony, trotz seines Spitznamens „Der Sanfte“, zu Beginn des Films als Monster gezeigt, der seine Ex dafür brutal züchtigt, ihn in der Zwischenzeit verlassen zu haben. Später wird er im Vergleich zu seinem Kontrahenten Louis zwar das kleinere Übel sein. Das bedeutet aber nicht viel. Rififi scheut sich nicht davor zurück, das Publikum mit hässlichen Seiten zu konfrontieren.
Gefangen in einer brutalen Welt
Gleichzeitig geht damit eine große Tragik einher. Dassin nimmt uns mit in eine Welt, aus der es kein Entkommen gibt und in der alle auf ihre Weise Gefangene sind. Ein Ausbruch aus derselben ist nicht möglich, so sehr sie auch dagegen ankämpfen. Das zeigt sich zu Beginn des Films, wenn Tony kurz nach der Entlassung aus dem Gefängnis zu Gewalt und Verbrechen zurückkehrt. Vor allem aber das letzte Drittel zeichnet einen bedrückenden Fatalismus: Haben sich die Dinge erst einmal in Gang gesetzt, entsteht ein Automatismus, dem sich keiner mehr entziehen und der unweigerlich in Schmerz, Trauer und Tod endet. In der Hinsicht bleiben vor allem die letzten Szenen von Rififi in Erinnerung, bei der in grotesker Weise Lebensfreude und Todeskampf miteinander verbunden werden, ein ausgelassener Traum und die bittere Realität.
OT: „Du rififi chez les hommes“
Land: Frankreich
Jahr: 1955
Regie: Jules Dassin
Drehbuch: Jules Dassin, René Wheeler
Vorlage: Auguste Le Breton
Musik: Georges Auric
Kamera: Philippe Agostini
Besetzung: Jean Servais, Carl Möhner, Robert Manuel, Jules Dassin, Marie Sabouret, Janine Darcey, Pierre Grasset
Cannes 1955
Berlinale 1984
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